FeLV-Infektion (Katze)
Synonyme: Feline Leukämie-Virus-Infektion, feline Leukose bzw. (a)leukämische Leukose (umgangssprachlich)
Definition
Unter einer FeLV-Infektion versteht man eine schwere Virusinfektion der Katze, die mit Tumorbildung, Immundefizienz und Anämie einhergeht.
Ätiologie
FeLV-Infektionen werden durch das feline Leukämievirus (FeLV) verursacht. FeLV ist ein behülltes, kugelförmiges bis pleomorphes und 80 bis 100 nm großes Virus aus der Gattung Gammaretrovirus. Der Erreger besitzt ein einzelsträngiges und lineares ssRNA-Genom positiver Polarität, das etwa 8,3 kb groß ist.
Die Virushülle wird von zwei verschiedenen Glykoproteinen gebildet, dem 70 kD großen gp70 sowie dem 15 kD großen Transmembranprotein p15(E). Neben der reversen Transkriptase sind noch vier Gruppen-spezifische Antigene (gag-Proteine) bekannt: p15, p12, p27 und p10.
Das feline Leukämievirus kommt in drei Subtypen vor (A, B und C), die sich aufgrund unterschiedlicher Eigenschaften ihrer Virushülle durch Interferentzests und Wirtszellspektrum differenzieren lassen. Felduntersuchungen zeigten jedoch, dass der Subtyp A in jedem Isolat vorkommt, während Subtyp B viel seltener nachzuweisen ist. Subtyp B kommt nur in Kombination mit dem Subtyp A vor. Über 90 % der Feldisolate enthalten den Subtyp A oder die Kombination aus den Subtypen A und B. Im Gegensatz dazu findet man den Subtyp C nur äußerst selten und wenn, dann immer nur in Kombination mit Subtyp A oder B.
Experimentelle Untersuchungen zeigten, dass Infektionen mit dem Subtyp A wesentlich rascher zur Virämie führen als Infektionen mit dem Subtyp B. Gleichzeitig werden die Subtypen B und C als Rekombinante von Subtyp A und endogenen FeLV-Sequenzen betrachtet. Die Kombination der verschiedenen Subtypen bestimmt dabei (möglicherweise) die klinische Manifestation und den damit einhergehenden Krankheitsverlauf.
Ein Sonderfall ist das feline Sarkomvirus (FeSV), bei dem es sich um eine Rekombination zwischen FeLV und zellulären Onkogenen handelt. Da ein großer Teil des Virusgenoms durch zelluläre Onkogene ersetzt wird, ist FeSV replikationsdefekt und bei der Vermehrung auf den Subtyp A als Helfervirus angewiesen. FeSV ist v.a. für die Entstehung von Fibrosarkomen verantwortlich.
Epidemiologie
FeLV ist in der Außenwelt äußerst labil und gegenüber handelsüblichen Desinfektionsmitteln empfindlich. Bei Raumtemperatur verliert das Virus rasch seine Infektiosität, sodass auch Einfrieren und ein anschließendes Auftauen den Erregern maßgeblich schaden.
Während besonders junge Tiere unter 16 Lebenswochen empfänglich für eine FeLV-Infektion sind, infizieren sich ältere Tiere deutlich seltener. Sie sind aber grundsätzlich ebenfalls empfänglich. Einzeln gehaltene Katzen entwickeln nur selten eine persistierende Virämie, auch wenn sie gelegentlich mit latent infizierten Katzen in Kontakt kommen. Leben hingegen mehrere Katzen in Kollektiven mit Virusträgern zusammen, steigt der Infektionsdruck. Der Anteil virämischer Katzen kann bis zu 50 % und mehr erreichen.
Pathogenese
Katzen infizieren sich am häufigsten durch den direkten Kontakt mit asymptomatischen FeLV-Ausscheidern. Deutlich seltener kommt es hingegen zu indirekten Infektionen - z.B. durch die gemeinsame Nutzung von Futtergeschirren. Als Hauptinfektionsquelle gilt dabei Speichel, mit dem bis zu 2 Mio. infektiöse Viruspartikel pro cm3 ausgeschieden werden.
Die Infektion erfolgt peroral, indem die Erreger die Mukosa der Maul- und Nasenhöhle penetrieren. Das Virus vermehrt sich initial in der Schleimhaut und im lokalen lymphatischen Gewebe. Von dort aus gelangt es mit einzelnen infizierten Lymphozyten oder Monozyten in die Blutbahn und dann ins Knochenmark. Das Knochenmark ist aufgrund der sich rasch teilenden Knochenmarkszellen ein idealer Replikationsort. Nach einer massiven Virusvermehrung gelangen die mit Viren beladenen Granulozyten und Thrombozyten ins periphere Blut, sodass es zur Virämie kommt. Im Zuge der Virämie (bis zu 1 Mio. infektiöse Partikel pro ml Plasma) infiziert das Virus die Epithelien von Pharynx, Darm, Harnblase und Speicheldrüsen. In den betroffenen Organen kommt es somit ebenfalls zur Virusausscheidung (z.B. über den Urin).
Die Virusausbreitung innerhalb des Organismus kann jedoch durch ein funktionierendes Immunsystem an jeder Stelle unterbrochen werden. Eine effektive Bekämpfung ist daher auch noch nach Wochen und Monaten persistierender Virämie möglich. Ob sich eine persistierende Virämie etablieren kann oder nicht, hängt dabei nicht nur von einem funktionierenden Immunsystem ab, sondern auch vom Alter und von den Haltungsbedingungen des Tiers.
Auch wenn eine Katze mit kompetentem Immunsystem die persistierende Virämie erfolgreich bekämpft, bleibt das Virus vermutlich über einen längeren Zeitraum in latenter Form erhalten. Kommt es bei diesen Katzen jedoch zu einer vorübergehenden Schwächung des Immunsystems (z.B. durch Stress), erfolgt eine rasche Reaktivierung der latent vorhandenen Viren. Als besonders gefährdet gelten jene Katzen, bei denen sich Milchdrüsen latent infiziert haben. Während der Trächtigkeit kann es dann in einzelnen Drüsenkomplexen zur Reaktivierung und damit zur Infektion der bei der Geburt noch FeLV-negativen Kitten kommen.
Klinik
Anhand des Krankheitsverlaufs und der damit einhergehenden Symptome werden bei einer FeLV-Infektion zwei Erkrankungsformen unterschieden:
- Primärerkrankungen
- Sekundärerkrankungen
Primärerkrankungen
Zu den Primärerkrankungen werden jene Erkrankungen gerechnet, die als unmittelbare Folge der FeLV-Infektion entstehen. Sie werden von jenen Organsystemen dominiert, in denen sich das Virus vermehrt hat. Hierzu gehören Knochenmarkdepressionen, Tumoren des lymphatischen und myeloischen Systems sowie (sehr selten) Fertilitätsstörungen.
Knochenmarksdepressionen treten am häufigsten auf. In der primären Infektionsphase kommt es dabei häufig zu einer tage- bis wochenlangen leukopenischen Phase. Nach einer hypo- oder aplastischen Anämie folgt eine Monate bis Jahre persistierende Virämie. Die anämischen Tiere sind dabei über einen langen Zeitraum asymptomatisch. Erst wenn der Hämatokrit auf 10 % oder weniger gefallen ist, entwickeln sich die ersten Symptome wie Apathie, Inappetenz und blasse Schleimhäute. Die Anämie wird maßgeblich durch den Subtyp C induziert. Bei einer Knochenmarksdepression kommt es zusätzlich oft auch zu Thrombozytopenie – bei gleichzeitiger Makrothrombozytose. Bei den FeLV-induzierten Tumoren hingegen handelt es sich hauptsächlich um Lymphosarkome, wobei hier drei Formen unterschieden werden müssen:
- alimentäre Form
- multizentrische Form
- Thymusform
Im Vergleich zu den Lymphosarkomen entwickelt sich nur vergleichsweise selten eine Leukämie (myeloische Leukämie). Neurologische Störungen wiederum werden vermehrt bei Katzen mit lang andauernder Virämie beobachtet. Fertilitätsstörungen treten jedoch bei jeder FeLV-positiven Katze auf. Die Tiere leiden entweder an Infertilität, oder es kommt zu Aborten sowie Geburten lebensschwacher Katzen. Zusätzlich können selten noch weitere, nicht-klassifizierbare Veränderungen beobachtet werden, u.a.:
- Exostosen auf den Schädelknochen, den Rippen, dem Schulterblatt und den langen Knochen der Gliedmaßen
- Osteosklerose
- Hauthörner an den Pfoten
Sekundärerkrankungen
Die sekundären FeLV-bedingten Erkrankungen werden durch die Immunsuppression und vermutlich auch durch die Ablagerung von Immunkomplexen bedingt. Es bilden sich Iridozyklitiden und Glomerulonephritiden. Die Folgen der Immunsuppression sind weitreichend, sodass verschiedene andere Infektionskrankheiten begünstigt werden, z.B.:
- FHV-Infektion
- Toxoplasmose
- Mykoplasma-Infektionen (z.B. Mycoplasma haemofelis)
- bakterielle Infektionen
FeLV-infizierte Katzen leiden daher oftmals an Gingivitiden, schlecht heilenden eitrigen Wunden und Otitiden. Sie fallen v.a. durch ein mattes und ungepflegt erscheinendes Haarkleid auf.
Immunologie
FeLV-Infektionen führen zu einer ausgeprägten Immunreaktion mit
- Immunsuppression
- vermindertem Phagozytosepotenzial (begünstigt bakterielle Sekundärinfektionen)
- gestörtem Komplementsystem
- verminderter zelluläre und humorale Immunantwort (massive Hemmung der T-Zell- sowie B-Zell-Antwort)
Differenzialdiagnosen
Aufgrund der teils unspezifischen Symptomatik ist eine Reihe anderer Krankheiten auszuschließen, u.a.:
Diagnose
Da zur Diagnose der FeLV-Infektion hämatologische sowie klinisch-chemische Parameter wenig geeignet sind, sollte die Bestätigung der Verdachtsdiagnose mittels ELISA (z.B. Snap-Test) oder PCR (nach Speicheltupferprobe aus den Backentaschen) erfolgen.
Therapie
Eine kausale Therapie ist bislang (2021) nicht verfügbar. Eine unterstützende Behandlung mit Interferon-omega kann zu einer deutlichen Verbesserung der Überlebensdauer führen. Hierfür werden 3 Zyklen zu je 1 ME/kgKG SID an fünf aufeinander folgenden Tagen (an den Tagen 0 bis 5, 14 bis 18 und 60 bis 64) durchgeführt. Die Überlebenszeit verlängert sich dabei um bis zu 12 Monate.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prophylaxe
Am Markt sind verschiedene FeLV-Impfstoffe erhältlich. Die Grundimmunisierung beginnt mit der 8. Lebenswoche, sodass die 2. Impfung 3 bis 4 Wochen später durchgeführt werden kann. Anschließend sind die Tiere jährlich zu impfen. Bei Katzen über 3 Jahren kann die Nachimpfung auch alle 2 bis 3 Jahre erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Quellen
- ViralZone. Gammaretrovirus SIB - Swiss Institute of Bioinformatics (abgerufen am 11.10.2021)
- Österreichische Tierärztekammer. Impfleitlinien für Kleintiere 2017, Stand: Mai 2017 (abgerufen am 11.10.2021)
- CliniPharm CliniTox. Interferon Omega CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 11.10.2021)
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7