Portosystemischer Shunt (Katze)
Synonyme: PSS, Portosystemische Gefäßanomalie
Definition
Unter einem portosystemischen Shunt versteht man Gefäßfehlbildungen bei der Katze, bei denen es zur Shuntbildung zwischen dem Pfortadersystem und der Vena cava caudalis, unter teilweiser Umgehung der Leber, kommt.
Vorkommen
Jede Rasse kann erkranken, allerdings scheinen Europäisch Kurzhaar, Perser, Burmesen und Himalaya-Katzen häufiger betroffen zu sein.
Die meisten Fälle werden etwa mit 6 Monaten klinisch manifest, wobei es auch Verläufte gibt, bei denen Adulte erstmals klinische Zeichen zeigen. In äußerst seltenen Fällen wird ein kongenitaler Shunt auch erst mit 4 bis 5 Jahren diagnostiziert. Ein Großteil der betroffenen Katzen ist eher klein (< 3 kgKG).
Ätiologie
Bei der Katze handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle um angeborene (kongenitale) Veränderungen, die auf einer Entwicklungsstörung des embryonalen Gefäßsystems beruhen.
In sehr seltenen Fällen entstehen bei chronischen entzündlichen hepatobiliären Erkrankungen Kollateralgefäße aufgrund eines portalen Hochdrucks, sodass es zu einem sekundären und erworbenen Shunt kommt.
Formen
Abhängig von der Ätiopathogenese sowie von der Lokalisation der Shuntverbindungen unterscheidet man zwischen:
- intrahepatischen Shunts
- extrahepatischen Shunts
Extrahepatische portosystemische Gefäßanomalien sind die häufigsten Shuntformen (ca. 75 %) bei der Katze. In den meisten Fällen liegen hier Verbindungen von der linken Magenvene in die Vena cava caudalis vor. Deutlich seltener sind Gefäßanomalien zwischen der portalen Zirkulation und der Vena azygos sowie Verbindungen zum Colon, welche in die Vena cava caudalis münden.
Bei den intrahepatischen Shunts dominieren hingegen Verbindungen zwischen der linken Aufzweigung der Vena portae und der Vena cava caudalis (patenter Ductus venosus).
Pathogenese
Weist der portosystemische Shunt ein entsprechendes Volumen auf, kommt es, aufgrund der Umgehung der Leber, zu einer Degeneration und Atrophie der Leberzellen. In weiterer Folge reduziert sich makroskopisch die Größe die Leber.
Durch das direkte Einfließen von Pfortaderblut in den Körperkreislauf kommt es einerseits zu einer Unterversorgung der Leber mit trophischen Substanzen, andererseits zu einem direkten Übertritt von Toxinen aus dem Gastrointestinalsystem in den systemischen Kreislauf (v.a. in der postprandialen Phase). Abhängig vom Shuntvolumen ist das klinische Bild sehr unterschiedlich. Dies führt wiederum zu einer mehr oder weniger deutlich ausgeprägten hepatischen Enzephalopathie.
Klinik
Die klinischen Symptome hängen vom betroffenen Organsystem ab. Am häufigsten sind das ZNS, der Gastrointestinaltrakt und der Urogenitaltrakt betroffen.
Die Symptome können im Schweregrad stark variieren. Häufige Anzeichen einer hepatischen Enzephalopathie sind Ataxie, Stupor, Kreisbewegungen, Blindheit, Anfälle und Koma. In 50 % der Fälle treten diese Symptome besonders in der postprandialen Phase auf. Während Erbrechen und Durchfall vergleichsweise selten auftreten, zeigen Katzen v.a. starkes Speicheln, da die Speicheldrüsen zentral aktiviert werden.
Aufgrund einer verminderten hepatischen Harnstoffsynthese sowie einer erhöhten renalen Ammoniakexkretion bzw. einem verminderten Harnsäureabbau kommt es zur Aggregation von Ammoniumuraten. In weiterer Folge bilden sich Urolithen, die entweder zu obstruktiven Harnwegserkrankungen oder bakteriellen Harnwegsinfekten führen können. Andere Katzen wiederum leiden an Polyurie und Polydipsie. Während die Polydipsie zentral ausgelöst wird, ist die Polyurie durch eine verminderte renale medulläre Konzentrationsfähigkeit bedingt.
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der typischen Klinik, mittels gründlicher klinischer Untersuchung und mithilfe verschiedener Untersuchungsmethoden gestellt:
Labormedizin
- Mikrozytose ohne Anämie: relativer Eisenmangel aufgrund von Eisensequestration in Makrophagen
- Leberenzyme ggr. ↑: aufgrund von atrophischem Lebergewebe und durchlässiger Hepatozytenmembran
- Harnstoffkonzentration ↓: aufgrund einer verminderten Synthesekapazität
- Totalprotein ↓: aufgrund verminderter Albuminsynthese sowie vermindertem Globulingehalt
- Hypocholesterinämie: aufgrund verminderter Synthesekapazität und erhöhter Gallensäurekonzentrationen
- Ammoniak normal bis ↑: v.a. postprandial
- Gallensäurekonzentration ↑: v.a. präprandial (> 25 µmol/l)
- PT und aPTT ↑: in ca. 70 bis 80 % der Fälle
Bildgebende Verfahren
Im Röntgenbild lassen sich in seltenen Fällen eine Mikrohepatie sowie eine bilaterale Renomegalie darstellen. Ammoniumurate in der Harnblase können jedoch nur dann röntgenologisch dargestellt werden, wenn sie eine zusätzliche Schicht aus Kalziumsalzen enthalten.
Die definitive Diagnose eines makroskopischen Shunts wird entweder mittels Ultraschall oder mithilfe einer Kontrastmittel-CT (Goldstandard) gestellt. Die Ultraschalluntersuchung weist eine hohe Sensitivität und Spezifität (ca. 90 %) auf. Intrahepatische Shunts lassen sich dabei einfacher darstellen als extrahepatische Gefäßanomalien. Als wichtiger Parameter gilt der Quotient des maximalen luminalen Durchmessers der Vena portae, der in der transversalen Ebene auf Höhe der Porta hepatis gemessen wird, im Verhältnis zur Aorta (Pv/Ao).
Bei einer Kontrastmittel-gestützten CT lassen sich durch eine periphere Kontrastmittelgabe alle portalen tributären Gefäße und Abzweigungen beurteilen. Mithilfe einer Angiographie im 2-Phasen-CT kann so eine vollständige Beurteilung der portalen und hepatischen Vaskularisierung durchgeführt werden.
Therapie
Portosystemische Shunts müssen chirurgisch (portosystemische Shunt-Chirurgie) therapiert werden, da konservative Behandlungsmethoden komplikationsreich und nicht zufriedenstellend sind. Die Wahl der geeigneten Operationstechnik hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab (u.a. extra- vs. intrahepatische Shunts, Anzahl der Shunts etc.). Zur Verfügung stehen u.a.:
- Ameroid-Constrictoren
- Zellophanbänder (cellophan banding)
- Ligatur
- Lumenredukation (extra- vs. intravaskulär)
Präoperativ sollte den Katzen zur intra- sowie postoperativen Krampfprophylaxe Levetiracetam (20 mg/kgKG 3x täglich) verabreicht werden. Parallel dazu sind diätetische Maßnahmen (z.B. Proteinrestriktion) sowie die Bekämpfung der ammoniaklbildenden Darmflora (Antibiose) indiziert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7
- Fossum TW. 2007. Chirurgie der Kleintiere. 2. Auflage. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag. ISBN: 978-3-437-57091-9
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