Habituelle Aphthen
Synonyme: Schleimhautaphthen, Mundfäule, chronisch rezidivierende Aphthose, Aften
Englisch: RAS - Recurrent Aphthous Stomatitis, canker sores
Definition
Als Habituelle Aphthen bezeichnet man eine äußerst schmerzhafte, nicht-infektiöse, entzündliche Erkrankung der Mundschleimhaut, die häufig rezidiviert.
Epidemiologie
Aphthen sind die in Industrieländern am meisten verbreitete Mundschleimhauterkrankung. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 25 % der Bevölkerung an Aphthen leidet.
Ätiologie
Die genaue Ursache von habituellen Aphthen ist unklar. Als Auslöser kommen unter anderem Traumen (z.B. versehentliches Beißen in die Mundschleimhaut), Lebensmittelunverträglichkeiten (z.B. Nüsse, Zitrusfrüchte), Bestandteile von Zahnpasten (Natriumlaurylsulfat), immunologische Erkrankungen (z.B. Behcet-Syndrom) oder Virusinfektionen in Betracht. Mittels PCR konnten molekularbiologisch in Aphthen Genomfragmente von Viren der Herpesgruppe (z.B. Zytomegalieviren) nachgewiesen werden.
Auch Allergien und Stress werden mit habituellen Aphthen in Verbindung gebracht. Andere Autoren machen einen Eisen-, Folsäure- oder Vitamin B12-Mangel für Aphthen verantwortlich.
Vor dem Hintergrund der vielen verschiedenen Erklärungsmodelle ist es durchaus denkbar, dass habituelle Aphthen nur der gemeinsame Ausdruck ätiologisch sehr unterschiedlicher Störungen der Mundschleimhaut sind.
Symptome
Aphthen befallen typischerweise die beweglichen Partien der Mundschleimhaut, vor allem die Innenseite der Wangen und Lippen, sowie den Mundboden und die Zungenunterseite.
Sie beginnen meist unbemerkt als schmale, ovale rötliche Schwellung, die binnen kurzer Frist ulzeriert. Die Geschwüre grenzen sich scharf gegen die gesunde Mundschleimhaut ab und sind in der Regel von einem schmalen rötlichen Entzündungssaum (Halo) umgeben. Der Grund des Ulkus ist von Fibrinbelägen bedeckt und erscheint weißlich bis gelblich. Die Größe der Aphthen kann von wenigen Millimetern bis zu – in schweren Fällen – mehr als 2 Zentimetern reichen (Major-Form).
Normalerweise kommen Aphthen solitär oder in geringer Anzahl vor. Einzeln stehende Aphthen können konfluieren.
In der Regel heilen Aphthen innerhalb von 1 bis 2 Wochen ohne Narbenbildung ab. Bei schweren Verläufen mit tiefen und ausgedehnten Ulzera kann eine Narbe zurückbleiben. Schwere Verläufe mit Fieber sollten internistisch abgeklärt werden.
Einteilung
Man kann mehrere Formen von habituellen Aphthen unterscheiden:
Minor-Form
Sie ist mit ca. 80 - 90 % der Fälle die häufigste Form und entspricht der oben geschilderten Symptomatik. Es imponieren einzelne, flache Erosionen (< 0,5 cm), die nach einer Dauer von 1 - 2 Wochen narbenfrei abheilen.
Major-Form
Bei der seltenen Major-Form kommt es zu einzelstehenden, großen Erosionen (> 1 cm), die eine wochenlange Persistenz aufweisen und nur sehr langsam, ggf. unter Narbenbildung abheilen.
Herpetifomer Typ
Bei dieser noch selteneren Form kommt es zu multiplen, kleinen Erosionen, verteilt über die ganze Mundhöhle. Der herpetiforme Typ tritt meist erst in höheren Lebensjahren auf.
Differentialdiagnosen
- Morbus Behçet
- Sweet-Syndrom
- Stomatitis aphthosa
- Mundschleimhautläsionen bei entzündlichen Darmerkrankungen (z.B. Zöliakie)
- Mundschleimhautläsionen bei AIDS
- hereditäre periodische Fiebersyndrome
Therapie
Die Therapie von habituelle Aphthen ist in der Regel unbefriedigend, was sich in der Vielzahl der vorgeschlagenen Behandlungsmaßnahmen äußert.
Wenn ein Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten besteht, kommt als prohylaktische Maßnahme die Vermeidung der auslösenden Lebensmittel ("Karenz") infrage. Auch eine Reduzierung des Schleimhautkontakts durch Verwendung von Strohhalmen kann – zumindest bei Säften – Erleichterung bringen.
Lokaltherapie
Antiseptisch bzw. anästhesierend
Die Lokaltherapie ist symptomatisch ausgerichtet und besteht in der Applikation von schmerzlindernden, anästhesierenden und wundheilungsfördernden Gelen, Haftsalben und Mundspülungen (z.B. Adstrigenzien, Chlorhexidin oder Polihexanid). Der durchschnittlich einwöchige Verlauf wird dadurch in der Regel nicht verkürzt.
Rezepturen für die antiseptische bzw. anästhesierende Therapie
- Chlorhexidindigluconat-Mundspüllösung 0,1 % / 0,2 % (NRF 7.2.) ad 250 g
- Chlorhexidindigluconat-Lsg. 20 % 0,2 g, Hydroxyethylcellulose 0,6 g in Aqua purif. ad 20,0 g
- Krister-Lösung
- Mepivacain-HCl 2,0 % in Hypromellose-Haftpaste 40 % (NRF S.42) ad 20,0 g
- Polihexanid-Mundwasser 0,12 % (NRF 7.12.) ad 250 g
- Lidocainhydrochlorid-Lösung 1 % mit Dexpanthenol (NRF 7.13.) ad 250,0 g
- Lidocain-HCl 0,4 %, Benzalkoniumchlorid 0,02 g, Hydroxyethlcellulose 0,06 g in Aqua purif ad 20,0 g
- Mepivacain-HCl 2,0 % in konserviertes Wasser DAC (NRF S.6.) ad 200,0 g
Antiphlogistisch
In ausgeprägteren Fällen werden auch kortikoidhaltige Gele, Pasten (z.B. Volon® A Haftsalbe oder Dontisolon® D Mundheilpaste) oder Spülungen verordnet - gegebenfalls in Kombination mit Tretinoin oder Dexpanthenol.
Rezepturen für die antiphlogistische Therapie
- Betamethasonvalerat-Haftpaste 0,1 % (NRF 7.11.) ad 20,0 g
- Clobetasol 0,01 g, Pyrogene Kieselsäure (z.B. Aerosil®) 0,76 g, Paraffinum subliquidum 10,6 g, Adhäsivpaste (z.B. Stomahesive®) ad 20,0 g
- Triamcinolonacetonid-Haftpaste 0,1 % (NRF 7.10.) ad 20,0 g
- Tretinoin 0,01 g, Betamethasonvalerat 0,02 g, Hydroxyethylcellulose 0,60 g in Aqua purif ad 20,0 g
- Hydrocortisonacetat-Suspension 0,5 % mit Lidocainhydrochlorid und Dexpanthenol (NRF 7.14.) ad 250,0 g
- Betamethasonvalerat 0,1 %, Ethanol 96 % 40,0 g in Konserviertes Wasser DAC (NRF S.6.) ad 200,0 g
Als Off-Label-Use ist eine Therapie mit einem diclofenachaltigen Gel (z.B. Solaraze® 3 % Gel) möglich. Außerdem kann eine Therapie mit benzydaminhaltigen Sprays, Lösungen oder Lutschtabletten (z.B. Tantum Verde®) hilfreich sein.
Antibiotisch
Die Therapie mit einer tetracyclin- oder chlortetracyclinhaltigen Mundspülung bzw. Paste kann die Erkrankungsdauer ebenfalls verkürzen. Hierfür kommen folgende Rezepturen zum Einsatz:
- Tetracyclin-HCl 5,0 g, Methyl-4-hydroxybenzoat 0,1 g, Natriumcitrat 6,5 g, Propylenglycol 0,6 g, Sorbitol-Lösung 70% 65,5 g, Traganth 0,5 g in Aqua purif. ad 118,2 g; S: Bis 5 x tgl. mit 5 - 10 ml unverdünnter Lösung den Mund spülen. Vor Gebrauch schütteln.
- Chlortetracyclin-HCl 3,0% in Hypromellose-Haftpaste 40% (NRF S.42) ad 20,0 g; S: 3 x tgl. auf die Aphthen applizieren
Systemische Therapie
Bei schweren Verläufen, bei denen eine Lokaltherapie keine Besserung bringt, kann eine systemische Therapie mit folgenden Wirkstoffen versucht werden:
- Colchicin, S: 0,5-2 mg/Tag p.o., über 6 Wochen und länger.
- Pentoxifyllin, S: 2 x 600 mg/Tag p.o., auf Dauer.
- Dapson, S: 50 mg/Tag p.o., auf Dauer bzw. über Monate.
- Doxycyclin, S: 50 - 100 mg/Tag p.o., für 3 - 6 Monate oder länger.
- Thalidomid, S: 100 - 300 mg/Tag p.o., über Monate.
Merke: Eine Therapie mit Thalidomid darf bei Frauen nur unter einer strengen Antikonzeption erfolgen.
Eine bisher wenig bekannte Behandlung besteht in der systemischen Einnahme von Folsäure in der Dosierung von 5 mg tgl. für eine Woche. Frühzeitig bei Beginn der Aphthe eingenommen, kann der Verlauf verkürzt werden. Bei regelmäßiger Einnahme von Folsäure (z.B. 2,5 mg tgl.) soll auch die Rezidivhäufigkeit sinken. Bei starken Schmerzen können auch Analgetika (z.B. Ibuprofen 400 mg, S: 4 x 1/Tag p.o., oder Paracetamol 500 mg, S: 4 x 1/Tag) eingesetzt werden.
Weitere therapeutische Maßnahmen
Darüber hinaus werden neben unzähligen Hausmitteln unter anderem Glycyrrhizin, Orangenöl oder Myrrhentinktur angewendet. Wissenschaftler der Universitätszahnklinik Göteborg haben eine Zahncreme entwickelt, welche in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie die Anzahl der Tage mit Aphthen vermindern konnte.[1] Folgende Rezepturen können ebenfalls zur Anwendung kommen:
- Tormentill-Myrrhe-Adstringens (NRF 7.1.) ad 20,0 g
- Ratanhia-Myrrhe-Adstringens (NRF 7.1.) ad 20,0 g
- Tinct. Ratanhiae 10,0, Tinct. Chamomillae 20,0 in Tinct. Salviae ad 50,0 g
Podcast
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Michael Constantin P. / Unsplash
Quellen
- ↑ Coli et al.:The effect of a dentifrice in the prevention of recurrent aphthous stomatitis. Oral Health Prev Dent. 2004;2(2):133-41.
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