Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter
Synonym: Pädiatrische Vorsorgeuntersuchungen
Definition
Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter sind in regelmäßigen, festgelegten Zeitabständen durchgeführte ärztliche Vorsorgeuntersuchungen von Kindern, die der Früherkennung und Vorbeugung (Prävention) von Erkrankungen und Entwicklungsanomalien dienen sollen.
Bedeutung
Die Vorsorgeuntersuchungen sind ein sehr wichtiges Aufgabenfeld der Pädiatrie. Sie tragen wesentlich dazu bei, die Morbidität und Sterblichkeit bei Kindern zu senken.
Untersuchungen im Überblick
- U1 - unmittelbar nach Geburt
- U2 - 3. - 10. Lebenstag
- U3 - 4. - 6. Lebenswoche
- U4 - 3. - 4. Lebensmonat
- U5 - 6. - 7. Lebensmonat
- U6 - 10. - 12. Lebensmonat
- U7 - 21. - 24. Lebensmonat
- U7a - 34. - 36 Lebensmonat
- U8 - 46. - 48. Lebensmonat
- U9 - 60. - 64. Lebensmonat
- U10 - 7. - 8. Lebensjahr
- U11 - 9. - 10. Lebensjahr
- J1 - 12. - 14. Lebensjahr
- J2 - 16. - 17. Lebensjahr
Zeiträume nach Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Regelung
Die U1 bis U9 sowie die J1 sind Bestandteil des Leistungskataloges jeder gesetzlichen Krankenkasse. Die U10, U11 und J2 werden darüber hinaus von einzelnen Krankenkassen als freiwillige Leistung übernommen.
Die Vorsorgeuntersuchungen sind in den meisten Bundesländern nicht gesetzlich verpflichtend. Falls die Vorsorgetermine jedoch nicht wahrgenommen werden, bekommen die Eltern in der Regel eine schriftliche Aufforderung zugesendet und es besteht die Möglichkeit, dass das Jugend- bzw. Gesundheitsamt eingeschaltet wird. In Bayern, Hessen und Baden-Württemberg ist seit 2009 die Durchführung der U1 bis U9 verpflichtend.
Allgemeines Vorgehen
Oberstes Ziel der Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter ist die rechtzeitige Erkennung von Erkrankungen, welche die körperliche und mentale Entwicklung des Kindes beeinträchtigen könnten.
Eine Anamnese und körperliche Untersuchung sind Bestandteil jeder Vorsorgeuntersuchung. Hierbei werden verschiedene Aspekte erfragt sowie das Vorliegen von unterschiedlichen klinischen Merkmalen überprüft. Neben dem allgemeinen Vorgehen existieren spezifische Schwerpunkte sowie Inhalte für die einzelnen Vorsorgeuntersuchungen.
Die U1, die unmittelbar postnatal durchgeführt wird, besitzt eine Sonderrolle innerhalb der Vorsorgeuntersuchungen und weicht in ihrem Inhalt von dem allgemeinen Vorgehen der U2 bis J2 ab.
Allgemeine Anamnese
- Erfragen, ob Auffälligkeiten seit der letzten Vorsorgeuntersuchung, wie schwere Erkrankungen, häufige Infekte oder Krampfanfälle aufgetreten sind oder Operationen durchgeführt wurden
- Erfragen, ob Probleme beim Trinken bzw. Füttern oder Schluckstörungen bestehen und wie die Stuhlfarbe bzw. -konsistenz ist
- Durchführung einer Sozialanamnese: Betreuungssituation, vorliegende Belastungen in der Familie
- Durchführung einer Familienanamnese: Erkrankungen in der Familie
- Überprüfung, ob alle vorgehenden Untersuchungen durchgeführt wurden
Körperliche Untersuchung
- Überprüfung von kontrollbedürftigen Befunden aus den vorherigen Vorsorgeuntersuchungen
- Körpermaße:
- Bestimmung von Körpergewicht, Körpergröße und Kopfumfang (bis zur U7)
- Haut:
- Überprüfung, ob Hautveränderungen wie beispielsweise ein Ikterus, eine auffällige Blässe oder Naevi bzw. Verletzungen (z.B. Hämatome, Verbrennungen) vorliegen
- Thorax, Lunge, Atemwege:
- Auskultation der Lunge
- Überprüfung von Atemgeräuschen
- Bestimmung der Atemfrequenz
- Beurteilung der Thoraxform
- Überprüfung, ob Einziehungen bestehen
- Palpation der Clavicula
- Herz und Kreislauf:
- Auskultation des Herzens
- Palpation der Femoralispulse
- Abdomen und Genitale:
- Bewegungsapparat:
- Inspektion des gesamten Körpers sowohl in Rücken-, als auch in Bauchlage und im Sitzen
- Beurteilung des Muskeltonus und der Spontanmotorik
- Kontrolle, ob eine Schiefhaltung oder ein Opisthotonus vorliegen
- Passive Beweglichkeit der Gelenke testen
- Überprüfung der Neugeborenenreflexe bzw. später der Muskeleigenreflexe
- Überprüfung klinischer Frakturzeichen
- Kopf:
- Beurteilung der Schädelnähte und des Tonus der Fontanelle (bis U6)
- Überprüfung, ob eine Fehlhaltung des Kopfes bzw. Dysmorphiezeichen vorliegen
- Kiefer, Nase, Mundhöhle:
- Beurteilung der Mundschleimhaut und der Größe der Zunge
- Überprüfen, ob Anomalien des Kiefers bzw. Gaumens bestehen
- Vorliegen von Verletzungen des Mundes oder der Nase überprüfen
- Überprüfung, ob eine behinderte Nasenatmung vorliegt
- Ohren:
- Augen:
- Inspektion der Augen (z.B. Nystagmus)
Körpergröße, Körpergewicht und Kopfumfang werden in Somatogramme eingetragen. Somit kann ein Vergleich mit statistischen Normalwerten (Perzentile) vorgenommen werden. Dadurch lässt sich unkompliziert und schnell eine vermutete Entwicklungsanomalie veranschaulichen. Ab dem 2. Lebensjahr kann relativ zuverlässig die voraussichtliche Körpergröße vorhergesagt werden.
Beurteilung der Entwicklung
Es werden verschiedene Bereiche der Entwicklung in den jeweiligen Vorsorgeuntersuchungen überprüft:
- Motorische Entwicklung (Grob- und Feinmotorik)
- Soziale/ emotionale Entwicklung
- Sprachliche Entwicklung
- Kognition
Zudem wird innerhalb des ersten Lebensjahres die Eltern-Kind-Interaktion beurteilt.
Beratungsgespräch
Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen sollte ein Beratungsgespräch der Eltern zu verschiedenen Themen erfolgen:
- Verhütung von Unfällen
- Stillen, Ernährung, Verdauung und Mundgesundheit
- Karies- und Rachitisprophylaxe
- UV-Schutz
- Aufklärung bzgl. Impfungen, überprüfen des Impfstatus und vereinbaren von Impfterminen
- Vermeidung von Schlafstörungen
- Förderung der Sprachentwicklung (Förderung der Muttersprache und deutscher Sprache)
- Sucht
- Informationen zu Unterstützungsangeboten
Festgestellte Erkrankungen sollten behutsam und nicht zu voreilig an die Eltern herangetragen werden.
Kinderuntersuchungsheft
Wird ein die Entwicklung des Kindes gefährdender Befund erhoben, ist dieser in das Kinderuntersuchungsheft (U-Heft) mit der entsprechenden Ziffer einzutragen und abzuklären. Das U-Heft sollte deshalb bei jeder Vorsorgeuntersuchung vorliegen. Das Kinderuntersuchungsheft wird in der Regel vom untersuchenden Kinderarzt geführt, der relevante Befunde darin dokumentiert.
Quellen
- Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern, abgerufen am 03.03.2022
- Bundesministerium für Gesundheit - Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche, abgerufen am 03.02.2022