Tagraxofusp
Handelsname: Elzonris®
Englisch: tagraxofusp
Definition
Tagraxofusp ist ein Fusionsprotein aus dem humanen Interleukin-3 (IL-3) und dem Diphtherietoxin, das als Arzneimittel bei der blastischen plasmazytoiden dendritischen Zellneoplasie angewendet wird.
Biochemie
Bei Tagraxofusp handelt es sich um ein rekombinant hergestelltes Fusionsprotein, bei dem die rezeptorbindende Domäne des Diphterietoxins durch IL-3 ersetzt ist. Das führt dazu, dass es selektiv an Zellen wirkt, die den IL-3-Rezeptor (CD123) exprimieren.
Wirkmechanismus
Tagraxofusp hat Eigenschaften der beiden Proteine, aus denen es sich zusammensetzt: Der IL-3-Teil des Arzneistoffes bindet an CD123, woraufhin das Molekül endozytiert wird. In der Zelle wird das Toxin freigesetzt, das den Elongationsfaktors 2 (eEF-2) und somit die Translation inhibiert. Durch die so ausgelöste irreversible Hemmung der Proteinbiosynthese geht die betroffene Zelle in die Apoptose über.
Das Medikament wirkt spezifisch bei der blastischen plasmazytoiden dendritischen Zellneoplasie, da die bei dieser Krankheit entarteten Zellen CD123 überexprimieren und somit besonders anfällig gegenüber Tagraxofusp sind.[1][2]
Pharmakokinetik
Die maximale Plasmakonzentration von Tagraxofusp beträgt ca. 162 μg/l. Der Wirkstoff weist ein Verteilungsvolumen von ca. 5,1 l auf.
Die pharmakokinetischen Parameter von Patienten, die eine Diphtherieimpfung erhalten haben, unterscheiden sich von denen ungeimpfter Patienten. Patienten mit bereits vorhandenen Antikörpern gegen das Diphterietoxin weisen eine höhere Clearance und niedrigere Plasmakonzentrationen auf, es liegen jedoch keine allgemeinen quantitativen Angaben für diese Patientengruppe vor. Auch ungeimpfte Patienten bilden im Laufe der Behandlung Antikörper gegen die Diphterietoxin-Komponente (Anti-Drug-Antikörper, ADA).
Tagraxofusp wird unspezifisch durch Proteasen abgebaut. Bei Patienten ohne Antikörper gegen das Diphtherietoxin beträgt die Plasmahalbwertszeit 0,7 Stunden.[1]
Indikation
Tagraxofusp wird im Rahmen der Erstlinientherapie der malignen hämatologischen Erkrankung "blastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie (BPCDN)" als Monotherapie eingesetzt.
Darreichungsform
Tagraxofusp liegt in Durchstechflaschen als Konzentrat mit 1 mg Wirkstoff pro ml zur Herstellung einer Infusionslösung vor. Der Arzneistoff wird intravenös verabreicht.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt 12 µg/kg Körpergewicht einmal täglich, verabreicht über 15 Minuten an den Tagen 1 bis 5 eines 21-tägigen Zyklus.
Die erste Applikation sollte unter stationären Bedingungen erfolgen. Um schwerwiegende Infusionsreaktionen zu vermeiden, ist eine Prämedikation mittels H1- und H2-Antihistaminikum, einem Kortikosteroid und Paracetamol dringend empfohlen.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Unter anderem sind folgende Nebenwirkungen des Wirkstoffes bekannt:[1]
- Kapillarlecksyndrom, das sich in Gewichtszunahme, Hypoalbuminämie und Hypotonie äußert. Diese Nebenwirkung ist potenziell tödlich.
- Überempfindlichkeitsreaktion: Giemen, Juckreiz, Angioödem
- Blutbildanomalien: Thrombozytopenie, (febrile) Neutropenie, Anämie
- Tumorlysesyndrom
- Zytokin-Freisetzungssyndrom
- Elektrolytverschiebungen, Hyperglykämie
- Hepatotoxizität mit Anstieg der Leberenzyme (ALT und AST)
- Akute Nierenschädigung
- Synkope, Kopfschmerz, Schwindel, verschwommenes Sehen
- Perikarderguss, Tachykardie, Sinustachykardie
- Hypoxie, Lungenödem, Dyspnoe
- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Mundtrockenheit, Stomatitis, Obstipation
- Hautausschlag
- Pyrexie, Schüttelfrost, Fatigue, Myalgie, Arthralgie
- Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfektion)
- psychiatrische Nebenwirkungen (Angst, Depressionen, Schlafstörungen)
Wechselwirkungen
Es wurden keine Studien zu Wechselwirkungen durchgeführt. Da Tagraxofusp durch Proteasen abgebaut wird, sind Wechselwirkungen über das Cytochrom P450-System nicht zu erwarten.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
Zulassung
Tagraxofusp führte in einer Studie mit dreizehn therapienaiven Patienten bei sieben Patienten zu einem Ansprechen. Der Arzneistoff wurde 2021 zugelassen und ist der erste Arzneistoff gegen BPDCN.[2]
Kosten
Die Kosten einer Erstlinienbehandlung mit Tagraxofusp bezogen auf ein Jahr liegen bei rund 700.000 € (Stand 2021).[3] 2022 hat der GKV-Spitzenverband mit dem Hersteller eine Vereinbarung nach § 130b SGB V getroffen, welche die Kosten einer Behandlung bei GKV-Patienten auf maximal 117.000 € pro Patient beschränkt. Dies entspricht den Kosten von 13 Milligramm Tagraxofusp pro Patient.[4]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Fachinformation Elzonris, Gelbe Liste online, abgerufen am 09.07.2021
- ↑ 2,0 2,1 Der Interleukin-3-Trick von Tagraxofusp, Pharmazeutische Zeitung online, abgerufen am 09.07.2021
- ↑ Tagraxofusp (plastische plasmazytoide dendritische Zellneoplasie), IQWiG-Berichte Nr. 1198, abgerufen am 28.4.2024
- ↑ Tagraxofusp. Anlage der Erstattungvereinbarung nach § 130b SGB V, abgerufen am 28.4.2024
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