Hirnstamminfarkt
Englisch: brain stem stroke
Definition
Als Hirnstamminfarkt bezeichnet man einen Schlaganfall (Apoplex) im Bereich des Hirnstamms (Medulla oblongata, Pons, Mittelhirn), der durch Verschluss einer versorgenden Arterie bedingt ist.
Hintergrund
Der Hirnstamm ist dadurch gekennzeichnet, dass sich hier viele Kerngebiete der Hirnnerven und wichtige Steuerungszentren befinden - zum Beispiel für die Atmung, die Okulomotorik und das Bewusstsein. Ein größerer Hirnstamminfarkt ist somit immer potentiell lebensbedrohlich.
Ätiologie
Ein Hirnstamminfarkt entsteht durch einen Gefäßverschluss der versorgenden Arterien, vornehmlich der Arteriae vertebrales und der Arteria basilaris sowie ihrer Äste, der zu einer Ischämie des jeweiligen Versorgungsgebiets führt. Die komplexe Topographie der Gefäßversorgung des Hirnstamms lässt die Klinik eines hier lokalisierten Infarkts sehr variabel werden. Hirnstamminfarkte treten aufgrund der gemeinsamen arteriellen Versorgung von Kleinhirn und Hirnstamm häufig zusammen mit einem Kleinhirninfarkt auf.
Auslöser der Ischämien sind entweder eingeschwemmte Thromben (embolischer Infarkt) oder lokale arteriosklerotische Gefäßveränderungen (lakunärer Infarkt). Embolische Hirnstamminfarkte können kardioembolische (Vorhofflimmern, Endokarditis) oder arterioembolische Ursachen (Makroangiopathie) haben.
Typische Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas, Stress und andere Faktoren, die Angiopathien verursachen.
Symptome
Die neurologische Symptomatik von Hirnstamminfarkten ist außerordentlich vielfältig. Die verschiedenen, von der Lokalisation des Infarkts abhängigen, Symptome werden als Hirnstammsyndrome bzw. Alternans-Syndrome zusammengefasst. Nach den drei großen Abschnitten des Hirnstamms unterscheidet man:
- Mittelhirnsyndrome (z.B. Weber-Syndrom),
- Ponssyndrome (z.B. Millard-Gubler-Syndrom) und
- Medulla-oblongata-Syndrome (z.B. Wallenberg-Syndrom)
Den diagnostischen Hinweis auf einen Hirnstamminfarkt geben Symptome wie Schwindel, Nystagmus, Doppelbilder, Schluckstörungen, Dysarthrie, Störungen der Pupillomotorik und Bewusstseinsstörungen.
Mittelhirnsyndrome
- ipsilaterale Okulomotoriusparese
- vertikale oder horizontale Blickparese
- kontralaterale Hemiataxie
- Trochlearisparese
- Horner-Syndrom
Zusätzlich können eine kontralaterale Hemiparese und kontralaterale Sensibilitätsstörungen auftreten.
Ponssyndrome
- Abduzensparese
- ipsilaterale nukleäre Fazialisparese
- kontralaterale Hemiataxie
- Eineinhalbsyndrom
- horizontale Blickparese
- internukleäre Ophthalmoplegie (INO)
Des Weiteren können Dysarthrie, Nystagmus sowie eine kontralaterale Hemiparese und kontralaterale Sensibilitätsstörungen vorliegen.
Medulla-oblongata-Syndrome
Diagnostik
Neben einer ausführlichen neurologischen Untersuchung, um die o.a. genannten Symptome zu erkennen, werden in erster Linie bildgebende Verfahren wie die cCT und die MRT sowie die MR-Angiografie zur Diagnose eingesetzt. Häufig ist ein alleiniges CT nicht ausreichend, um einen Hirnstamminfarkt sicher zu diagnostizieren. In der Frühphase eines Hirnstamminfarkts kann die diffusionsgewichtete MRT (DWI-Sequenz) zielführend sein.
Mit diesen Verfahren lassen sich Infarktzeichen, wie z.B. ein perifokales Ödem, und Blutungen im Hirnstammgewebe darstellen. Die Bildgebung ist vor allem wichtig, um die Raumforderung des Infarkts einzuschätzen, bzw. eine Hirnstammblutung von einem Infarkt zu differenzieren.
Ergänzend kann der extrakranielle Gefäßstatus durch eine Duplexsonographie dargestellt werden.
Therapie
Patienten mit Hirnstamminfarkt müssen auf einer spezialisierten Stroke Unit überwacht und behandelt werden. In der Akutphase steht zunächst die Sicherung der Vitalfunktionen im Vordergrund - mit engmaschiger Überwachung von Blutdruck, Körpertemperatur und Glukosestoffwechsel.
Das weitere therapeutische Vorgehen ist abhängig von der Lokalisation und Schwere des Hirnstamminfarkts. Mögliche Interventionen sind die pharmakologische Thrombolyse oder eine Embolektomie bzw. Thrombektomie.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von der Größe des Infarktareals. Bei keineren Infarkten ist eine Restitutio ad integrum oder eine weitgehende Wiederherstellung mit minimalen neurologischen Ausfällen möglich. Ausgedehnte Hirnstamminfarkte, z.B. durch eine vorangegangene Basilaristhrombose haben in der Regel eine sehr ungünstige Prognose. Nicht selten resultiert aus einem Hirnstamminfarkt mit Basilaristhrombose ein Locked-in-Syndrom, häufig kommt es auch zu einer bleibenden Tetraparese und Atemstörungen mit dauerhafter Beatmungspflicht.
Die Mortalität isolierter Hirnstamminfarkte liegt bei etwa 10%, kombinierte Hirnstamminfarkte weisen eine deutlich höhere Mortalität auf.[1]
Quellen
- ↑ Klinische Präsentation und Prognose von Hirnstamminfarkten Eine Auswertung der Schlaganfall-Datenbank der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Der Nervenarzt; February 2002, Volume 73, Issue 2, pp 166–173