Anatomie
von griechisch: ἀνατέμνειν ("anatemnein") - trennen, zerschneiden
Englisch: anatomy
Definition
Die Anatomie ist die beschreibende Lehre vom Aufbau bzw. der Gestalt (Morphologie) des menschlichen Körpers und seiner Gewebe (Histologie), sowie deren Entwicklung (Embryologie).
Sie basiert auf der analysierenden Präparation bzw. Sektion von Leichen (lateinisch: secare - schneiden) aus wissenschaftlichen Gründen.
Abgrenzung
Dieser Artikel behandelt die menschliche Anatomie. Der Begriff Anatomie findet auch in anderen Bereichen, wie z.B. in der Zoologie und Botanik Vewendung.
Teilgebiete
Die Anatomie kann weiter in Teilgebiete untergliedert werden, die sich genauer mit verschiedenen Aspekten des menschlichen Körpers beschäftigen, z.B.
- Makroskopische Anatomie: Grobstruktur des Körpers
- Mikroskopische Anatomie: Feinstruktur der Gewebe (Histologie)
- Embryologie: Entwicklung des Embryos
- Neuroanatomie: Aufbau des Nervensystems
- Zellanatomie: Aufbau der Zelle und Zellorganellen
Die pathologische Anatomie und die Histopathologie sind Teilbereiche der Pathologie, die sich stark mit der Anatomie überschneiden.
Methodiken
Die Erforschung, Beschreibung und Vermittlung der menschlichen Anatomie erfolgt mit Hilfe verschiedener Methoden bzw. Herangehensweisen. Dazu zählen:
- Deskriptive Anatomie
- Systematische Anatomie
- Topografische Anatomie
- Klinisch-topografische Anatomie
- Funktionelle Anatomie
- Experimentelle Anatomie
- Vergleichende Anatomie
- Radiologische Anatomie
- Digitale Anatomie
Das beste Verständnis der Anatomie lässt sich in der Regel durch eine Kombination mehrerer Methoden erzielen.
Geschichte
Aus mesopotamischen Keilschriften lässt sich ableiten, dass bereits um 3.500 vor Christus die Sumerer und Babylonier über erste anatomische Grundkenntnisse verfügten. Obwohl einzelne Kulturen - allen voran die Ägypter - im Umgang mit Leichen eine erstaunliche Kunstfertigkeit entwickelten, war die Entwicklung der Anatomie in der Antike dadurch gehemmt, dass der Körper von Toten in vielen Ländern als unantastbar galt.
Im antiken Griechenland wurden systematische Erkenntnisse an Tieren und Totgeborenen gewonnen. Diese Beobachtungen wurden unter anderem von Empedokles, Hippokrates und Aristoteles durchgeführt, waren aber weniger medizinisch als naturwissenschaftlich motiviert.
Die Einführung der Anatomie als medizinisches Wissengebiet kann im wesentlichen auf den Griechen Galenos von Pergamon (129-201) zurückgeführt werden. Galen war in Rom als Leibarzt für den Kaiser Commodus tätig. Er entwickelte eine umfassende Krankheitslehre, die er in seinem Werk "Methodus methendi" niederlegte. Seine anatomischen Beobachtungen bilden die Grundlage für sein Buch "De anatomicis administrationibus". Die Erkenntnisse Galens basierten allerdings überwiegend auf der Sektion von Tieren, so dass sie im Hinblick auf die menschliche Anatomie zahlreiche Fehler enthielten. Das Werk Galens blieb dennoch über viele Jahrhunderte bis in die Renaissance hinein tonangebend.
Als Begründer der modernen Anatomie gilt Andreas Vesalius, kurz "Vesal" (1514-1564), der das 1543 erschienene, siebenbändige Werk "De humani corporis fabrica" verfasste.
Gegenwart
Die Anatomie ist ein eigenständiges wissenschaftliches Teilgebiet der Medizin und im Medizinstudium Teil der vorklinischen Ausbildung. Die zu vermittelnden Inhalte sind in Deutschland im Gegenstandskatalog für den ersten Teil der ärztlichen Prüfung, dem GK1, definiert. Die Wissenvermittlung erfolgt unter anderem durch Vorlesungen und praktische Übungen, in den Leichen seziert werden, den so genannten Präparierkurs ("Präp-Kurs").
In Deutschland gibt es rund 40 universitäre anatomische Institute. Die Leichen, die im Rahmen der studentischen Ausbildung seziert werden, stammen von Körperspendern, die ihre leibliche Hülle durch eine entsprechende Vereinbarung (Körperspendevereinbarung) nach dem Tod für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellen.
Zukunft
Auch wenn sich der Aufbau des menschlichen Körpers nicht grundlegend verändert, ist die Anatomie keineswegs eine statische Wissenschaft. Insbesondere der Bereich der Neuroanatomie ist beispielsweise durch die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) von einem dynamischen Wissenzuwachs gekennzeichnet.
Ein weiterer Fokus liegt in der vollständigen Digitalisierung der menschlichen Anatomie, um der klinischen Medizin bei invasiven Eingriffen eine Art "GPS" für den menschlichen Körper zu bieten. Ein relevanter Nutzen der Digitalisierung zeigt sich auch in der Verwendung der gewonnenen Modelle in der Computeranimation und in der Virtual Reality (VR) bzw. Mixed-Reality (MR) – in erster Linie zu Ausbildungszwecken. Ein Beispiel ist die MR-Anwendung Corpus.
Einteilung
Die Anatomie des Menschen lässt sich nach systematischen Aspekten in zusammenhängende Organsysteme oder nach topografischen Aspekten in Regionen untergliedern. In den gängigen Lehrbüchern der Anatomie findet man zahlreiche verschiedene Gliederungsansätze, die im wesentlichen auf diesen beiden Möglichkeiten aufbauen.
...nach Organsystemen
- Herz-Kreislauf-System
- Respiratorisches System
- Nervensystem
- Verdauungsapparat
- Urogenitalsystem
- Endokrines System
- Blut und blutbildende Organe
- Immunsystem
- Lymphatisches System
- Bewegungsapparat
- Sinnesorgane
- Haut und Hautanhangsgebilde
Inhalte, die keinem speziellen Organsystem zugeordnet werden können oder innerhalb eines Organsystems keiner bestimmten Struktur, sind Gegenstand der Allgemeinen Anatomie.
...nach Regionen
Das Lernen der Anatomie in Regionen ist vor allem aus praktisch-klinischer Sicht relevant, da es die topografischen Zusammenhänge berücksichtigt. Man unterscheidet:
...nach IMPP
Im Flexikon ist das Fach Anatomie nach dem Gegenstandskatalog für den ersten Teil der ärztlichen Prüfung (GK1) des IMPP wie folgt gegliedert:
- Allgemeine Embryologie
- Grundlagen der Reproduktion
- Grundlagen der Embryologie
- Befruchtung, Furchung und Implantation beim Menschen
- Plazentation
- Frühentwicklung
- Organogenese und Ausbildung der äußeren Körperform
- Mehrlingsbildung, Mehrfachbildung, Fehlbildung
- Allgemeine Anatomie, Gewebelehre und Histogenese
- Allgemeine Anatomie
- Methoden
- Epithelgewebe
- Allgemeine Anatomie der exokrinen und endokrinen Drüsen
- Binde- und Stützgewebe
- Muskelgewebe
- Allgemeine Anatomie des Bewegungsapparates
- Nervengewebe
- Allgemeine Anatomie des Nervensystems
- Allgemeine Anatomie des Kreislaufsystems
- Blut und Knochenmark
- Allgemeine Anatomie des Immunsystems
- Obere Extremität
- Grundkenntnisse der Entwicklung Knochen
- Gelenke
- Muskeln
- Nerven
- Arterien
- Venen
- Lymphknoten und Lymphgefäße
- Angewandte und topographische Anatomie
- Untere Extremität
- Grundkenntnisse der Entwicklung Knochen
- Gelenke
- Muskeln
- Nerven
- Arterien
- Venen
- Lymphknoten und Lymphgefäße
- Angewandte und topographische Anatomie
- Kopf und Hals
- Leibeswand
- Rücken
- Brustwand
- Bauchwand
- Becken, Beckenwände
- Brusteingeweide
- Entwicklung von Pleurahöhlen, Herz und Lunge
- Atmungsorgane
- Ösophagus
- Thymus
- Herz
- Arterien, Venen und Lymphgefäße des Thorax
- Nerven
- Angewandte und topographische Anatomie
- Bauch- und Beckeneingeweide
- Entwicklung von Darmtrakt, Harn- und Sexualorganen
- Organe des Magen-Darm-Kanals
- Leber, Gallenblase, Pankreas
- Milz
- Endokrine Organe
- Harnorgane
- Weibliche Geschlechtsorgane
- Männliche Geschlechtsorgane
- Arterien
- Venen
- Lymphgefäße und Lymphknoten
- Vegetatives Nervensystem
- Peritoneum
- Angewandte und topographische Anatomie
- Zentralnervensystem
- Entwicklung
- Rückenmark
- Rhombencephalon
- Mesencephalon
- Cerebellum
- Diencephalon
- Telencephalon
- Systeme
- Innere Liquorräume
- Hirn- und Rückenmarkshäute, äußere Liquorräume
- Gefäßversorgung
- Angewandte und topographische Anatomie
- Sehorgan
- Entwicklung
- Orbita
- Bulbus oculi
- Zusätzliche Einrichtungen
- Hör- und Gleichgewichtsorgan
- Haut und Hautanhangsgebilde
- Haut und Unterhaut
- Behaarung
- Nägel
- Hautdrüsen
- Mamma
Die Beschreibung der Muskelanatomie wird bei den meisten Muskeln durch Animationen ergänzt.