Bempedoinsäure
Handelsname: Nilemdo®, Nustendi®
Synonyme: Acidum bempedoicum, ETC-1002, ESP-55016
Englisch: bempedoic acid
Definition
Bempedoinsäure ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der ACL-Inhibitoren, der die hepatische Cholesterinsynthese hemmt. Er wird als Lipidsenker zur adjuvanten Behandlung einer primären Hypercholesterinämie oder einer gemischten Dyslipidämie eingesetzt.
Chemie
Bempedoinsäure ist das Derivat einer Fettsäure, der Pentadecandisäure (alpha, omega-Dicarbonsäure). Letztere ist an den Positionen 2 und 14 durch Methylgruppen und an Position 8 durch eine Hydroxygruppe substituiert. Die Summenformel ist C19H36O5. Der chemische Name lautet:
- 8-Hydroxy-2,2,14,14-tetramethylpentadecandisäure (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 344,5 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 3,65. Die CAS-Nummer lautet 738606-46-7. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als weißes, kristallines Pulver vor, das in Wasser praktisch unlöslich ist.
Wirkmechanismus
Bempedoinsäure ist ein Prodrug, das in der Leber durch das Enzym Very long-chain acyl-CoA-synthetase 1 (ACSVL1) in seine aktive Thioesterform (Bempedoyl-CoA; ETC-1002-CoA) umgewandelt wird. Die aktivierte Bempedoinsäure hemmt die Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL), die Citrat zu Acetyl-CoA umsetzt und damit ein Schlüsselenzym der hepatischen Cholesterinsynthese darstellt. Als Folge kommt es zum Anstieg der LDL-Rezeptordichte der Leber und zu einem Abfall von LDL-Cholesterin (LDL-C) im Serum. Gleichzeitig werden Non-High-Density-Lipoprotein-Cholesterin (Non-HDL C) und Apolipoprotein B (Apo B) sowie das Gesamtcholesterin (Total Cholesterol, TC) abgesenkt. Die Fettsäuresynthese in der Leber wird vermindert.[1]
Pharmakokinetik
Nach oraler Aufnahme von Bempedoinsäure werden maximale Plasmaspiegel nach etwa 3,5 Stunden erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 99,3 %, das Verteilungsvolumen 18 Liter (ca. 0,26 l/kgKG). Die Biotransformation in der Leber erfolgt nicht über das Isoenzym Cytochrom-P450, sondern durch Metabolisierung zu einem Acylglucuronid. Außerdem entsteht ein aktiver Metabolit (ESP15228-CoA). Die Elimination erfolgt in metabolisierter Form zu 70 % mit dem Urin und zu 30 % mit den Fäzes. Die Eliminationshalbwertszeit von Bempedoinsäure liegt zwischen 15 und 24 Stunden, die des aktiven Metaboliten bei 30 Stunden.
Indikation
Bempedoinsäure ist bei Patienten mit primärer Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie als Ergänzung zu einer Diät indiziert:[1]
- In Kombination mit einem Statin oder einem Statin zusammen mit anderen lipidsenkenden Therapien, wenn die LDL-C-Zielwerte mit der maximal verträglichen Statindosis nicht erreicht werden.
- Als Monotherapie oder in Kombination mit anderen lipidsenkenden Therapien bei Patienten, die eine Statin-Intoleranz aufweisen oder bei denen Statin kontraindiziert ist.
Darreichungsform
Bempedoinsäure steht als Filmtablette zur oralen Anwendung als Monopräparat und als Fixkombination mit 10 mg Ezetimib zur Verfügung.
Dosierung
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Bempedoinsäure sind:[1][2]
- Hyperurikämie und Gichtanfall (durch Hemmung des renal-tubulären Organo-Anion-Transporters OAT2)
- Schmerzen in den Extremitäten
- Anämie, Leukopenie, Thrombozythämie
- Muskelkrämpfe, Myopathie (Myalgie plus CK-Erhöhung)
- Übelkeit, Diarrhö
- Leberfunktionsstörungen
- Nierenfunktionsstörungen
Wechselwirkungen
Bempedoinsäure erhöht die Plasmakonzentrationen von Statinen, sodass bei gleichzeitiger Anwendung ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Myopathie besteht. Im Extremfall kann es zur Rhabdomyolyse mit der Gefahr des akuten Nierenversagens kommen.
In Einzelfällen kam es unter der Therapie mit Bempedoinsäure zu einer Tendinitis oder einer spontanen Sehnenruptur.[3] Alle Fälle von Sehnenrissen standen im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Verabreichung von hochdosierten Statinen. Das Risiko eines Sehnenrisses erhöht sich bei Patienten, die jünger (!) als 60 Jahre alt sind, wenn gleichzeitig Kortikosteroide oder Fluorchinolone eingenommen werden und bei Patienten mit Sehnenerkrankungen in der Anamnese.[2]
Darüber hinaus wurden gehäuft Fälle von benigner Prostatahyperplasie (BPH) beobachtet, wenn Bempedoinsäure zusammen mit hochdosierten Statinen verabreicht wurde. Auch Vorhofflimmern trat unter dieser Komedikation öfter auf.[2]
Kontraindikationen
Die Anwendung von Bempedoinsäure ist kontraindiziert bei:[1]
- Überempfindlichkeit gegen Bempedoinsäure oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
- gleichzeitiger Anwendung von mehr als 40 mg Simvastatin täglich
Schwangerschaft und Stillzeit
Im Tierexperiment wurde eine Reproduktionstoxizität festgestellt. Daher ist Bempedoinsäure während der Schwangerschaft kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Bempedoinsäure eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.[1]
Auch während der Stillzeit ist die Einnahme von Bempedoinsäure wegen möglicher Risiken für den Säugling kontraindiziert.
Toxizität
Es liegen aktuell (2023) keine Erfahrungen zur Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Bempedoinsäure vor. In klinischen Prüfungen wurden Dosierungen bis zu 240 mg pro Tag toleriert. Es ist davon auszugehen, dass es bei einer Überdosierung zu einem Gichtanfall kommen kann, der entsprechend behandelt werden muss. Eine primäre Giftentfernung durch Verabreichung von Aktivkohle kann innerhalb einer Stunde nach der Ingestion erwogen werden. Ein spezifisches Antidot steht bisher (2023) nicht zur Verfügung. Aufgrund seiner pharmakokinetischen Eigenschaften (hohe Plasmaproteinbindung) ist eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse nicht effektiv.
Nutzenbewertung
Nach Einschätzung des IQWiG ist der Zusatznutzen von Bempedoinsäure zusätzlich zu diätetischer Therapie und ggf. anderen lipidsenkenden Arzneimitteln bei erwachsenen Patienten mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygot familiär und nicht familiär) oder gemischter Dyslipidämie nicht belegt.[4]
ATC-Code
- C10AX15 - Mittel, die den Lipidstoffwechsel beeinflussen
- C10BA10 - Bempedoinsäure und Ezetimib
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Nilemdo, EMA. Abgerufen am 10.10.2023
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Chandramahanti S, Farzam K. Bempedoic Acid. [Updated 2023 Jul 21]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan-. Abgerufen am 11.10.2023
- ↑ Bempedoinsäure: Fallbericht einer Achillessehnenruptur. AkdÄ Drug Safety Mail 2023-47 vom 10.10.2023. Abgerufen am 11.10.2023
- ↑ Stellungnahme der AkdÄ zu Bempedoinsäure vom 01.11.2020. Abgerufen am 11.10.2023
Weblinks
- Drugs.com - Bempedoic acid. Abgerufen am 10.10.2023
- Drugbank - Bempedoic acid. Abgerufen am 10.10.2023
- Pharmazeutische Zeitung Arzneistoffe - Bempedoinsäure. Abgerufen am 11.10.2023
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Bempedoinsäure. Abgerufen am 10.10.2023
- PharmaWiki - Bempedoinsäure. Abgerufen am 10.10.2023
- PubChem: 10472693
- MeSH: 67581236