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Kleinhirninfarkt

Synonym: zerebellärer Infarkt

1. Definition

Unter einem Kleinhirninfarkt versteht man einen Schlaganfall im Bereich des Kleinhirns durch Verschluss einer versorgenden Arterie.

2. Hintergrund

Beim Kleinhirninfarkt sind die Kleinhirnarterien betroffen, die aus den beiden Arteriae vertebrales bzw. aus der Arteria basilaris stammen. Im ungünstigsten Fall führt ein solcher Infarkt zur irreparablen Nekrose des Gewebes. Kleinhirninfarkte treten aufgrund der gemeinsamen arteriellen Versorgung von Kleinhirn und Hirnstamm, häufig zusammen mit einem Hirnstamminfarkt auf und kommen nur sehr selten isoliert vor.

3. Epidemiologie

Ungefähr 2 % aller Hirninfarkte betreffen das Kleinhirn.

4. Ursachen

Kleinhirninfarkte werden v.a. durch einen Verschluss der Arteria cerebelli inferior posterior (PICA-Infarkt), verursacht, der mit einer Mangeldurchblutung des entsprechenden Versorgungsgebietes einhergeht. Am zweithäufigsten betroffen sind die Arteria cerebelli inferior anterior (AICA-Infarkt), danach die Arteria cerebelli superior (SCA-Infarkt).

Hintergründe dieser Ischämien sind arteriosklerotische Veränderungen und Thrombosen, u.a. ausgelöst durch Hypertonie, Vorhofflimmern oder Endokarditis. Typische Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Adipositas, Stress und andere Faktoren, die Angiopathien verursachen.

Im Gegensatz zur supratentoriellen Situation sind Kleinhirninfarkte seltener als Kleinhirnblutungen (infratentorielle Blutungen).

5. Pathologie

Wie andere Hirninfarkte, kann der Kleinhirninfarkt als anämischer bzw. ischämischer Infarkt oder als hämorrhagischer Infarkt mit sekundärer Einblutung in das minderversorgte Areal vorliegen. Gelegentlich wird auch die Kleinhirnblutung als "hämorrhagischer Kleinhirninfarkt" bezeichnet, obwohl das der Definition des Begriffs "Infarkt" eigentlich widerspricht.

6. Symptome

Schlaganfälle im Kleinhirn sind klinisch in vielen Fällen von denen des Großhirns (Großhirninfarkte) gut differenzierbar. Dies liegt daran, dass die resultierenden Funktionsausfälle bestimmte Charakteristika aufweisen.

6.1. Bewegungsstörungen

Aufgabe des Kleinhirns ist es u.a. Gleichgewicht und Bewegungsabläufe zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Deshalb kommt es v.a. bei Ausfällen des Spinocerebellums zu einem herabgesetzten Muskeltonus, der zur Rumpf- und Gangataxie führt - die Patienten gehen Schlangenlinien. Ferner kommt es zur Dysdiadochokinese, die sich dadurch äußert, dass rasche antagonistische Bewegungen nicht mehr koordiniert ausgeführt werden können, und zu einem fehlenden Rebound, d.h. Widerstände werden nicht oder nur unzureichend abgeschätzt. Der Patient bringt z.B. zu viel Kraft für das Heben eines leichten Gegenstands auf. Bei Infarkten im Pontocerebellum entsteht als Symptom ein Intentionstremor, da es für die Modulation der Zielmotorik bedeutend ist.

6.2. Gleichgewichts- und Sehstörungen

Da im Vestibulocerebellum für eine geordnete Blickmotorik und Gleichgewichtsempfindung gesorgt wird, können Stand und Gang bei einem Ausfall nicht mehr stabilisiert werden. Dies kann ebenfalls zur Gangataxie, oft aber auch zu Schwindel mit Erbrechen führen. Patienten mit Kleinhirninfarkten in diesem Bereich sehen häufig Doppelbilder und weisen einen pathologischen Nystagmus auf.

6.3. Sprachstörungen

Bei Schlaganfällen im Pontocerebellum kann neben dem oben beschriebenen Intentionstremor auch die Feinabstimmung (Modulation) der Sprechmotorik gestört sein, weswegen bei betroffenen Personen eine Dysarthrie, also eine Sprechstörung festgestellt werden kann. Die Patienten nuscheln und sprechen nur sehr undeutlich. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch nach gemehrtem Alkoholkonsum beobachten.

6.4. Weitere Symptome

Zu den unspezifischen Symptomen des Kleinhirninfarkts zählen Kopfschmerzen. Sie treten häufiger auf als bei Großhirninfarkten.

Da zerebelläre Infarkte meistens mit Hirnstamminfarkten assoziiert sind, tritt bei dieser Kombination nicht selten eine Vigilanzstörung auf. Diese Bewusstseinstrübungen bzw. der Verlust der "Wachheit", kann auch bei einer infratentoriellen Blutung dadurch verursacht werden, dass die Kleinhirntonsillen auf die Medulla oblongata, den Sitz des Atem- und Kreislaufzentrums, drücken. In beiden Fällen ist eine Vigilanzverminderung prognostisch sehr ungünstig.

Auch ein Hirndruckanstieg öder Hirnödem kann unmittelbar mit einem Kleinhirninfarkt zusammenhängen. In den ersten 5 Tagen tritt bei bis zu 30% aller Kleinhirninfarkte ein Hirnödem mit Hirnstammkompression auf. Diese Fälle sind unbehandelt von einer hohen Letalität (bis zu 80%) gekennzeichnet.

7. Diagnostik

Neben einer ausführlichen neurologischen Untersuchung, um die o.a. genannten Symptome zu erkennen, werden in erster Linie bildgebende Verfahren wie die cCT und die MRT zur Diagnose eingesetzt. In der Frühphase eines Kleinhirninfarkts ist die diffusionsgewichtete MRT (DWI-Sequenz) zielführend.

Mit diesen Verfahren lassen sich Infarktzeichen, wie z.B. ein perifokales Ödem, und Blutungen im Kleinhirngewebe darstellen. Die Bildgebung ist vor allem wichtig, um die Raumforderung des Infarkts einzuschätzen, bzw. eine Kleinhirnblutung von einem Infarkt zu differenzieren. Kleinhirninfarkte betreffen hauptsächlich die Kleinhirnrinde und insbesondere den Scheitelpunkt der Kleinhirnfissuren (depth-of-fissure sign).

siehe Hauptartikel: Hirninfarkt (Radiologie)

8. Einteilung

Je nachdem, ob eine Hirnstammkompression vorliegt oder nicht, unterscheidet man zwischen

  • nicht-raumfordernden und
  • raumfordernden Kleinhirninfarkten

Nicht-raumfordernde Kleinhirninfarkte haben einen umkomplizierteren Verlauf, während die seltener vorkommenden (ca. 10% der Fälle), raumfordernden Kleinhirninfarkte eine sofortige neurochirurgische Intervention erfordern.

9. Therapie

9.1. Allgemeintherapie

Allgemein sollte ein Schlaganfallpatient auf einer spezialisierten Stroke Unit überwacht und behandelt werden. Hierbei ist wichtig, für eine ausreichende Oxygenierung zu sorgen, den Blutdruck, die Temperatur und den Glukosestoffwechsel zu überwachen.

9.2. Nicht-raumfordender Kleinhirninfarkt

Liegt der Infarkt nicht länger als 4 bis 6 Stunden zurück, kann er eventuell konservativ mittels Lysetherapie behandelt werden. Hier wird versucht, den Embolus medikamentös aufzulösen. In einigen Fällen erfolgt dies auch lokal, jedoch kann die Behandlung von der Lokalisation des Infarktes eingeschränkt werden. Kann eine Lysetherapie nicht angewandt werden - beispielsweise wenn das Geschehen zu lange unbehandelt blieb - wird ggf. auf eine Thrombektomie oder das Legen eines Stents zurückgegriffen.

9.3. Raumfordender Kleinhirninfarkt

Bei raumfordenden Kleinhirninfarkten wird meist operativ vorgegangen. Hier erfolgt eine Druckentlastung, u.a. durch die Anlage einer externen Ventrikeldrainage oder einer Schädeltrepanation (dekompressive Kraniektomie). Ein evtl. bestehendes Hämatom muss entsprechend ausgeräumt werden (Hämatomevakuation).

10. Prognose

Die Prognose ist abhängig von der Größe des Infarktareals. Bei keineren Infarkten ist eine Restitutio ad integrum oder eine weitgehende Wiederherstellung mit minimalen neurologischen Ausfällen möglich. Sind größere Nervenzellareale betroffen, kommt es zu variablen neurologischen Ausfällen, welche - wenn die Akutphase überlebt wird - die motorische Kompetenz des Patienten erheblich beeinträchtigen. Aufgrund der neuronalen Plastizität ist eine teilweise Rehabilitation möglich, nimmt aber Zeit in Anspruch.

Bei umfangreichen Infarkten ist die Prognose ungünstig, kommt es gleichzeitig zu einem Hirnstamminfarkt, ist sie in der Regel infaust.

Stichworte: Infarkt, Kleinhirn
Fachgebiete: Neurochirurgie, Neurologie

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