Morbus Behçet
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nach dem türkischen Dermatologen Hulusi Behçet (1889–1948)
Synonym: Morbus Adamantiades-Behçet
Englisch: Behçet's disease
Definition
Der Morbus Behçet (sprich: "behtschett" [bɛˈtʃɛt]) ist eine systemische, autoinflammatorische Vaskulitis unklarer Ätiologie. Sie kann sowohl arterielle als auch venöse Blutgefäße jeden Kalibers befallen und manifestiert sich als Multisystemerkrankung. Der Morbus Behçet wird häufig den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zugeordnet.
Zur Gruppe der Vaskulitiden variabler Gefäße gehört auch das Cogan-I-Syndrom.
Epidemiologie
Die Erkrankung ist vor allem im Mittelmeerraum verbreitet. In der Türkei beträgt die Inzidenz etwa 100 Fälle auf 100.000 Einwohner.
Pathohistologie
Der Morbus Behçet ist eine Vaskulitis variabler Gefäße, d.h. Gefäße jeden Typs und Kalibers (Arterien, Venen, Arteriolen, postkapilläre Venolen und Kapillaren) können betroffen sein.
Typisch ist im Frühstadium eine neutrophilen-dominierte perivaskuläre Entzündung kleiner Gefäße mit Endothelitis und leukozytoklastischen Veränderungen. Es kommt zum Zerfall von neutrophilen Granulozyten mit Kerntrümmern um kleine Gefäße. Bei venöser Beteiligung ist eine thrombosierende Phlebitis charakteristisch. Sind große Arterien befallen, kann es zu einer wanddestruierenden Arteriitis mit der Gefahr einer Aneurysmenbildung kommen.
Im chronischen Stadium überwiegen lymphoplasmazelluläre Infiltrate mit fibrointimaler Proliferation.
Befällt der Morbus Behçet das ZNS, spricht man von einem Neuro-Behçet. Man unterscheidet eine parenchymatöse Form mit Beteiligung des Nervengewebes, die sich als subakute Meningoenzephalitis manifestiert, und eine nicht-parenchymatöse Form, welche die Gefäße betrifft und durch Sinusthrombosen gekennzeichnet ist.
Symptome
Der Morbus Behçet ist eine Systemerkrankung mit sehr variablem klinischen Bild. Zu den möglichen Symptomen des Morbus Behçet zählen:
- rezidivierende Aphthen (Major-Aphthen) im Mund- und Genitalbereich
- Uveitis, Iritis und Hypopyon mit der Gefahr der Erblindung
- Hautmanifestationen (akneiforme Läsionen mit Papulopusteln und Follikulitis, Erythema nodosum)
- Gelenkmanifestationen (Oligoarthritis, Arthralgien, Sakroiliitis)
- Pathergiephänomen
Weitere rheumatische Symptome, z.B. Thrombophlebitiden oder Epididymitis sind ebenfalls im Zusammenhang mit Morbus Behçet beschrieben. In der Literatur wird die Trias aus oralen und genitalen Aphthen sowie einer Uveitis häufig als typische Symptomkonstellation angegeben.
Bei einer Beteiligung des ZNS können zusätzlich folgende Symptome auftreten:
- parenchymatöse Form: Kopfschmerz, Dysarthrie, Ataxie, Hirnnervenparesen und Pyramidenbahnzeichen sowie Persönlichkeitsveränderungen. Auch eine longitudinale extensive transverse Myelitis (LETM) ist möglich.
- nicht-parenchymatöse Form: intrakranielle Hypertension mit Kopfschmerzen und Papillenödem
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der Anamnese und der klinischen Symptomatik gestellt. Zusätzlich kommt als diagnostischer Goldstandard ein Pathergie-Test zum Einsatz. In ca. 70 % der Fälle kann bei Patienten mit Morbus Behçet das HLA-Antigen HLA-B51 nachgewiesen werden. Zur Diagnosestellung gehört ein ophthalmologisches Konsil.
Klassifikationskriterien
Hauptkriterium für das Vorliegen eines Morbus Behçet sind
- rezidivierende orale aphthöse oder herpetiforme Schleimhautveränderungen (> 3 x in 12 Monaten)
Nebenkriterien sind
- rezidivierende aphthöse Hautveränderungen im Genitalbereich
- Durch den Augenarzt diagnostizierte Uveitis oder Retinavaskulitis
- Andere Hautveränderungen, wie z.B. Erythema nodosum, papulöse oder akneähnliche Hautveränderungen, die jenseits der Pubertät auftreten
- Eine positiv ausfallender Pathergie-Test (Ablesung durch den Arzt nach 24 bis 48 h)
Für die Diagnosestellung müssen das Hauptkriterium und mindestens zwei Nebenkriterien erfüllt sein.
Differentialdiagnose
Aufgrund der - vor allem zu Beginn der Erkrankung - oft unspezifischen Symptomatik werden häufig Fehldiagnosen gestellt. Am häufigsten wird der Morbus Behçet mit einer Spondylarthritis verwechselt. Außerdem sollten Virusinfektionen wie HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C ausgeschlossen werden.
Therapie
Externe Therapie
- Genitale Aphthen: Genitale Aphthen werden mit lokalen Glukokortikoiden und Antiseptika behandelt. Desweiteren kann eine Therapie mit einem lokalen Immunmodulator, wie z.B. Pimecrolimus versucht werden. Zur anästhesierenden Therapie können lidocainhaltige Cremes (z.B. Lidocain-HCl 4,0 % in Wolff Basiscreme ad 30,0 g) zur Anwendung kommen.
- Orale Aphthen: Bei oralen Aphthen wird antiseptisch und antiphlogistisch (z. B. Clobetasolpropionat 0,05% in Hypromellose-Haftpaste 40,0 % NRF S.42 ad 20,0 g oder Tantum Verde® Lösung) behandelt. Zur anästhesierenden und wundheilungsfördernden Therapie können Mundspüllösungen und Haftpasten (z.B. Krister-Lösung oder Mepivacain-HCl 2,0 % in Hypromellose-Haftpaste 40,0 % NRF S.42 ad 20,0 g) appliziert werden.
Interne Therapie
Als Off-Label-Use kommt häufig Colchicin, 1 bis 2 mg/Tag p.o. in 2 bis 3 Einzeldosen über Monate bis Jahre, zum Einsatz. Bei schweren Verlaufsformen kann das Glukokortikoid Prednisolon 40 bis 60 mg/Tag p.o über Wochen, in absteigender Dosierung gegeben werden. Bei Gelenkbeteiligung kommen NSAR zur Anwendung. Zur Ulkusprophylaxe sollte bei NSAR-Gabe ein PPI verordnet werden. Auch Immunsupressiva wie (z.B. Azathioprin p.o. 100 mg/Tag) können bei unzureichender Wirkung der Glukokortikoidtherapie eingesetzt werden.
Bei vorliegender Uveitis ist Ciclosporin A eine wirksame Therapiemaßnahme (5–6 mg/kg KG/Tag p.o. in 2 ED über 3 Monate). Auch die Substanz Thalidomid (100–400 mg/Tag) ist beim Morbus Behçet wirksam. Darüber hinaus zeigen neuere Behandlungsansätze mit Interferon-alfa-2a (3 mal pro Woche 3–4 Mio. IE s.c. über 6 Monate) teilweise gute Erfolge.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bei einem Neuro-Behçet ist Ciclosporin A kontraindiziert.
Komplikationen
Zu den Komplikationen des Morbus Behçet gehören unter anderem der Befall der Lunge, bei der eine Ruptur kleinerer und größerer Aneurysmen einen Hämatothorax nach sich zieht. Ein weitere Komplikation ist die bereits oben beschriebene Beteiligung des ZNS (Neuro-Behçet).