Prolaktin
Synonyme: Prolactin, PRL
Englisch: prolactin
Definition
Prolaktin, kurz PRL, ist ein einkettiges Proteohormon, das in den laktotropen Zellen des Hypophysenvorderlappens (HVL) synthetisiert wird.
Biochemie
Humanes Prolaktin besteht aus 198 Aminosäuren. Die Aminosäurekette bildet drei Disulfidbrücken aus, welche die Tertiärstruktur des Proteins bestimmen. Es weist ein Molekulargewicht von rund 23.000 Dalton auf. Seine chemische Struktur ähnelt der des Somatotropins (STH) und des Plazentalaktogens (hPL).
Physiologie
Synthese
Prolaktin wird von den laktotropen Zellen des Hypophysenvorderlappen bereits ab der achten Schwangerschaftswoche synthetisiert.
Während der Schwangerschaft und in den ersten Monaten der Stillzeit kommt es aufgrund einer östrogeninduzierten Hyperplasie der laktotropen Zellen zu einer vermehrten Synthese.
Sekretion
Die Freisetzung von Prolaktin erfolgt pulsatil, wobei das Maximum während des REM-Schlafs auftritt. Die höchsten Serumspiegel finden sich zwischen 4 und 6 Uhr morgens. Die Plasmahalbwertszeit beträgt ca. 50 Minuten.
Die Sekretion von Prolaktin wird wahrscheinlich überwiegend negativ reguliert. Dopamin aus dem Hypothalamus hemmt die Prolaktinfreisetzung, indem es an D2-Rezeptoren der laktotropen Zellen bindet.
Ein hypothetisch notwendiges Prolaktin-Releasing-Hormon für die Steuerung der Freisetzung konnte bislang (2019) nicht nachgewiesen werden. TRH aus dem Hypothalamus führt nach intravenöser Injektion zur Freisetzung von Prolaktin. Die physiologische Bedeutung ist jedoch unklar. Weiterhin induziert VIP (vasoaktives intestinales Peptid) eine Prolaktinsekretion, während diese durch Glukokortikoide und Schilddrüsenhormone gehemmt wird.
Des Weiteren steigen die Prolaktinspiegel nach körperlicher Anstrengung, Mahlzeiten, Geschlechtsverkehr, kleinen chirurgischen Eingriffen, Vollnarkose, akutem Myokardinfarkt und anderen akuten Stresssituationen. Während der Schwangerschaft steigen die Prolaktinwerte stark an, um innerhalb von 2 Wochen nach Entbindung wieder abzusinken. Beim Stillen bleiben die basalen Spiegel zunächst erhöht, wobei der Saugreiz zu einer weiteren reflektorischen Erhöhung führt, die ca. 45 Minuten anhält (Milchbildungsreflex). Im Verlauf der Stillzeit nehmen jedoch sowohl die basalen Spiegel als auch die reflektorisch vermittelten Reaktionen ab.
Wirkmechanismus
Prolaktin ist neben Somatotropin das zweite Hormon der Adenohypophyse, das keine glandotrope Wirkung hat, d.h. es wirkt direkt auf das Zielgewebe ohne zwischengeschaltete endokrine Drüse.
Nach Bindung von Prolaktin an den Prolaktinrezeptor, der zur Familie der Typ-I-Zytokinrezeptoren gehört, kommt es zu dessen Dimerisierung und zur Aktivierung einer intrazellulären Signalkaskade. Diese umfasst u.a. Komponenten des JAK-STAT-Signalwegs, die im Zellkern als Transkriptionsfaktoren wirken.
Wirkung
Die Hauptwirkung von Prolaktin besteht in der Induktion und dem Erhalt der Milchproduktion der Brustdrüse (Laktation). Weiterhin vermindert es die Libido und die Reproduktionsfunktion durch Hemmung der GnRH- und Gonadotropin-Sekretion sowie durch Verminderung der Steroidsynthese. In den Ovarien blockiert es die Follikelentstehung und hemmt die Aromataseaktivität in den Granulosazellen, sodass es zu niedrigen Östrogenspiegeln und einem Ausfall der Ovulation kommt. Prolaktin hat außerdem einen luteolytischen Effekt, d.h. es erzeugt eine verkürzte oder inadäquate luteale Phase des Menstruationszyklus. Diese Effekte führt dazu, dass die Stillzeit nicht durch eine Schwangerschaft unterbrochen wird (Laktationsamenorrhoe).
Bei Männern führt Prolaktin zu einer verminderten LH-Sekretion mit niedrigeren Testosteronspiegeln und verminderter Spermatogenese. Die genaue physiologische Funktion von Prolaktin beim Mann ist noch (2021) nicht abschließend erforscht, scheint jedoch gering zu sein.
Da Prolaktin nach dem geschlechtlichen Orgasmus ausgeschüttet wird, scheint es zudem für die postkoitale Müdigkeit verantwortlich zu sein.
Pathologie
Hyperprolaktinämie
Einen erhöhten Prolaktinspiegel im Blut nennt man Hyperprolaktinämie. Die Folge kann eine Amenorrhoe und eine Infertilität durch eine sekundäre Ovarialinsuffizienz sein.
Eine Ursache für eine Hyperprolaktinämie ist ein endokrin-aktiver Tumor des Hypophysenvorderlappens, das sog. Prolaktinom. Häufiger ist eine Hyperprolaktinämie jedoch medikamenteninduziert. Ein typisches Beispiel hierfür ist das hochpotente Neuroleptikum Amisulprid. Dieser Wirkstoff kann zur Galaktorrhoe und bei Männern zu einer Gynäkomastie führen.
Da Dopamin physiologischerweise die Prolaktinsekretion hemmt, spiegeln Dopaminagonisten eine wichtige Rolle bei der Behandlung einer Hyperprolaktinämie.
Hypoprolaktinämie
Das Gegenteil der Hyperprolaktinämie ist ein erniedrigter Prolaktinspiegel im Blut. Er wird als Hypoprolaktinämie bezeichnet. Die häufgsten Ursachen einer Hypoprolaktinämie sind die Hypophysektomie und eine Überdosierung von Dopaminagonisten.
Labordiagnostik
Die Serumkonzentration von Prolaktin wird mittels Immunoassay gemessen. Dabei variieren die verschiedenen Assays je nach Hersteller hinsichtlich ihrer Kalibration und Spezifität sehr stark. Besonders die Miterfassung des inaktiven Makroprolaktins kann das Untersuchungsergebnis beeinflussen. Diese ist je nach verwendetem Assay unterschiedlich stark ausgeprägt. Darüber hinaus kann das Phänomen des High-Dose-Hook-Effektes auftreten, bei dem exzessiv hohe Serumkonzentrationen im Test als falsch niedrige Werte erkannt werden.
Material
Für die Bestimmung von Prolaktin wird 1 ml Blutserum benötigt.
Die Blutentnahme erfolgt im besten Fall vormittags, ca. vier Stunden nach dem Aufstehen. Folgende Medikamente sollten (falls vertretbar) in etwa eine Woche vor der Bestimmung abgesetzt werden:
Referenzwerte
Alter | weiblich | männlich |
---|---|---|
Ab dem 5. Lebenstag | 102 bis 496 µg/l | |
2 bis 12 Monate | 5,3 bis 63,3 µg/l | |
2 bis 3 Jahre | 4,4 bis 29,7 µg/l | |
4 bis 11 Jahre | 2,6 bis 21,0 µg/l | |
12 bis 13 Jahre | 2,5 bis 16,9 µg/l | 2,8 bis 24,9 µg/l |
14 bis 18 Jahre | 4,2 bis 39,0 µg/l | 2,8 bis 16,1 µg/l |
Erwachsene | 3,8 bis 23,2 µg/l | 3,0 bis 14,7 µg/l |
Menopause | bis 16,0 µg/l |
Schwangerschaft | ||
1. Trimenon | bis 75 µg/l | |
2. Trimenon | bis 150 µg/l | |
3. Trimenon | bis 300 µg/l |
Umrechnungsfaktor: μg/l x 24 = mlU/l
Allgemein von erhöhten Werten spricht man im Bereich von 25 bis 200 μg/l. Werte über 200 μg/l sind eindeutig pathologisch.
Die Werte sind methodenabhängig. Ausschlaggebend ist der vom Labor angegebene Referenzwert. Ein Teil der Methodenabhängigkeit beruht auf der unterschiedlichen Störempfindlichkeit der Assays durch Makroprolaktin.
Interpretation
Ein normales basales Prolaktin schließt eine Hyperprolaktinämie aus. Bei unklaren Befunden besteht die Möglichkeit, einen Prolaktin-Stimulationstest durchzuführen. Dessen Aussagekraft wird in der Literatur jedoch gering eingeschätzt, weshalb der Test heute (2022) nur noch selten angewendet wird. Werte über 250 µg/l sprechen für das Vorliegen eines Prolaktinoms. Bei Werten unter 200 µg/l sollte in weiterer Folge der Ausschluss einer medikamenteninduzierten Hyperprolaktinämie erfolgen.
Erhöhtes Prolaktin
Eine Erhöhung der Prolaktinkonzentration kann durch folgende Ursachen ausgelöst sein:
- Prolaktinom
- Mangel an Dopamin (Prolaktin-Inhibiting-Hormon)
- Medikamente:
- Dopaminantagonisten (z.B. Metoclopramid)
- östrogenhaltige Präparate (Ovulationshemmer, Substitutionspräparate)
- Antidepressiva
- Neuroleptika
- Antihypertensiva
- Antazida
- funktionelle Hyperprolaktinämie:
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Stress
- primäre Hyperthyreose
- schwere Niereninsuffizienz
- Bei Frauen eine Erhöhung männlicher Geschlechtshormone
- Makroprolaktin ohne hormonelle Wirkung
Erniedrigtes Prolaktin
Eine Erniedrigung der Prolaktinkonzentration kann durch folgende Ursachen ausgelöst sein:
- Hypophyseninsuffizienz
- Übertherapie mit Prolaktin-senkenden Medikamenten (Dopaminagonisten)
- Menopause
Quellen
- Laborlexikon.de, abgerufen am 29.04.2021
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