Bland-White-Garland-Syndrom
nach den US-amerikanischen Kardiologen Edward Franklin Bland (1901-1992), Joseph Garland (1893-1973) und Paul Dudley White (1886-1973)
Synonyme: Anomalous Left Coronary Artery From the Pulmonary Artery, ALCAPA
Englisch: anomalous left coronary artery from the pulmonary artery, Bland-White-Garland syndrome
Definition
Das Bland-White-Garland-Syndrom, auch ALCAPA genannt, ist eine angeborene Anomalie der Koronararterien. Die linke Koronararterie entspringt dabei aus der Pulmonalarterie. Die betroffenen Patienten entwickeln schon in jungen Jahren eine Myokardischämie. Die einzige Therapie ist eine chirurgische Korrektur.
Epidemiologie
Das Bland-White-Garland-Syndrom ist ein sehr seltener Defekt und macht nur ca. 0,5 % aller angeborenen Herzfehler aus. Die Inzidenz beträgt ca. 1:25.000 Lebendgeburten.
Nur in ungefähr 5 % der Fälle finden sich weitere asssoziierte Herzfehler, z.B. ein Vorhofseptumdefekt (ASD), ein Ventrikelseptumdefekt (VSD) oder ein persistierender Ductus arteriosus (PDA).
Ätiopathogenese
Das Bland-White-Garland-Sydrom ist eine kongenitale Erkrankung, wobei die genaue Ursache derzeit (2022) unklar ist. Mögliche pathogenetische Mechanismen sind:
- gestörte Septierung des Bulbus cordis
- gestörte Involution der Endothelknospen am Sinus Valsalvae
- persistierende Endothelknospe am pulmonalen Sinus mit Anschluss an die sich entwickelnde linke Koronararterie
Pathophysiologie
Während der Fetal- und Neonatalperiode ermöglicht der physiologisch erhöhte pulmonalvaskuläre Druck bei offenem Ductus arteriosus die Aufrechterhaltung eines antegraden Blutflusses in der linken Koronararterie. Im Verlauf nehmen Druck, Gefäßwiderstand und Sauerstoffgehalt der Pulmonalarterie ab. Dadurch erhält der linke Ventrikel Blut mit niedrigem Sauerstoffgehalt und niedrigem Druck, was zu einer Myokardischämie führt. Die inadäquate Sauerstoffversorgung führt im Verlauf zu einem Infarkt der anterolateralen Wand des linken Ventrikels und häufig zu einer Mitralklappeninsuffizienz.
Bei 10 bis 15 % der Patienten bilden sich jedoch Kollateralkreisläufe zwischen dem Versorgungsgebiet der rechten und der linken Koronararterie. In diesem Fall können die Patienten das Erwachsenenalter erreichen. Typische Manifestation im Erwachsenenalter sind Herzrhythmusstörungen aufgrund einer Myokardischämie.
Des Weiteren führt der verminderte pulmonale Gefäßwiderstand zu einem koronaren Steal-Phänomen, das heißt einer Flussumkehr von der linken Koronararterie in den Truncus pulmonalis (Links-Rechts-Shunt). Die linksventrikuläre Dysfunktion und die Mitralinsuffizienz führen letztlich zur Herzinsuffizienz.
Klinik
Das Bland-White-Garland-Syndrom geht in der Regel mit unspezifischen Symptomen einher. Dazu zählen:
- erhöhte Infektanfälligkeit
- Zyanose
- Herzinsuffizienz: Dyspnoe, vermehrtes Schwitzen, verminderte Leistungsfähigkeit
- Durchblutungsstörungen (Myokardischämien, Myokardinfarkte)
- ventrikuläre Herzrhythmusstörungen
Je nach Zeitpunkt der Erstmanifestation unterscheidet man zwischen:
- infantilem Typ (90 %): Erstmanifestation meist im Alter von 1 bis 2 Monaten. Im Verlauf treten bei den Säuglingen Herzinfarkte und eine Herzinsuffizienz auf, wobei 90 % der Betroffenen innerhalb des 1. Lebensjahres sterben.
- adultem Typ (10 %): Manifestation bei Erwachsenen in Form von Myokardischämien und Herzrhythmusstörungen. Kann zu einem plötzlichen Herztod führen.
Diagnose
Im EKG zeigen sich die typische Veränderungen einer linksventrikulären Myokardischämie. Charakteristisch ist eine tiefe, schmale Q-Zacke in den lateralen Ableitungen I, aVL, V5 und V6. Weiterhin können beispielsweise ST-Senkungen und eine T-Inversion auffallen.
Im Röntgen-Thorax imponiert eine Kardiomegalie mit Zeichen einer pulmonalvenösen Stauung. Eine echokardiographische Untersuchung deckt die fehlerhaften anatomischen Verhältnisse auf. Weiterhin zeigen sich eine eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion und eine Mitralklappeninsuffizienz.
Die Kardio-CT ist die Bildgebung der Wahl. Alternativ kommt eine Kardio-MRT in Frage. Als invasive Diagnostik wird in unklaren Fällen eine Herzkatheteruntersuchung eingesetzt.
Kardio-CT
Sie ermöglicht die direkte Darstellung des anomalen Ursprungs der linken Koronararterie aus dem posterioren Teil der Pulmonalarterie. Die rechte Koronararterie ist häufig dilatiert und gewunden und weist große Kollateralen auf.
Differenzialdiagnosen
- Koronarfistel: Abnormale Verbindung zwischen regelrecht abgehenden Koronararterien und Herzhöhlen oder Pulmonalarterie ohne zwischengeschaltetes Kapillarbett
- weitere Koronaranomalien: z.B. ARCAPA (anomalous right coronary artery from the pumonary artery)
Therapie
Die einzige kausale Therapieoption ist die chirurgische Korrektur. Hierzu wird unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine zunächst die fehlabgehende Koronararterie aus der Lungenarterie herausgetrennt, wobei letztere wieder unter Verwendung von autologem Perikardgewebe verschlossen wird. Anschließend erfolgt der Einsatz der Koronararterie in die Aorta ascendens. Eine eventuell begleitende Mitralklappeninsuffizienz wird in einigen Fällen ebenfalls korrigiert werden.
Weiterhin kommt die Takeuchi-Operation zum Einsatz. Dabei wird ein intrapulmonales Conduit zwischen Koronarostium in der Pulmonalarterie und der Aorta unter Verwendung einer Umlenkplatte ("Baffle") geschaffen.[1]
Bei Erwachsenen mit Bland-White-Garland-Syndrom wird eine Ligatur des Ursprungs der linken Koronararterie und anschließend eine Bypass-Operation durchgeführt.
Verbessert sich die linksventrikuläre Funktion nach dem chirurgischen Eingriffen nicht, ist eine Herztransplantation indiziert.
Literatur
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Quellen
- ↑ Takeuchi S et al. New surgical method for repair of anomalous left coronary artery from pulmonary artery, J Thorac Cardiovasc Surg. 1979;78(1):7-11
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