Herzfehler: Unterschied zwischen den Versionen

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''Synonyme: Herzvitium, Vitium cordis, kongenitaler Herzfehler, angeborener Herzfehler (AHF)<br>
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'''''Englisch''': heart defect, congenital heart anomaly''
'''''Englisch''': <name lang="en">heart defect</name>, congenital heart anomaly''


==Definition==
==Definition==
Ein '''Herzfehler''' oder '''Herzvitium''' ist eine angeborene oder erworbene [[Fehlbildung]] des [[Herz]]ens oder einzelner Herzstrukturen. Herzfehler können sowohl [[Muskel|muskuläre]] Anteile, wie das [[Herzseptum]] oder das [[Myokard]], als auch [[Bindegewebe|bindegewebige]] Elemente, wie die [[Herzklappe]]n, betreffen.  
Ein '''Herzfehler''' oder '''Herzvitium''' ist eine angeborene oder erworbene [[Fehlbildung]] des [[Herz]]ens oder einzelner Herzstrukturen. Herzfehler können sowohl [[Myokard]], als auch [[Bindegewebe|bindegewebige]] Elemente, wie z.B. die [[Herzklappe]]n, betreffen.  


==Hintergrund==
==Hintergrund==
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==Epidemiologie==
==Epidemiologie==
Die [[Inzidenz]] kongenitaler Herzfehler insgesamt beträgt in Deutschland etwa 6.500 Fälle pro Jahr, was ca. 1 % aller Neugeborenen entspricht.<ref>Meinertz, T. et al.: Deutscher Herzbericht 2016. 2016, Frankfurt: Deutsche Herzstiftung e.V.</ref> In Europa haben etwa 0,8 % der Neugeborenen einen AHF.<ref>van der Linde, D., et al., Birth prevalence of congenital heart disease worldwide: a systematic review and meta-analysis. J Am Coll Cardiol, 2011. 58(21): p. 2241-7</ref> Herzfehler sind somit eine der häufigsten Organfehlbildungen bei Neugeborenen. Der Schweregrad reicht von einfachen (55 %) bis hin zu mittelschweren bis komplexen Formen von AHF (45 %).<ref>Neidenbach, R., et al., [Striking Supply Gap in Adults with Congenital Heart Disease?]. Dtsch Med Wochenschr, 2017. 142(4): p. 301-303.</ref> Bei zirka 2-3 von 1.000 Neugeborenen ist die Anomalie so schwerwiegend, dass sie schon im Neugeborenenalter [[symptomatisch]] auffällig wird und dadurch eine [[operativ]]e Intervention während des 1. Lebensjahres erforderlich wird. Eine Übersicht über die relative Häufigkeit der einzelnen Herzfehler gibt folgende Tabelle:
Die [[Inzidenz]] kongenitaler Herzfehler insgesamt beträgt in Deutschland etwa 6.500 Fälle pro Jahr, was ca. 1 % aller [[Neugeborenes|Neugeborenen]] entspricht.<ref>Meinertz, T. et al.: Deutscher Herzbericht 2016. 2016, Frankfurt: Deutsche Herzstiftung e.V.</ref> In Europa haben etwa 0,8 % der Neugeborenen einen AHF.<ref>van der Linde, D., et al., Birth prevalence of congenital heart disease worldwide: a systematic review and meta-analysis. J Am Coll Cardiol, 2011. 58(21): p. 2241-7</ref> Herzfehler sind somit eine der häufigsten [[Fehlbildung|Organfehlbildungen]] bei Neugeborenen. Der Schweregrad reicht von einfachen (55 %) bis hin zu mittelschweren bis komplexen Formen von AHF (45 %).<ref>Neidenbach, R., et al., Striking Supply Gap in Adults with Congenital Heart Disease?. Dtsch Med Wochenschr, 2017. 142(4): p. 301-303.</ref> Bei ca. 2 bis 3 von 1.000 Neugeborenen ist die [[Anomalie]] so schwerwiegend, dass sie schon im Neugeborenenalter [[symptomatisch]] auffällig wird und dadurch eine [[operativ]]e [[Intervention]] während des ersten [[Lebensjahr]]es erforderlich wird. Eine Übersicht über die relative Häufigkeit der einzelnen Herzfehler gibt folgende Tabelle:


{| class = table title = "Relative Häufigkeit kongenitaler Herzfehler"
{| class = table title = "Relative Häufigkeit kongenitaler Herzfehler"
! Herzfehler !! Inzidenz  
! Herzfehler !! Inzidenz  
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|[[Ventrikelseptumdefekt]] (VSD) || 15-30%  
|[[Ventrikelseptumdefekt]] (VSD) || 15 bis 30 %  
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|[[Fallot'sche Tetralogie]]|| 10-15%  
|[[Fallot'sche Tetralogie]]|| 10 bis 15 %  
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|[[Vorhofseptumdefekt]] (ASD) || 7-10%  
|[[Vorhofseptumdefekt]] (ASD) || 7 bis 10 %  
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|[[Persistierender Ductus Botalli]] (PDA) || 5-10%
|[[Persistierender Ductus Botalli]] (PDA) || 5 bis 10 %
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|[[Aortenisthmusstenose]] || 6%  
|[[Aortenisthmusstenose]] || 6 %  
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|[[Transposition der großen Gefäße|Transposition der großen Arterien]] || 6%
|[[Transposition der großen Gefäße|Transposition der großen Arterien]] || 6 %
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|[[Pulmonalstenose]] || 6%
|[[Pulmonalstenose]] || 6 %
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|[[Aortenstenose]] || 4%  
|[[Aortenstenose]] || 4 %  
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Diese Häufigkeitsangaben beinhalten nicht die häufigen, aber im Kindesalter meist [[asymptomatisch]]en [[Anomalie]]n wie [[bikuspide Aortenklappe]] oder [[Mitralklappenprolaps]].
Diese Häufigkeitsangaben beinhalten nicht die häufigen, aber im Kindesalter meist [[asymptomatisch]]en [[Anomalie]]n wie [[bikuspide Aortenklappe]] oder [[Mitralklappenprolaps]].


Die Gesamtprävalenz von angeborenen Herzfehlern ist für Jungen und Mädchen in etwa gleich hoch. Man beobachtet jedoch einzelne Fehlbildungen, die eine Geschlechtspräferenz aufzeigen. Die Linksherzobstruktion und die Transposition der großen Gefäße sind häufiger bei Jungen anzutreffen. Persistierender Ductus, sowie Vorhofseptumdefekte und Pulmonalstenosen betreffen mehr Mädchen als Jungen.
Die [[Prävalenz|Gesamtprävalenz]] von angeborenen Herzfehlern ist für [[Junge]]n und [[Mädchen]] in etwa gleich hoch. Man beobachtet jedoch einzelne Fehlbildungen, die eine Geschlechtspräferenz aufzeigen. Die Linksherzobstruktion und die Transposition der großen Gefäße sind häufiger bei Jungen anzutreffen. Der persistierende Ductus Botalli, Vorhofseptumdefekte und Pulmonalstenosen betreffen mehr Mädchen als Jungen.


==Ätiologie==
==Ätiologie==
Die [[Ätiologie]] der Herzfehler ist bei etwa 80-90% der Fälle als [[multifaktoriell]] anzusehen. In 10-15% lassen sich [[Chromosomenaberration|chromosomale Aberrationen]], in 3-5% [[monogen]]e Erbstörungen als Ursache feststellen. Selten sind Herzfehler [[teratogen]] bedingt (1-2%).
Die [[Ätiologie]] der Herzfehler ist bei etwa 80 bis 90 % der Fälle als [[multifaktoriell]] anzusehen. In 10 bis 15 % lassen sich [[Chromosomenaberration|chromosomale Aberrationen]], in 3 bis 5 % [[monogen]]e [[Erbkrankheit|Erbstörungen]] als Ursache feststellen. Selten sind Herzfehler [[teratogen]] bedingt (1 bis 2 %).


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|[[Röteln]]-Infektion || 35 || periphere Pulmonalarterienstenose, PDA, VSD, ASD
|[[Röteln]]-Infektion || 35 || periphere Pulmonalarterienstenose, PDA, VSD, ASD
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|[[maternaler Diabetes mellitus]] || 3-5 || konotrunkale Herzfehler
|[[maternaler Diabetes mellitus]] || 3 bis 5 || konotrunkale Herzfehler
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|[[maternale PKU]] || 25-50 || TOF
|[[maternale PKU]] || 25 bis 50 || TOF
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|[[Lupus erythematodes]] der Mutter || 20-40 || [[Reizleitung]]sstörung
|[[Lupus erythematodes]] der Mutter || 20 bis 40 || [[Reizleitung]]sstörung
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|[[Alkoholabusus]] der Mutter || 25-30 || VSD, ASD
|[[Alkoholabusus]] der Mutter || 25 bis 30 || VSD, ASD
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|[[Retinoid]]e || 10-20 || konotrunkaler Herzfehler
|[[Retinoid]]e || 10 bis 20 || konotrunkaler Herzfehler
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|[[Lithium]] || - || [[Ebstein-Anomalie]]
|[[Lithium]] || - || [[Ebstein-Anomalie]]
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Epidemiologische Studien zeigen, dass das globale intrafamiliäre Wiederholungsrisiko isolierter Herzfehler bei 2-5% liegt. Das Wiederholungsrisiko verschiedener Herzfehler ist dabei recht unterschiedlich, Linksherzobstruktionen zeigen z.B. ein besonders hohes Wiederholungsrisiko auf: beim hypoplastischen Linksherz ([[Hypoplastisches Linksherzsyndrom|HLHS]]) liegt der Wert bei 8%, bei der Aortenisthmusstenose über 6%. Das Risiko, einen Herzfehler an die eigenen Kinder zu vererben, ist bei betroffenen [[Frau]]en mit beinahe 6% fast doppelt so hoch wie bei betroffenen [[Mann|Männern]].  
[[Epidemiologie|Epidemiologische]] Studien zeigen, dass das globale intrafamiliäre [[Wiederholungsrisiko]] isolierter Herzfehler bei 2 bis 5 % liegt. Das Wiederholungsrisiko verschiedener Herzfehler ist dabei recht unterschiedlich, Linksherzobstruktionen zeigen z.B. ein besonders hohes Wiederholungsrisiko auf: beim [[Hypoplastisches Linksherzsyndrom|hypoplastischen Linksherzsyndrom]] (HLHS) liegt der Wert bei 8 %, bei der Aortenisthmusstenose über 6 %. Das Risiko, einen Herzfehler an die eigenen Kinder zu vererben, ist bei betroffenen [[Frau]]en mit beinahe 6 % fast doppelt so hoch wie bei betroffenen [[Mann|Männern]].  


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!'''Familiäre Konstellation:''' || '''Empirisches Wiederholungsrisiko (%):'''
!'''Familiäre Konstellation:''' || '''Empirisches Wiederholungsrisiko (%):'''
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|gesunde Eltern, 1 Kind betroffen || 1-3
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|Vater betroffen || 2-3
|Vater betroffen || 2 bis 3
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|Mutter betroffen || 5-6
|Mutter betroffen || 5 bis 6
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|2 Kinder betroffen bzw. 1 Elternteil<br>und 1 Kind || 10
|2 Kinder betroffen bzw. 1 Elternteil<br>und 1 Kind || 10
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|mehr als 2 Verwandte 1. Grades<br>betroffen || 50
|mehr als 2 Verwandte 1. Grades<br>betroffen || 50
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Zur häufigsten numerischen Chromosomenanomalie mit Herzfehler wird die [[Trisomie 21]] gezählt. Hier zeigen etwa 50% der Betroffenen einen Herzfehler auf. So sind die sog. atrioventrikulären Fehlbildungen besonders häufig (und v.a. typisch). Liegt das [[Mikrodeletionssyndrom 22q11]] vor, finden sich typischerweise [[konotrunkal]]e Herzfehler (sprich, Anomalien des Herzbogens, TOF, Pulmonalatresie mit VSD, usw.). In diesem Falle ist ein [[DNA-Microarray]] oder auch eine gezielte [[FISH]]-Analyse sinnvoll.  
Zur häufigsten [[Numerische Chromosomenaberration|numerischen Chromosomenanomalie]] mit Herzfehler wird die [[Trisomie 21]] gezählt. Hier zeigen etwa 50 % der Betroffenen einen Herzfehler auf. So sind die sogenannten [[atrioventrikulär]]en Fehlbildungen besonders häufig (und v.a. typisch). Liegt das [[Mikrodeletionssyndrom 22q11]] vor, finden sich typischerweise [[konotrunkal]]e Herzfehler (Anomalien des Herzbogens, Fallot-Tetralogie, Pulmonalatresie mit VSD, usw.). In diesem Falle ist ein [[DNA-Microarray]] oder auch eine gezielte [[FISH]]-Analyse sinnvoll.  


===Chromosomale Aberrationen===
===Chromosomale Aberrationen===
*[[Down-Syndrom]] (Trisomie 21), assoziiert mit  
*[[Down-Syndrom]] (Trisomie 21), assoziiert mit  
**[[Ventrikelseptumdefekt]] (VSD)
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
**[[Vorhofseptumdefekt|Atrialem Septumdefekt]] (ASD)
**[[Vorhofseptumdefekt|Atrialem Septumdefekt]] (ASD)
**[[Atrioventrikulärer Septumdefekt|Atrioventrikulärem Septumdefekt (AVSD)]]
**[[Atrioventrikulärer Septumdefekt|Atrioventrikulärem Septumdefekt (AVSD)]]
*[[Edwards-Syndrom]] (Trisomie 18), assoziiert mit
*[[Edwards-Syndrom]] (Trisomie 18), assoziiert mit
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
**[[Persistierender Ductus Botalli|Persistierender Ductus arteriosus botalli]]
**Persistierender Ductus arteriosus botalli
*[[Pätau-Syndrom]] (Trisomie 13), assoziiert mit
*[[Pätau-Syndrom]] (Trisomie 13), assoziiert mit
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
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*[[Di-George-Syndrom]] (Deletion 22q11), assoziiert mit
*[[Di-George-Syndrom]] (Deletion 22q11), assoziiert mit
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
**Ventrikelseptumdefekt (VSD)
*[[Williams-Beuren-Syndrom]] (Deletion 7q11.23), assoziiert mit supravalvulärer [[Aortenstenose]], [[Pulmonalstenose]]
*[[Williams-Beuren-Syndrom]] (Deletion 7q11.23), assoziiert mit supravalvulärer Aortenstenose, Pulmonalstenose
*[[Romano-Ward-Syndrom]] (Deletion 11p15.5)
*[[Romano-Ward-Syndrom]] (Deletion 11p15.5)


==Einteilung==
==Einteilung==
Es existieren verschiedene Möglichkeiten, Herzfehler einzuteilen. Man unterscheidet unter anderem:
Es existieren verschiedene Möglichkeiten, Herzfehler einzuteilen. Man unterscheidet unter anderem:
*[[Linksherzobstruktion]]en von [[Rechtsherzobstruktion]]en
*[[Linksherzobstruktion]]en von [[Rechtsherzobstruktion]]en
*[[Links-Rechts-Shunt]]s von [[Rechts-Links-Shunt]]s bei [[Shunt]]vitien
*[[Links-Rechts-Shunt]]s von [[Rechts-Links-Shunt]]s bei [[Shunt]]vitien
*Herzfehler mit und ohne Gefäßfehlkonnektion
*[[Zyanose|Zyanotische]] und azyanotische Herzvitien
*[[Zyanose|Zyanotische]] und azyanotische Herzvitien
*Herzfehler mit und ohne Gefäßfehlkonnektion
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|-
! colspan=2 style="text-align:center" | '''Azyanotische Herzvitien'''
! '''Zyanotische Herzvitien'''
|- valign="top"
! Obstruktion an Klappen/Gefäßen
! Primärer Links-Rechts-Shunt
! Rechts-Links-Shunt
|- valign="top"
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* [[Pulmonalstenose]]
* [[Aortenklappenstenose]]
* [[Aortenisthmusstenose]]
|
* [[Vorhofseptumdefekt]]
* [[Lungenvenenfehlmündung|Partielle Lungenvenen­fehlmündung]]
* [[Ventrikelseptumdefekt|Ventrikelseptum­defekt]]
* [[Atrioventrikulärer Septumdefekt]]
* [[Aortopulmonales Fenster]]
* [[Persistierender Ductus Arteriosus Botalli]]
* [[Bland-White-Garland-Syndrom]]
|
* [[Fallot'sche Tetralogie]]
* [[Pulmonalatresie]]
* [[Double outlet ventricle]]
* [[Trikuspidalatresie]]
* [[Transposition der großen Gefäße]]
* [[Truncus arteriosus]]
* [[Univentrikulär]]es Herz
* [[Lungenvenenfehlmündung|Totale Lungenvenen­fehlmündung]] u.a.
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===Rechtsherzobstruktionen===
===Rechtsherzobstruktionen===
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===Links-Rechts-Shunt===
===Links-Rechts-Shunt===
Bei Herzvitien mit einem [[Links-Rechts-Shunt]] wird sauerstoffreiches Blut aus dem linken Ventrikel sauerstoffarmem Blut des rechten Ventrikels beigemischt. Vorausgesetzt der Shunt hat kein extremes Ausmaß, sind diese Vitien ''primär azyanotisch'', können jedoch bei Änderung der Druckverhältnisse im Rahmen einer [[Eisenmenger-Reaktion]] mit [[Shuntumkehr]] ''sekundär zyanotisch'' werden. Zu den Vitien mit primärem Links-Rechts-Shunt gehören:
Bei Herzvitien mit einem Links-Rechts-Shunt wird [[sauerstoff]]reiches [[Blut]] aus dem linken Ventrikel sauerstoffarmem Blut des rechten Ventrikels beigemischt. Vorausgesetzt der Shunt hat kein extremes Ausmaß, sind diese Vitien ''primär azyanotisch'', können jedoch bei Änderung der Druckverhältnisse im Rahmen einer [[Eisenmenger-Reaktion]] mit [[Shuntumkehr]] ''sekundär zyanotisch'' werden. Zu den Vitien mit primärem Links-Rechts-Shunt gehören:
*[[Persistierender Ductus Botalli|Persistierender Ductus arteriosus botalli]] (PDA)
* [[Persistierender Ductus arteriosus Botalli]] (PDA)
*[[Vorhofseptumdefekt]] (ASD)
*[[Vorhofseptumdefekt]] (ASD)
*[[Ventrikelseptumdefekt]] (VSD)
* [[Ventrikelseptumdefekt]] (VSD)
*[[Atrioventrikulärer Septumdefekt]] (AVSD)
*[[Atrioventrikulärer Septumdefekt]] (AVSD)
*[[Partielle Lungenvenenfehlmündung]] (PAPVR)
*[[Lungenvenenfehlmündung|Partielle Lungenvenenfehlmündung]] (PAPVR)


===Rechts-Links-Shunt===
===Rechts-Links-Shunt===
Im Rahmen eines [[Rechts-Links-Shunt]]s wird rechtsventrikuläres, sauerstoffarmes Blut dem linksventrikulären, sauerstoffreichen Blut beigemischt. Hierdurch entsteht eine ''zentrale primäre [[Zyanose]]''. Beispiele dafür sind:
Im Rahmen eines Rechts-Links-Shunts wird rechtsventrikuläres, sauerstoffarmes Blut dem linksventrikulären, sauerstoffreichen Blut beigemischt. Hierdurch entsteht eine ''zentrale primäre [[Zyanose]]''. Beispiele dafür sind:
*[[Fallot-Tetralogie]] (TOF)
*Fallot-Tetralogie (TOF)
*[[Pulmonalklappenatresie]] (PA)
*[[Pulmonalatresie|Pulmonalklappenatresie]] (PA)
**Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (PAVSD)
**Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (PAVSD)
**Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PAIVS)
**Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PAIVS)


===Herzfehler mit Gefäßfehlkonnektion===
===Herzfehler mit Gefäßfehlkonnektion===
*[[Transposition der großen Arterien]] (TGA)
*Transposition der großen Arterien (TGA)
*[[Double inlet ventricle]] (DIV)
*[[Double inlet ventricle]] (DIV)
*[[Totale Lungenvenenfehleinmündung]] (TAPVR)
*[[Totale Lungenvenenfehleinmündung]] (TAPVR)
*[[Truncus arteriosus communis]]
*[[Truncus arteriosus communis]]
===Zyanotische und azyanotischen Herzvitien===
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|-
! colspan="2" style="text-align:center" |'''Azyanotische Herzvitien'''
!'''Zyanotische Herzvitien'''
|- valign="top"
!Obstruktion an Klappen/Gefäßen
!Primärer Links-Rechts-Shunt
!Rechts-Links-Shunt
|- valign="top"
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*Pulmonalstenose
*Aortenklappenstenose
*Aortenisthmusstenose
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* Vorhofseptumdefekt
*Partielle Lungenvenen­fehlmündung
*Ventrikelseptum­defekt
*Atrioventrikulärer Septumdefekt
*[[Aortopulmonales Fenster]]
*Persistierender Ductus Arteriosus Botalli
* [[Bland-White-Garland-Syndrom]]
|
*Fallot'sche Tetralogie
*Pulmonalatresie
*[[Double outlet ventricle]]
*Trikuspidalatresie
*Transposition der großen Gefäße
*[[Truncus arteriosus]]
*[[Univentrikulär]]es Herz
*Totale Lungenvenen­fehlmündung u.a.
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==Therapie==
==Therapie==
Die Herzfehler werden meistens chirurgisch oder interventionell korrigiert. Eine Sonderstellung nimmt der persistierende Ductus arteriosus botalli ein, welcher auch [[Medikament|medikamentös]] verschlossen werden kann. In der [[Herzchirurgie|Chirurgie]] angeborener Vitien unterscheidet zwischen man [[palliativ]]en und [[kurativ]]en (korrigierenden) Eingriffen.
Die Herzfehler werden meistens [[chirurgisch]] oder [[interventionell]] korrigiert. Eine Sonderstellung nimmt der persistierende Ductus arteriosus botalli ein, der auch [[Medikament|medikamentös]] verschlossen werden kann. In der [[Herzchirurgie|Chirurgie]] angeborener Vitien unterscheidet zwischen man [[palliativ]]en und [[kurativ]]en (korrigierenden) Eingriffen.  
* '''Korrektur:''' operative Herstellung einer normalen Funktion, normalisierte Lebenserwartung, keine weiteren Maßnahmen erforderlich (v.a. bei ASD, PDA)
*'''Korrektur:''' operative Herstellung einer normalen Funktion, normalisierte [[Lebenserwartung]], keine weiteren Maßnahmen erforderlich (v.a. bei ASD, PDA)
* '''Fragliche Korrektur/Teilkorrektur:''' ggf. werden zukünftig weitere medizinische bzw. chirurgische Maßnahmen erforderlich (z.B. bei Aortenisthmusstenose, Transposition der großen Gefäße, Fallot'sche Tetralogie)
* '''Fragliche Korrektur/Teilkorrektur:''' ggf. werden zukünftig weitere medizinische bzw. chirurgische Maßnahmen erforderlich (z.B. bei Aortenisthmusstenose, Transposition der großen Gefäße, Fallot'sche Tetralogie)
* '''Palliativoperation:''' Aortopulmonale Shunts, Conduit-Implantation, Eingriffe bei Pulmonalatresie mit VSD und aortopulmonalen Kollateralen, [[Herz-Tx]], [[Herz-Lungen-Tx]] bzw. [[Lungentransplantation]]
*'''Palliativoperation:''' Aortopulmonale Shunts, [[Conduit]]-[[Implantation]], Eingriffe bei Pulmonalatresie mit VSD und aortopulmonalen Kollateralen, [[Herz-Tx]], [[Herz-Lungen-Tx]] bzw. [[Lungentransplantation]]


==Literatur==
==Literatur==
* Dr.med. Gerd Herold: Innere Medizin - Eine vorlesungsorientierte Darstellung II. Kardiologie, 2016
*Dr. med. Gerd Herold: Innere Medizin - Eine vorlesungsorientierte Darstellung II. Kardiologie, 2016
* Andreas Barankay (Hrsg.): Interdisziplinäre Versorgung angeborener Herzfehler (2002)
*Andreas Barankay (Hrsg.): Interdisziplinäre Versorgung angeborener Herzfehler (2002)


==Quellen==
==Quellen==
<references/>
<references />
[[Fachgebiet:Herzchirurgie]]
[[Fachgebiet:Herzchirurgie]]
[[Fachgebiet:Kardiologie]]
[[Fachgebiet:Kardiologie]]

Aktuelle Version vom 4. Mai 2024, 21:01 Uhr

Synonyme: Herzvitium, Vitium cordis, kongenitaler Herzfehler, angeborener Herzfehler (AHF)
Englisch: heart defect, congenital heart anomaly

Definition

Ein Herzfehler oder Herzvitium ist eine angeborene oder erworbene Fehlbildung des Herzens oder einzelner Herzstrukturen. Herzfehler können sowohl Myokard, als auch bindegewebige Elemente, wie z.B. die Herzklappen, betreffen.

Hintergrund

Der Begriff Herzfehler bezieht sich üblicherweise auf kongenitale Fehlbildungen, seltener auf degenerative oder traumatische Herzvitien. Um das zu verdeutlichen, spricht man auch von angeborenen Herzfehlern, kurz AHF.

Epidemiologie

Die Inzidenz kongenitaler Herzfehler insgesamt beträgt in Deutschland etwa 6.500 Fälle pro Jahr, was ca. 1 % aller Neugeborenen entspricht.[1] In Europa haben etwa 0,8 % der Neugeborenen einen AHF.[2] Herzfehler sind somit eine der häufigsten Organfehlbildungen bei Neugeborenen. Der Schweregrad reicht von einfachen (55 %) bis hin zu mittelschweren bis komplexen Formen von AHF (45 %).[3] Bei ca. 2 bis 3 von 1.000 Neugeborenen ist die Anomalie so schwerwiegend, dass sie schon im Neugeborenenalter symptomatisch auffällig wird und dadurch eine operative Intervention während des ersten Lebensjahres erforderlich wird. Eine Übersicht über die relative Häufigkeit der einzelnen Herzfehler gibt folgende Tabelle:

Herzfehler Inzidenz
Ventrikelseptumdefekt (VSD) 15 bis 30 %
Fallot'sche Tetralogie 10 bis 15 %
Vorhofseptumdefekt (ASD) 7 bis 10 %
Persistierender Ductus Botalli (PDA) 5 bis 10 %
Aortenisthmusstenose 6 %
Transposition der großen Arterien 6 %
Pulmonalstenose 6 %
Aortenstenose 4 %
Trikuspidalatresie 1 bis 2 %
Cor triatriatum 0,1 bis 0,4 %

Diese Häufigkeitsangaben beinhalten nicht die häufigen, aber im Kindesalter meist asymptomatischen Anomalien wie bikuspide Aortenklappe oder Mitralklappenprolaps.

Die Gesamtprävalenz von angeborenen Herzfehlern ist für Jungen und Mädchen in etwa gleich hoch. Man beobachtet jedoch einzelne Fehlbildungen, die eine Geschlechtspräferenz aufzeigen. Die Linksherzobstruktion und die Transposition der großen Gefäße sind häufiger bei Jungen anzutreffen. Der persistierende Ductus Botalli, Vorhofseptumdefekte und Pulmonalstenosen betreffen mehr Mädchen als Jungen.

Ätiologie

Die Ätiologie der Herzfehler ist bei etwa 80 bis 90 % der Fälle als multifaktoriell anzusehen. In 10 bis 15 % lassen sich chromosomale Aberrationen, in 3 bis 5 % monogene Erbstörungen als Ursache feststellen. Selten sind Herzfehler teratogen bedingt (1 bis 2 %).

Teratogen Risiko Häufigste Herzfehler
Röteln-Infektion 35 periphere Pulmonalarterienstenose, PDA, VSD, ASD
maternaler Diabetes mellitus 3 bis 5 konotrunkale Herzfehler
maternale PKU 25 bis 50 TOF
Lupus erythematodes der Mutter 20 bis 40 Reizleitungsstörung
Alkoholabusus der Mutter 25 bis 30 VSD, ASD
Retinoide 10 bis 20 konotrunkaler Herzfehler
Lithium - Ebstein-Anomalie

Epidemiologische Studien zeigen, dass das globale intrafamiliäre Wiederholungsrisiko isolierter Herzfehler bei 2 bis 5 % liegt. Das Wiederholungsrisiko verschiedener Herzfehler ist dabei recht unterschiedlich, Linksherzobstruktionen zeigen z.B. ein besonders hohes Wiederholungsrisiko auf: beim hypoplastischen Linksherzsyndrom (HLHS) liegt der Wert bei 8 %, bei der Aortenisthmusstenose über 6 %. Das Risiko, einen Herzfehler an die eigenen Kinder zu vererben, ist bei betroffenen Frauen mit beinahe 6 % fast doppelt so hoch wie bei betroffenen Männern.

Familiäre Konstellation: Empirisches Wiederholungsrisiko (%):
gesunde Eltern, 1 Kind betroffen 1 bis 3
Vater betroffen 2 bis 3
Mutter betroffen 5 bis 6
2 Kinder betroffen bzw. 1 Elternteil
und 1 Kind
10
mehr als 2 Verwandte 1. Grades
betroffen
50

Zur häufigsten numerischen Chromosomenanomalie mit Herzfehler wird die Trisomie 21 gezählt. Hier zeigen etwa 50 % der Betroffenen einen Herzfehler auf. So sind die sogenannten atrioventrikulären Fehlbildungen besonders häufig (und v.a. typisch). Liegt das Mikrodeletionssyndrom 22q11 vor, finden sich typischerweise konotrunkale Herzfehler (Anomalien des Herzbogens, Fallot-Tetralogie, Pulmonalatresie mit VSD, usw.). In diesem Falle ist ein DNA-Microarray oder auch eine gezielte FISH-Analyse sinnvoll.

Chromosomale Aberrationen

Monogene Erbstörungen

Einteilung

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, Herzfehler einzuteilen. Man unterscheidet unter anderem:

Rechtsherzobstruktionen

Rechtsherzobstruktionen führen je nach Obstruktionsausmaß zu einer Hypertrophie des rechten Herzens mit der Gefahr einer Dekompensation. Hierzu gehören

Linksherzobstruktionen

Durch Obstruktion der linksventrikulären Ausflußbahn kommt es zu einer erhöhten Belastung des linken Ventrikels mit fakultativer linksventrikulärer Hypertrophie. Eine Obstruktion des linken Herzens besteht bei

Links-Rechts-Shunt

Bei Herzvitien mit einem Links-Rechts-Shunt wird sauerstoffreiches Blut aus dem linken Ventrikel sauerstoffarmem Blut des rechten Ventrikels beigemischt. Vorausgesetzt der Shunt hat kein extremes Ausmaß, sind diese Vitien primär azyanotisch, können jedoch bei Änderung der Druckverhältnisse im Rahmen einer Eisenmenger-Reaktion mit Shuntumkehr sekundär zyanotisch werden. Zu den Vitien mit primärem Links-Rechts-Shunt gehören:

Rechts-Links-Shunt

Im Rahmen eines Rechts-Links-Shunts wird rechtsventrikuläres, sauerstoffarmes Blut dem linksventrikulären, sauerstoffreichen Blut beigemischt. Hierdurch entsteht eine zentrale primäre Zyanose. Beispiele dafür sind:

  • Fallot-Tetralogie (TOF)
  • Pulmonalklappenatresie (PA)
    • Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (PAVSD)
    • Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PAIVS)

Herzfehler mit Gefäßfehlkonnektion

Zyanotische und azyanotischen Herzvitien

Azyanotische Herzvitien Zyanotische Herzvitien
Obstruktion an Klappen/Gefäßen Primärer Links-Rechts-Shunt Rechts-Links-Shunt
  • Pulmonalstenose
  • Aortenklappenstenose
  • Aortenisthmusstenose

Therapie

Die Herzfehler werden meistens chirurgisch oder interventionell korrigiert. Eine Sonderstellung nimmt der persistierende Ductus arteriosus botalli ein, der auch medikamentös verschlossen werden kann. In der Chirurgie angeborener Vitien unterscheidet zwischen man palliativen und kurativen (korrigierenden) Eingriffen.

  • Korrektur: operative Herstellung einer normalen Funktion, normalisierte Lebenserwartung, keine weiteren Maßnahmen erforderlich (v.a. bei ASD, PDA)
  • Fragliche Korrektur/Teilkorrektur: ggf. werden zukünftig weitere medizinische bzw. chirurgische Maßnahmen erforderlich (z.B. bei Aortenisthmusstenose, Transposition der großen Gefäße, Fallot'sche Tetralogie)
  • Palliativoperation: Aortopulmonale Shunts, Conduit-Implantation, Eingriffe bei Pulmonalatresie mit VSD und aortopulmonalen Kollateralen, Herz-Tx, Herz-Lungen-Tx bzw. Lungentransplantation

Literatur

  • Dr. med. Gerd Herold: Innere Medizin - Eine vorlesungsorientierte Darstellung II. Kardiologie, 2016
  • Andreas Barankay (Hrsg.): Interdisziplinäre Versorgung angeborener Herzfehler (2002)

Quellen

  1. Meinertz, T. et al.: Deutscher Herzbericht 2016. 2016, Frankfurt: Deutsche Herzstiftung e.V.
  2. van der Linde, D., et al., Birth prevalence of congenital heart disease worldwide: a systematic review and meta-analysis. J Am Coll Cardiol, 2011. 58(21): p. 2241-7
  3. Neidenbach, R., et al., Striking Supply Gap in Adults with Congenital Heart Disease?. Dtsch Med Wochenschr, 2017. 142(4): p. 301-303.