Lakunärer Infarkt
Synonyme: lakunärer Schlaganfall, lakunärer Hirninfarkt
Englisch: lacunar infarct, lacunar stroke, lacunar cerebral infarct (LACI)
Definition
Als lakunäre Infarkte bezeichnet man kleinere Hirninfarkte (≤ 15 mm Durchmesser), die in der Regel durch mikroangiopathische Veränderungen entstehen. Es handelt sich um subkortikal lokalisierte, herdförmige Gewebsläsionen, die fast ausschließlich durch Gefäßveränderungen der von basal tief in das Hirngewebe penetrierenden kleinen Arterien ausgelöst werden.
Pathophysiologie
Lakunären Infarkten liegt eine Gefäßokklusion der kleinen, langen perforierenden Hirngefäße zugrunde. Hierzu zählen z.B.:
- Arteriae centrales anterolaterales (Arteriae lenticulostriatae).
- Arteria thalamoperforans posterior, Arteria thalamoperforans anterior
- Heubner-Arterie
Arterielle Gefäße mit einem Durchmesser unter 200 μm Durchmesser werden dabei vorwiegend durch eine Lipohyalinose, Gefäße mit einem Durchmesser von 200 bis 900 μm durch Mikroatherome verschlossen. Selten können lakunäre Infarkte auch kardioembolische oder arterioembolische Ursachen haben.
Nach Abheilung eines lakunären Infarktes verbleibt eine kleine zystische Narbe im Hirngewebe, die sogenannte Lakune.
Risikofaktoren
Zu den Hauptrisikofaktoren des lakunären Infarkts zählen:
- arterielle Hypertonie
- Diabetes mellitus
- Rauchen
- hohes Alter
- CADASIL, insbesondere bei jüngeren Patienten
Ob auch degenerative Hirnerkrankungen lakunäre Infarkte begünstigen können, ist derzeit (2020) unklar.
Lokalisation
Lakunäre Infarkte sind fast ausschließlich im Marklager, in der Capsula interna, in den Basalganglien, im Thalamus oder im Hirnstamm lokalisiert.
Klinik
Die meisten lakunären Infarkte verlaufen asympomatisch ("silent lacunar infarction"). Sie können sich klinisch aber auch in Form von sogenannten lakunären Syndromen (LACS) manifestieren. Man unterscheidet 5 LACS-Formen:
- Pure Motor Stroke: Häufigste Form. Infarkt im Bereich von Crus posterius capsulae internae oder Pars basilaris pontis (absteigende kortikospinale und kortikobulbäre Bahnen). Kontralaterale Hemiparese, ggf. mit Dysarthrie oder Dysphagie.
- Ataktische Hemiparese: Zweithäufigste Form. Infarkt im Bereich von Crus posterius capsulae internae, Pars basilaris pontis oder Corona radiata. Typischerweise kontralaterale, beinbetonte Hemiparese und homolaterale Ataxie.
- Dysarthria-Clumsy-Hand-Syndrom: Infarkt im Bereich von Pars basilaris pontis oder Genu capsulae internae. Dysarthrie und "Ungeschicklichkeit" (Schwäche, gestörte Feinmotorik) der kontralateralen Hand, insbesondere beim Schreiben.
- Pure Sensory Stroke: Infarkt im Bereich des Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus. Kontralaterale Hemihypästhesie von Gesicht und oberer und unterer Extremität.
- Mixed Sensorimotor Stroke: Infarkt im Bereich von Thalamus und Crus posterius capsulae internae. Kontralaterale Hemiparese und Hemihypästhesie von Gesicht, Armen und Beinen.
Weiterhin können umschriebene Hirnnervenausfälle (z.B. Fazialisparese, Okulomotoriusparese) vorkommen.
Komplikation
Langfristig können wiederholte lakunäre Infarkte zu einer vaskulären Demenz führen.
Differenzialdiagnosen
Ungefähr 17 % der lakunären Syndrome sind nicht durch lakunäre Infarkte bedingt, sondern werden durch kortikale Infarkte oder intrakranielle Blutungen verursacht. Dabei treten jedoch häufig "kortikale" Symptome auf, z.B. Aphasie, Apraxie, Neglect oder Gesichtsfeldausfälle.
Weiterhin müssen lakunäre Infarkte von striatokapsulären Infarkten differenziert werden. Diese Hirninfarkte werden durch kompletten oder teilweisen Verschluss der Arteria cerebri media mit konsekutiver Ischämie des Nucleus caudatus, des Putamens und des Crus anterius capsulae internae verursacht. Striatokapsuläre Infarkte können in der Akutphase sowohl kortikale (Aphasie, Neglect, Apraxie) als auch subkortikale Symptome (Hemiparese, Dysarthrie) aufweisen. Außerdem ist das Infarktareal mindestens 30 mm lang und 10 mm breit.
Prognose
Lakunäre Infarkte haben eine bessere Prognose als Territorialinfarkte. Nach einem lakunären Infarkt erholen sich ungefähr 75 % der Patienten innerhalb von 2-3 Monaten mit nur geringen oder ohne Residuen. Nach einem Jahr haben über 80 % der Patienten keine bzw. minimale neurologische Defizite.[3] Jedoch sind lakunäre Infarkte häufig mit einer subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie vergesellschaftet. Folgen sind progrediente motorische Defizite und kognitive Einschränkungen. Das Risiko, einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, beträgt 6-10 % pro Jahr.
Quellen
- ↑ Bamford J et al. The natural history of lacunar infarction: the Oxfordshire Community Stroke Project, Stroke. 1987;18(3):545-551, abgerufen am 03.08.2020
- ↑ Wolfe C et al. Incidence and case fatality rates of stroke subtypes in a multiethnic population: the South London Stroke Register, J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2002 Feb; 72(2): 211–216, abgerufen am 03.08.2020
- ↑ Petty GW et al. Ischemic stroke subtypes : a population-based study of functional outcome, survival, and recurrence, Stroke. 2000;31(5):1062-1068, abgerufen am 03.08.2020