Hypoplastisches Linksherzsyndrom
Synonyme: Linksherzhypoplasie-Syndrom, Hypoplastisches Linksherz-Syndrom
Definition
Unter dem hypoplastischen Linksherzsyndrom, kurz HLHS, versteht man eine Unterentwicklung (Hypoplasie) des linken Ventrikels, die mit weiteren Fehlbildungen des linken Herzens und der Aorta einhergeht. Der linke Ventrikel kann dabei kein adäquates Herzzeitvolumen gewährleisten. Zentrales Merkmal dieses Fehlbildungskomplexes ist eine vollständige Abhängigkeit vom Ductus arteriosus.
Epidemiologie
Das hypoplastische Linksherzsyndrom macht 2 bis 4 % aller angeborenen Herzfehler aus. Wenn Eltern bereits ein Kind mit einem hypoplastischen Linksherzsyndrom geboren haben, liegt das Wiederholungsrisiko bei zehn Prozent.
Anatomie
Im Rahmen des hypoplastischen Linksherzsyndroms kommt es in unterschiedlichen Ausprägungen zu folgenden Anomalien:
- Hypoplasie oder Aplasie des linken Ventrikels
- Hypoplasie des linken Vorhofs
- Hypoplasie der Aorta ascendes mit dem Aortenbogen, ggf. Aortenisthmusstenose
- Mitralklappenstenose oder Mitralklappenatresie
- Aortenklappenstenose oder Aortenatresie
- ggf. Endokardfibrose des linken Ventrikels
Pathophysiologie
Die Voraussetzungen für das Überleben von Neugeborenen mit einem hypoplastischen Linksherzsyndrom sind:
- eine Verbindung zwischen dem rechten und linken Vorhof (persistierendes Foramen ovale bzw. Vorhofseptumdefekt)
- ein persistierender Ductus arteriosus
Aufgrund der Linksherzhypoplasie fließt das aus der Lunge kommende oxygenierte Blut über die Öffnung im Vorhofseptum in das rechte Herz zurück (Links-Rechts-Shunt). Hier vermischt es sich mit dem venösen, sauerstoffarmen Blut aus dem Körperkreislauf. Vom rechten Herzen aus gelangt das Blut einerseits über die Pulmonalarterien in den Lungenkreislauf, andererseits über den offenen Ductus arteriosus in den Körperkreislauf. Somit übernimmt das rechte Herz zum Teil die Funktion des linken Herzen.
Liegt ein restriktives oder bereits geschlossenes Foramen ovale vor, kommt es zu einer hochgradigen pulmonalvenösen Stauung mit Lungenödem. Der Verschluss des Ductus arteriosus – und damit des einzigen Zugangs für das oxygenierte Blut in den Körperkreislauf – führt zu einem kardiogenen Schock.
Klinik
Ohne unmittelbare postnatale Therapie entwickeln betroffene Neugeborene aufgrund des physiologischen Verschlusses des Ductus arteriosus in den ersten zwei Lebenstagen einen kardiogenen Schock mit letalem Ausgang. Das Leitsymptom (v.a. bei einem restriktiven Foramen ovale) ist die blass-graue Farbe der Haut (Zyanose). Die Neugeborenen leiden unter Dyspnoe, Tachypnoe, Lethargie, Oligurie/Anurie und einer Hepatomegalie. Die Extremitäten sind kühl. Zudem sind Myokardinfarkte und ischämische Schlaganfälle möglich.
Nach Sauerstoffgabe verschlechtert sich der klinische Zustand, da der Gefäßwiderstand in der Lunge reduziert wird. Es fließt dadurch mehr Blut in die Lunge und nur ein kleinerer Anteil des Blutes gelangt in den Ductus arteriosus.
Diagnostik
In der körperlichen Untersuchung findet sich eine unzureichende periphere Durchblutung mit schwachen Pulsen und blasser Haut. Eine Hepatomegalie kann tastbar sein. In der Auskultation fällt ein lauter, einzelner 2. Herzton, oft mit Systolikum auf. In der Blutgasanalyse zeigt sich aufgrund der Minderdurchblutung von Organen und Skelettmuskulatur eine metabolische Azidose.
Die Diagnose eines hypoplastischen Linksherzsyndrom wird durch eine echokardiographische Untersuchung gestellt. Im Röntgen-Thorax findet man eine vermehrte Gefäßzeichnung mit Lungenödem. Im EKG sind ggf. Zeichen einer rechtsventrikulären Hypertrophie zu sehen.
Das hypoplastische Linksherzsyndrom kann bereits pränatal im Ultraschall diagnostiziert werden.
Therapie
Die betroffenen Säuglinge werden auf einer Intensivstation versorgt. Vor Einleitung der Therapie sollten die Eltern ausführlich beraten werden.
Medikamentöse Therapie
Unmittelbar postnatal erfolgt die intravenöse Gabe von Prostaglandinen, um den Ductus arteriosus offen zu halten.
Interventionelle Therapie
Fehlt die Verbindung zwischen den beiden Vorhöfen, erfolgt eine Herzkatheteruntersuchung, bei der zusätzlich zur Diagnostik eine Ballonatrioseptostomie nach Rashkind durchgeführt werden kann. Dabei wird das Vorhofseptum mittels Ballonkatheter punktiert und aufgeweitet, um einen Links-Rechts-Shunt zu erzeugen.
Operative Therapie
Die chirurgische Therapie besteht üblicherweise aus der dreistufigen Norwood-Operation:
- In einer ersten Operation wird eine Arteria pulmonalis mit der Aorta ascendens verbunden. Gleichzeitig wird die Aorta bis zum Isthmus aortae rekonstruiert. Die Implantation einer modifizierten Blalock-Taussig-Anastomose oder einem Sano-Shunt dient einer adäquaten pulmonalen Duchblutung.
- In einer zweiten Operation wird die Vena cava superior an die rechte Arteria pulmonalis angeschlossen, was als obere cavopulmonale Anastomose (CPA) bezeichnet wird.
- Eine dritte Operation führt zum Anschluss der Vena cava inferior an die Pulmonalarterien (totale cavopulmonale Anastomose).
Ziel der operativen Behandlung ist, dass das rechte Herz die Pumpleistung hinreichend übernehmen kann. Dies bezeichnet man als palliative Kreislauftrennung.
Die erste Stufe der Norwood-Operation muss wenn möglich in der ersten Lebenswoche bei einem bereits stabilisierten Patienten erfolgen. Als Alternative, insbesondere auch für Hochrisikopatienten, besteht die Möglichkeit einer Hybrid-Operation. Diese besteht aus einem sogenannten Pulmonalarterienbanding, wodurch die pulmonale Durchblutung gedrosselt wird, sowie aus der Anlage eines Stents in den Ductus arteriosus. Die Norwood-Operation erfolgt anschließend (mit etwa 3 bis 4 Monaten), unter Umständen sogar einzeitig.
Transplantation
Möglich ist ebenfalls eine Herztransplantation. Diese wird jedoch nur selten durchgeführt, da nur wenige Spenderorgane zur Verfügung stehen.
Prognose
Unbehandelt versterben 90 bis 95 % der betroffenen Kinder innerhalb von zehn Tagen nach der Geburt. Heute wird die Fehlbildung allerdings häufig schon pränatal diagnostiziert, sodass der Ductus arteriosus medikamentös offen gehalten werden kann.
Die weitere Prognose ist abhängig von den Operationsergebnissen.