Befundung einer kranialen Computertomographie
Synonyme: Befundung einer cranialen Computertomographie
Definition
Die Befundung einer kranialen Computertomographie dient der präzisen Beschreibung und Beurteilung von computertomographischen Schnittbildern des Gehirns, der Hirnhäute und des knöchernen Schädels.
Hintergrund
Die kraniale Computertomographie (cCT) ist ein häufig eingesetztes Verfahren, insbesondere in der Notfallmedizin und der Neurologie. Typische Indikationen sind:
- Schädel-Hirn-Trauma mit V.a. Blutung oder Fraktur
- V.a. intrakranielle Blutung oder Ischämie (z.B. Schlaganfall)
- V.a. intrakranielle Druckerhöhung (Hirnödem, Raumforderung)
- V.a. Knochenveränderungen (z.B. Metastasen)
Ein systematisches Vorgehen ist dabei entscheidend, da sonst Befunde leicht übersehen werden. Weiterhin muss das cCT immer in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik des Patienten beurteilt werden.
Patientendaten, Bildqualität
Anfangs sollten die Patientendaten auf Richtigkeit überprüft werden. Anschließend wird die Qualität der Aufnahmen übersichtsartig kontrolliert:
- Gehirnschädel komplett abgebildet?
- Schichtdicke für infratentoriell geringer als für supratentoriell?
- Fenstereinstellung korrekt?
- Bewegungs- oder Aufhärtungsartefakte? Letztere entstehen an der Innenseite der Schädelkalotte, erschweren die Beurteilung u.a. der mittleren Schädelgrube (Felsenbein) und der hinteren Schädelgrube und werden leicht als Hämatome fehlinterpretiert.
Kopfschwarte, Weichteile
Insbesondere bei Traumapatienten wird die Kopfschwarte auf umschriebene Auftreibungen (Hämatome) oder Lufteinschlüsse (Pneumozephalus bei offenem Schädel-Hirn-Trauma) untersucht. Auch die Weichteile des Gesichtsschädels und die periorbitalen Weichteile werden nach Hämatomen abgesucht.
Schädelknochen
Die knöchernen Schädelstrukturen werden auf Dislokationen hin untersucht. Auch intrakranielle Luft weist auf eine Fraktur hin. Angrenzend an eine Fraktur muss nach einem Hämatom gesucht werden. Vermutete Frakturen dürfen nicht mit den Suturen verwechselt werden. Weiterhin müssen Osteolysen ausgeschlossen werden.
Subdurale und epidurale Hämatome
Zentripetal der Schädelkalotte sind akute Subdural- und Epiduralhämatome als hyperdense Sicheln oder Linsen erkennbar. Epiduralhämatome enden an den Suturen und sind meist zum Schädelinneren hin konvex geformt. Subduralhämatome halten sich nicht an die Grenzen der Suturen und sind zum Schädelinneren meist konkav geformt. Weiterhin kann die intravenöse Kontrastmittelgabe zur Detektion eines Subduralhämatoms hilfreich sein: Nach Kontrastmittelgabe stellt sich das Hirngewebe (v.a. oberflächliche piale Gefäße) hyperdenser da, während das Hämatom keinen Dichteanstieg zeigt. Dadurch wird der Unterschied zwischen Hirnparenchym und Hämatom deutlicher. Das Hasenohrzeichen weist auf ein frontales Subduralhämatom hin (Vorderhorn eines Seitenventrikels zeigt nicht nach vorne, sondern wird durch das Hämatom nach okzipital verdrängt).
Sulci, Liquorräume, Hirnsinus
Der Verlust der normalen Furchung der Hirnoberfläche weist auf einen raumfordernden zerebralen Prozess hin. Bei längerem Bestehen können subdurale Hämatome nahezu isodens zum Hirngewebe sein. Auch Hirninfarkte können in einigen Fällen nur durch fehlende Sulci im entsprechenden Stromgebiet auffallen. Daher muss die Weite aller Sulci beurteilt werden. Erweiterungen einzelner Sulci können Residuen von älteren Infarkten darstellen.
Die Weite der äußeren Liquorräume wird über den verschiedenen Hirnabschnitten untereinander verglichen. Weiterhin werden die äußeren Liquorräume mit dem Ventrikelsystems verglichen: Normal weite äußere Liquorräume bei sehr weitem Ventrikelsystem kommen bei Hirnatrophien und beim Normaldruckhydrozephalus vor.
Bei der Beurteilung des Ventrikelsystems muss auf sog. Druck-/Polkappen geachtet werden - hypodense Areale, die den Vorder- und Hinterhörnern anliegen. Sie stellen transependymale Ödeme dar und weisen auf einen Verschlusshydrozephalus hin. Diese Druckkappen müssen von periventrikulären Hypodensitäten im Sinne einer Leukoaraiose bei zerebraler Mikroangiopathie abgegrenzt werden.
Verkalkungen des Plexus choroideus und der Epiphyse sowie Falxverknöcherungen häufig vor und dürfen nicht mit Blutungen verwechselt werden.
Subarachnoidalblutung
Bei Subarachnoidalblutungen können einzelne Sulci sowie die basalen Zisternen ("Pentagon") hyperdens zum Hirngewebe (Kontrastumkehr) erscheinen. Subarachnoidalblutungen können ebenso wie Parenchymblutungen, die in das Ventrikelsystem einbrechen, zu einer Liquorzirkulationsstörung führen. Die Folge ist ein Hydrozephalus.
Sinusvenenthrombose
Bei der Beurteilung der Hirnsinus muss auf Zeichen einer Sinusvenenthrombose geachtet werden: Im nativen cCT sind venöse Infarkte oder Einblutungen (meist symmetrisch beidseits der Mittellinie angeordnete Hypo- bzw. Hyperdensitäten), das Dense Triangle Sign und das Cord Sign wegweisend. Nach Kontrastmittelgabe zeigen sich gestaute kortikale Venen und eine Kontrastmittelaussparung im Sinus (z.B. Empty Triangle Sign).
Gyri
Hyperdense Gyri können auf eine Hämorrhagie hinweisen, z.B. im Rahmen eines Rindeninfarkts. Gyrale Einblutungen und Kontrastmittelanreicherungen im Bereich des Temporallappens in Nachbarschaft zur Sylvi-Furche finden sich bei Herpes-Enzephalitis. Bei entsprechendem Verdacht ist eine zerebrale Magnetresonanztomographie (cMRT) indiziert.
Marklager
Hyperdense Veränderungen des Marklagers kommen bei Blutungen oder zellreicher Infiltration (z.B. Lymphomen) vor.
Hypodensitäten finden sich bei Marklagerödem, Infarzierungen, Hirntumoren und Leukenzephalopathien.
Intrazerebrale Blutungen
Hypertensive Massenblutungen befinden sich meist auf Höhe der Stammganglien, im Thalamus oder in der Pons und zeigen sich als rundliche oder ovale, z.T. strudelförmige Hyperdensitäten. Sie sind glatt begrenzt und können von einem Ödem umgeben sein. Bei Einbruch in das Ventrikelsystem verteilt sich das Blut in den Hirnventrikeln und/oder im Subarachnoidalraum.
Atypische Blutungen (z.B. hochparietal) finden sich z.B. bei:
- eingebluteten Tumoren (Kontrastmittelanreicherung über die Blutung hinaus)
- Angiomen, zerebralen Kavernomen
- Vaskulopathien, zerebrale Amyloidangiopathie
Marklagerödem
Marklagerödeme begleiten die meisten pathologischen Prozesse im Marklager, insbesondere Hirnmetastasen. Das Ödem ist in der grauen Substanz weniger ausgeprägt als in der weißen Substanz, sodass das Marklagerödem meist fingerförmige Konturen aufweist, die in die Gyri hineingreifen.
Hirninfarkt
Frühzeichen des Hirninfarkts (2-6 Stunden nach Symptombeginn) sind:
- Verlust der Mark-Rinden-Differenzierung
- Unschärfe der Stammganglien und der Insel
- verstrichene Sulci
- frühe Hypodensität
- Hyperdensität von Gefäßabschnitten (z.B. Hyperdenses Mediazeichen)
Ungefähr 12-24 Stunden nach Symptombeginn demarkiert sich zunehmend das Infarktgebiet als Hypodensität. Weiterhin kann sich ein umgebendes Ödem entwickeln. Je nach Verteilungsmuster der Hypodensität unterscheidet man zwischen
- thromboembolischem Territorialinfarkt
- hämodynamischem Endstrom- bzw. Grenzzoneninfarkt
- zerebrale Mikroangiopathie
Nach 10-18 Tagen ist das Infarktgebiet isodens zum übrigen Hirngewebe ("Fogging") und somit nicht sichtbar. In diesen Fällen kann die gyrale Kontrastmittelanreicherung hilfreich sein. Das gyrale Enhancement tritt im Stadium der Luxusperfusion auf (meist zwischen 3. Tag und 3. Woche).
Ab der dritten Woche verbleibt die Hypodensität im Infarktareal (liquorisodense Infarktnarbe).
Je nach Morphologie des Infarkts unterscheidet man:
- (thromboembolischer) Territorialinfarkt
- hämodynamischer Endstrom- bzw. Grenzzoneninfarkt
- lakunärer Infarkt bei zerebraler Mikroangiopathie
Kleine Hirnstamminfarkte können dem Nachweis mittels cCT entgehen. Hilfreich sind dünne Schichten, Kontrastmittelgabe und eine Winkelung bei der Schichtplanung, die Aufhärtungsartefakte durch die Felsenbeine vermindert (Temporallappeneinstellung).
Wird ein proximaler Gefäßverschluss, der einer mechanischen Thrombektomie zugänglich wäre, oder eine Basilaristhrombose vermutet, ist eine CT-Angiographie indiziert. Weiterhin wird in einigen Fällen eine Perfusions-CT durchgeführt.
Hirngefäße
In der cCT werden die abgebildeten Kopf- und Halsgefäße orientierend beurteilt. Zur genauen Diagnostik von Sinusvenenthrombosen, arteriellen Stenosen und Dissektionen sowie zum Nachweis eines Aneurysmas ist eine CT-Angiographie (oder eine MRT) indiziert.
Beispielbefund
Ein beispielhafter Normalbefund einer cranialen CT lautet:
Craniale Computertomographie vom ... von ..., geb. am ... Es liegen keine Voraufnahmen zum Vergleich vor. Mittelständiger Interhemisphärenspalt. Regelrechte Rindenfurchung des Groß- und Kleinhirns. Normal weites, symmetrisches Ventrikelsystem. Regelrechte Ausbildung von Mark und Rinde. Keine Hirndruckzeichen. Regelrechte Darstellung der Stammganglien, Capsula interna, Balken, Thalamus, Hirnstamm und Kleinhirn. Unauffällige Sella und Hypophyse. Regelrechte Anlage und freie Pneumatisation der Nasennebenhöhlen und der Mastoidzellen. Orbitainhalt seitensymmetrisch. Keine pathologischen Veränderungen der Schädelkalotte. |