Koronararterie
von lateinisch: corona - Kranz, Krone
Synonyme: Arteria coronaria, Koronarie, Herzkranzgefäß, Koronargefäß
Englisch: coronary artery
Definition
Die Koronararterien sind die beiden Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen - einschließlich der von diesen Gefäßen abgehenden Äste.
Anatomie
Die arterielle Blutversorgung des Herzens erfolgt durch die beiden Koronararterien Arteria coronaria sinistra (LCA) und Arteria coronaria dextra (RCA) sowie ihre zahlreichen Äste (Rami).
Die beiden Koronararterien entspringen aus der Pars ascendens der Aorta, aus dem rechten und linken Sinus aortae.
Äste im Überblick
- Arteria coronaria sinistra (LCA, LMCA, ACS)
- Ramus circumflexus (RCX, LCx)
- Rami atrioventriculares
- Ramus marginalis sinister (Ramus marginalis)
- Ramus atrialis sinister (intermedius)
- Ramus atrialis anastomoticus (Kugel-Arterie)
- Ramus posterior ventriculi sinistri (Ramus posterolateralis sinister)
- Ramus interventricularis anterior (RIVA, LAD)
- Ramus coni arteriosi
- Ramus lateralis (Ramus diagonalis, Ramus anterolateralis)
- Rami interventriculares septales (Rami septales anteriores)
- Ramus circumflexus (RCX, LCx)
- Arteria coronaria dextra (RCA, ACD)
- Rami coni arteriosi
- Ramus nodi sinuatrialis
- Rami atrioventriculares
- Rami atriales
- Ramus marginalis dexter
- Ramus posterolateralis dexter (RPLD, RPLB)
- Ramus nodi atrioventricularis
- Ramus interventricularis posterior (Ramus descendens posterior, RIVP, RPD, R-PDA)
- Rami interventriculares septales (Rami septales posteriores)
Die o.a. Gliederung stellt nur eine mögliche Aufteilung der Herzkranzgefäße dar, da die individuelle Anatomie je nach Versorgungstyp sehr häufig Variationen aufweist.
Arteria coronaria sinistra
Abkürzungen: LCA, LMCA, ACS
Die linke Koronararterie entspringt aus dem linken Sinus aortae, direkt hinter dem Ansatz der Aortenklappe (Valvula semilunaris sinistra). In ungefähr 75 % der Fälle ist sie stärker ausgeprägt als die rechte Koronararterie. Sie verläuft ein kurzes Stück zwischen dem Conus arteriosus und dem linken Herzohr, um sich dann in zwei Hauptäste, RIVA und RCX, aufzuteilen.
Bei dem sogenannten Bland-White-Garland-Syndrom entspringt die LCA nicht im Sinus aortae sinister, sondern aus der linken Pulmonalarterie.
Ramus interventricularis anterior
Der Ramus interventricularis anterior (RIVA, LAD) verläuft im Sulcus interventricularis anterior nach kaudal, zieht um die Herzspitze (Incisura apicis cordis) herum und anastomosiert im Sulcus interventricularis posterior mit dem Ramus interventricularis posterior der rechten Herzkranzarterie. Er gibt folgende Äste ab:
- Ramus coni arteriosi (RCO): zum Conus arteriosus
- Ramus lateralis (Ramus anterolateralis, Ramus diagonalis, RD): zur Vorderwand des linken Ventrikels (viele anatomische Variationen)
- Rami interventriculares septales (Rami septales anteriores, RSA): ziehen nach vorne in das Septum interventriculare und versorgen dieses über anteriore superiore, anteriore inferiore und apikale septale Äste. Des Weiteren wird ein mittlerer Hauptastbereich unterschieden, von dem eine Arterie über das Moderatorband bis in den vorderen Papillarmuskel der rechten Herzkammer gelangt und diesen versorgt
Ramus circumflexus
Der Ramus circumflexus (RCX, LCx) folgt der linken Seite des Sulcus coronarius nach dorsal bis zur Facies diaphragmatica. Seine Äste sind:
- Ramus nodi sinuatrialis: verläuft auf der Vorderseite des linken Vorhofs zum rechten Vorhof und Sinusknoten
- nur in einem Drittel der Fälle voll ausgebildet
- kann auch aus dem Hauptast der Arteria coronaria sinistra abzweigen
- liegt in zwei Drittel der Fälle als Ramus atrialis (anterior) vor, der die Vorderseite des linken Vorhofs versorgt und mit dem Ramus nodi sinuatrialis der rechten Koronararterie anastomosiert
- Rami atrioventriculares: zweigen sich auf in Rami atriales und Rami ventriculares sinistri
- Ramus marginalis sinister: verläuft am Margo obtusus des linken Ventrikels abwärts
- Ramus atrialis intermedius (Ramus atrialis sinister): zur Rückseite des linken Vorhofs
- Ramus atrialis anastomoticus (Kugel-Arterie): kleiner Ast, der mit Ästen der RCA auf Vorhofebene anastomosiert, kann in manchen Fällen auch den AV-Knoten versorgen
- Ramus posterior ventriculi sinistri (Ramus posterolateralis sinister): versorgt Facies diaphragmatica des linken Ventrikels
Versorgungsgebiet
Zum Versorgungsgebiet der linken Koronararterie gehören:
- Vorderwand des linken Ventrikels (RIVA, Ramus lateralis)
- teilweise die Vorderwand des rechten Ventrikels (Ramus coni arteriosi, RIVA)
- vordere zwei Drittel des Kammerseptums (Rami interventriculares septales)
- linker Vorhof (Rami atriales)
- linker Ventrikel: Seitenwand (Ramus marginalis sinister), Hinterwand (Ramus posterior ventriculi sinistri), mit Ausnahme der Umgebung des Sulcus interventricularis posterior.
Arteria coronaria dextra
Abkürzungen: RCA, ACD
Die rechte Koronararterie entspringt aus dem aufsteigenden Ast der Aorta, genauer gesagt aus dem Sinus aortae dexter, direkt hinter der Aortenklappe. Sie läuft zwischen dem Conus arteriosus und dem rechten Herzohr zum rechten Abschnitt des Sulcus coronarius. Diesem folgt sie und gelangt im weiteren Verlauf auf die Facies diaphragmatica der dorsalen Herzfläche. Dort gibt sie an der Crux cordis (CC) ihren Endast, den Ramus interventricularis posterior (RIVP, RPD, R-PDA) ab, der im Sulcus interventricularis posterior in Richtung Herzspitze zieht und mit dem RIVA der LCA anastomosiert.
Rami
Die RCA gibt folgende Äste ab:
- Ramus coni arteriosi: versorgt den Conus arteriosus und Teile der Vorderwand des rechten Ventrikels
- Ramus nodi sinuatrialis: verläuft auf der Anteromedialseite des rechten Vorhofs und gelangt meist über den Sulcus terminalis zum Sinusknoten
- Rami atrioventriculares: atriale und ventrikuläre Äste; versorgen anteriore Abschnitte von Vorhof und Ventrikel
- Rami atriales: versorgen laterale Abschnitte des rechten Vorhofs
- Ramus marginalis dexter: verläuft entlang der Margo acutus des rechten Ventrikels
- Ramus posterolateralis dexter: verläuft parallel zum Ramus marginalis dexter auf der Rückseite des rechten Ventrikels
- Ramus nodi atrioventricularis: wird kurz vor Abgang des Ramus interventricularis posterior abgegeben, verläuft im epikardialen Fettgewebe unter der Basis des Vorhofseptums nach vorne zum AV-Knoten
- Ramus interventricularis posterior: Endast der RCA, anastomosiert mit der RIVA der LCA
- Rami interventriculares septales (Rami septales posteriores): versorgen das Ventrikelseptum incl. His-Bündel und Abschnitte des ventrikulären Erregungsleitungssystems
- anteriore superiore septale Äste: verlaufen direkt am Abgang der RCA in das obere Septum
- posteriore superiore und inferiore septale Äste: zweigen vom Ramus interventricularis posterior ab
Versorgungsgebiet
Zum Versorgungsgebiet der rechten Koronararterie zählen folgende Strukturen:
- Sinusknoten (Ramus nodi sinuatralis)
- AV-Knoten (Ramus nodi atrioventricularis)
- rechter Vorhof (Rami atriales)
- Teile der Hinterwand des linken Ventrikels (Ramus posterolateralis dexter)
- rechter Ventrikel: Vorderwand (Rami coni arteriosi, Ramus marginalis dexter), Seitenwand (Ramus marginalis dexter), Hinterwand (Ramus interventricularis posterior)
- Kammerseptum (Rami interventriculares septales): kleinerer hinterer Teil, in dem meist das Erregungsleitungssystems (z.B. His-Bündel) lokalisiert ist
Abkürzungen
Im klinischen Kontext werden nur selten die vollen lateinischen Namen, sondern meist Abkürzungen verwendet. Dabei sind englische oder lateinische Kürzel gebräuchlich.
Englisch - kurz | Lateinisch - kurz | Langbezeichnungen |
---|---|---|
RCA | ACD | right coronary artery Arteria coronaria dextra |
LCA, LMCA | ACS | left coronary artery left main coronary artery Arteria coronaria sinistra |
LAD | RIVA | left anterior descending coronary artery Ramus interventricularis anterior |
LCx | RCX | left circumflex coronary artery Ramus circumflexus |
RPD, R-PDA | RIVP | right posterior descending coronary artery Ramus interventricularis posterior |
RPLA | RPLD | right posterolateral artery Ramus posterolateralis dexter |
Versorgungstypen
Die genauen Versorgungsgebiete der verschiedenen Koronararterien und ihrer jeweiligen Äste unterliegen zum Teil deutlichen Variationen. So kann der Ramus interventricularis posterior in 20 % der Fälle aus der LCA, in 10 % aus beiden Koronararterien (kodominanter Versorgungstyp) hervorgehen.
In ungefähr 55 % der Fälle liegt ein Intermediärtyp (Normalversorgungstyp) vor: Die Herzhinterwand wird dabei etwa zu gleichen Teilen aus der rechten und linken Koronararterie versorgt.
In 15 bis 20 % der Fälle ist die LCA noch stärker ausgebildet (Linksversorgungstyp): Der Ramus circumflexus endet dann als Ramus interventricularis posterior auf der Hinterwand und versorgt neben den hinteren Anteilen des Septum interventriculare auch Teile der rechten Herzkammer.
Beim Rechtsversorgungstyp (15 bis 25 % der Fälle) ist die rechte Koronararterie und insbesondere der Ramus posterolateralis dexter stärker ausgebildet. Letzterer versorgt dann den größten Teil der Herzhinterwand und das Kammerseptum.
Anatomische Varianten
Trifurkation
Manchmal entsteht eine zusätzliche Arterie an der Bifurkation der linken Hauptarterie, zwischen LAD und LCx, sodass eine Trifurkation entsteht. Dieser zusätzliche Ast wird Ramus intermedius genannt. Er läuft über die freie Wand der linken Kammer bis zur Herzspitze und tritt bei etwa 20% der Bevölkerung auf.
Single Coronary Artery
Eine einzelne Koronararterie (SCA) ist eine seltene angeborene Anomalie. Die Lipton-Klassifikation teilt die verschiedenen Subtypen dieser Anomalie in drei Gruppen ein:[1][2]
Gruppe | Verlauf | Bezeichnung |
---|---|---|
I | Folgt entweder dem Weg einer normalen rechten (R) oder linken (L) Koronararterie | RI / LI |
IIA | Anterior des Truncus pulmonalis | RIIA / LIIA |
IIB | Zwischen der Aorta und dem Truncus pulmonalis | RIIB / LIIB |
IIP | Posterior der Aorta | RIIP / LIIP |
IIS | Septaler Verlauf | RIIS / LIIS |
III | Fehlende linke Koronararterie, LAD und RCx entspringen aus dem Hauptstamm, vom rechten Sinus aortae ausgehend | RIII |
Physiologie
Da das Herz aufgrund seiner hohen Leistung auf eine kontinuierliche Sauerstoffversorgung angewiesen ist, ist die Funktionsfähigkeit der Koronararterien entscheidend für die Funktion des Herzmuskels. Sie bilden deshalb untereinander zahlreiche Anastomosen. Diese reichen jedoch nicht aus, um einen vollständigen Kollateralkreislauf zu bilden (funktionelle Endarterien). Bei Verschluss eines Astes kommt es zu einer Ischämie des Versorgungsgebiets mit anschließender Nekrose des Herzmuskelgewebes. Bei gesteigerter Herzarbeit vermitteln überwiegend Metabolite (z.B. CO) des Endothels eine Vasodilatation der Koronargefäße.
Klinik
Erkrankungen
Die wichtigste Erkrankung der Koronararterien ist die Arteriosklerose. Sie führt zu Koronarstenosen bzw. zu einem allmählichen Verschluss der Koronararterien - ein Krankheitsbild, das man als koronare Herzkrankheit (KHK) bezeichnet. Klinisch macht es sich als Angina pectoris, Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz bemerkbar. Man unterscheidet nach der Anzahl der betroffenen Koronargefäße:
Neben der häufigen arteriosklerotischen Obstruktion der Koronararterien kann es selten auch zu einer Dissektion der Gefäße kommen. In diesem Fall spricht man von einer spontanen Koronararteriendissektion (SCAD).
Untersuchungsmethoden
Der Zustand der Koronararterien wird meist direkt durch die Bildgebung überprüft. Das genaue Ausmaß der Verengung der Koronararterien lässt sich röntgenologisch mit Hilfe der Koronarangiographie im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung erheben. Indirekte Hinweise auf die Koronardurchblutung liefern Untersuchungsverfahren wie EKG oder Echokardiographie. Weitere Diagnoseverfahren sind:
Podcast
Literatur
- Köllner, V. / Berg, G.: Verhaltensmedizin in der Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen. In:Herzmedizin 26 (2009). H.2, S.69-75.
- Herrmann-Lingen, C.: Depression und koronare Herzkrankheit. In: Herzmedizin 26 (2009). H.2, S.76-81.
- Benninghoff, Drenckhahn: Anatomie Band 2, 16. Auflage 2004, Elsevier: Urban & Fischer
Quellen
- ↑ Lipton et al., Isolated Single Coronary Artery: Diagnosis, Angiographic Classification, and Clinical Significance. Radiology, 1979.
- ↑ Katekaru-Tokeshi et al., Applicability of the Leiden Convention and the Lipton Classification in Patients with a Single Coronary Artery in the Setting of Congenital Heart Disease. Journal of Cardiovascular Development and Disease, 2021.
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Jeff W / Unplash