Diffuse alveoläre Hämorrhagie mit Kapillaritis
Englisch: diffuse alveolar hemorrhage with capillaritis
Definition
Der diffuse alveoläre Hämorrhagie mit Kapillaritis, kurz DAH mit Kapillaritis, ist ein histopathologischer Begriff zur Beschreibung von spezifischen akuten Veränderungen der Lungenstruktur. Charakteristisch ist die intraalveoläre Blutung. Sie tritt meist im Rahmen von Autoimmunerkrankungen auf.
siehe auch: Histopathologisch-radiologische Muster bei interstitieller Lungenerkrankung
Ätiologie
Eine DAH mit Kapillaritis tritt am häufigsten im Rahmen von Autoimmunerkrankungen auf:
- Granulomatose mit Polyangiitis (GPA): c-ANCA assoziierte Vaskulitis, die meist lokalisiert in den oberen Atemwegen beginnt. Im generalisierten Stadium unter anderem Lungenbeteiligung (60 %) und Glomerulonephritis (50 %).
- mikroskopische Polyangiitis: MPO-ANCA-assoziierte, nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße, die meist zur nekrotisierenden Glomerulonephritis führt. Bei 50 % der Patienten ist die Lunge betroffen.
- systemischer Lupus erythematodes (SLE)
- Goodpasture-Syndrom: Antibasalmembran-Antikörper führen zu Glomerulonephritis mit akutem Nierenversagen. Die Lunge ist in 40 bis 60 % der Fälle betroffen.
- primäres Antiphospholipid-Syndrom, gemischte Kryoglobulinämie, Morbus Behçet, Purpura Schönlein-Henoch
Weitere Ursachen sind:
- Medikamente: Propylthiouracil, Diphenylhydantoin, Retinoid, Hydralazin
- Infektionen: HIV, Listerien, Leptospiren
In einigen Fällen findet sich keine Ursache (idiopathisch).
Klinik
Patienten mit DAH mit Kapillaritis weisen neben einer respiratorischen Insuffizienz und Dyspnoe in 70 % der Fälle Hämoptysen auf. Weiterhin kann eine Anämie vorliegen.
Diagnostik
Histopathologie
Da es sich bei der DAH mit Kapillaritis um eine histopathologische Diagnose handelt, ist formal eine Lungenbiopsie mit anschließender mikroskopischer Beurteilung notwendig. Dabei fallen intraalveoläre Erythrozyten, mit groben Hämosiderin-Granula beladene Makrophagen sowie eine Kapillaritis auf. Letztere ist gekennzeichnet durch:
- Infiltration der Alveolarsepten mit neutrophilen Granulozyten
- Schwellung des Endothels, Thrombose sowie fibrinoide Nekrose der Alveolarkapillaren
- Hantelförmige Fibrinklümpchen, die von den Kapillarwänden in die Alveolarräume hineinragen
Rezidivierende Episoden können zu einer interstitiellen Fibrose führen.
Radiologie
Im Röntgen-Thorax von Patienten mit DAH mit Kapillaritis finden sich typischerweise fleckige oder diffuse Verschattungen. Fokale Konsolidierungen sind selten. Die Veränderungen bilden sich normalerweise innerhalb von 10 bis 14 Tagen zurück. Bei rezidivierenden Episoden finden sich retikuläre Verschattungen als Ausdruck der Hämosiderose.
Im Thorax-CT zeigen sich ebenfalls fleckig oder diffus verteilte Konsolidierungen oder Milchglastrübungen. Weiterhin können unscharf begrenzte zentrilobuläre Noduli und im subakuten Stadium ein Crazy-Paving-Muster auffallen. Bei rezidivierenden Episoden sieht man ein Honeycombing und Traktionsbronchiektasen als Ausdruck der Hämosiderose.
Bei der Granulomatose mit Polyangiitis können auch große kavitierende Raumforderungen vorkommen.
Differenzialdiagnostik
Die DAH mit Kapillaritis muss von einer idiopathischen pulmonalen Hämosiderose und einer isolierten DAH unterschieden werden, die im Rahmen einer traumatischen Kontusion, einer hämorrhagischen Diathese oder einer chirurgischen Biopsie aufritt. Hilfreich zur Unterscheidung sind die bei der DAH mit Kapillaritis vorkommenden intraalveolären, Hämosiderin-beladenen Makrophagen, die meist nach 48 Stunden auftreten.
Weitere Differenzialdiagnosen sind:
- nicht-kardiogenes Lungenödem: nur selten Hämoptysen. Horovitz-Quotient ≤ 200 mmHg. Keine Herzinsuffizienz oder Hypervolämie.
- kardiogenes Lungenödem: akuter Myokardinfarkt, chronische Herzinsuffizienz
- Pneumonie (z.B. durch atypische Erreger wie Mycoplasma pneumoniae oder Pneumocystis jirovecii): meist fokale Verschattungen. Infektzeichen, selten Hämoptysen oder Anämie.
Therapie
Je nach Grunderkrankung kommen beispielsweise Glukokortikoide bzw. Immunsuppressiva (z.B. Cyclophosphamid, Rituximab) oder eine Plasmapherese zum Einsatz.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von der zugrundeliegenden Grunderkrankung. Bei SLE, Vaskulitis und Goodpasture-Syndrom ist die Mortalität in den frühen Stadien mit 25 bis 50 % hoch.
Rezidivierende DAH bei mikroskopischer Polyangiitis führen zu einer progressiven obstruktiven Lungenerkrankung mit Emphysem (Post-DAH-Syndrom).
Literatur
- Castañer E et al. Imaging findings in pulmonary vasculitis. Semin Ultrasound CT MR, 2012.
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