Pigmentierte villonoduläre Synovialitis
Synonyme: Riesenzelltumor der Sehnenscheide, tenosynovialer Riesenzelltumor (TGCT), benignes Synovialom, noduläre Tenosynovitis, pigmentierte villonoduläre Bursitis; obsolet: synoviales Xanthom, synoviales Fibroendotheliom, synoviales Endotheliom, benignes fibröses Histiozytom, xanthomatöser Riesenzelltumor, Myeloplaxom, Riesenzellfibrohämangiom, Sarcoma fusigigantocellulare
Englisch: pigmented villonodular synovitis(PVS), benign synovioma, nodular tenosynovitis, tenosynovial giant cell tumor (TGCT), giant-cell tumor of the tendon sheath, giant-cell synovioma
Definition
Die pigmentierte villonoduläre Synovialitis, kurz PVNS, ist eine seltene benigne, proliferative Erkrankung der Synovialschleimhaut von Gelenken, Schleimbeuteln oder Sehnenscheiden.
Einteilung
Die Nomenklatur der pigmentierten villonodulären Synovialitis ist uneinheitlich und z.T. widersprüchlich. Die diffuse, intraartikuläre Form der pigmentierten villonodulären Synovialitis (PVNS im engeren Sinne) befällt in 80 % d.F. das Kniegelenk und seltener das Sprunggelenk, Hüftgelenk, Schultergelenk oder Ellenbogengelenk. Sie wird von einer lokalisierten, intraartikulären Form unterschieden, die als noduläre Synovialitis bezeichnet wird, und ebenfalls häufig das Kniegelenk betrifft. Da diese Erkrankung sich hinsichtlich Klinik, Bildgebung und Therapie deutlich unterscheidet, wird sie z.T. auch als eigenständiges Krankheitsbild angesehen.
Die artikulären Formen der PVNS werden von lokalisierten, extraartikulären Formen abgegrenzt. Diese werden als Riesenzelltumor der Sehnenscheiden (GCTTS) zusammengefasst, wobei man differenziert zwischen:
- Pigmentierter villonodulärer Tenosynovitis (PVNTS): Befall der Sehnenscheiden
- v.a. Handgelenk und Finger (65-89 %) palmar im Bereich der Fingerextensoren
- seltener Fuß und Sprunggelenk
- Pigmentierter villonodulärer Bursitis (PVNB): Befall eines Schleimbeutels
Die intraartikuläre PVNS und der Riesenzelltumor der Sehnenscheiden sind grundsätzlich pathohistologisch identische Erkrankungen, die sich hauptsächlich in ihrer Lokalisation unterscheiden. In diesem Artikel wird primär die diffuse, intraartikuläre Form besprochen.
Lokalisiert |
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Diffus |
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Epidemiologie
Die Inzidenz der PVNS wird auf 2-8 Fälle pro 1 Million Einwohner pro Jahr angegeben, jedoch geht man von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Erkrankung betrifft meist jüngere Patienten, häufig vor dem 40. Lebensjahr. Es besteht keine Geschlechterprädisposition. Fast immer ist nur eine Region bzw. ein Gelenk betroffen. Ein multifokales Auftreten ist in der Literatur beschrieben.
Ätiopathogenese
Die genaue Ursache der PVNS ist derzeit (2022) unklar. Früher wurde die PVNS als posttraumatischer oder entzündlicher Prozess angesehen, jedoch ist eine neoplastische Genese inzwischen wahrscheinlicher. Dabei spielen Chromosomenaberrationen und insbesondere die Gene CSF-1 auf Chromosom 1 (Genlokus 1p13) sowie COL6A3 auf Chromosom 2 (Genlokus 2q35) eine wichtige Rolle. Weiterhin kann z.T. eine KRAS-Mutation (p.G12D) identifiziert werden.
Das CSF-1-Gen kodiert für das Zytokin CSF-1, das an der Proliferation und Differenzierung von Monozyten und Makrophagen beteiligt ist. COL6A3 kodiert ein Alpha-3-Typ-VI-Kollagen. Vermutlich bedingt die Expression von CSF-1 sowie seines Rezeptors CSF1R eine autokrine und parakrine Stimulation und Proliferation von Makrophagen. Außerdem kann CSF-1 vermutlich andere Entzündungszellen rekrutieren, sodass proinflammatorische Zytokine freigesetzt werden. Anschließend führt beispielsweise Tumornekrosefaktor-α zur erhöhten Produktion von Matrixmetalloproteinasen (MMP), die Knorpel und Knochen zerstören.
Klinik
Die PVNS betrifft in ca 80 % d.F. das Kniegelenk. Die Patienten beklagen ein Fremdkörpergefühl sowie eine z.T. schmerzhafte Gelenkschwellung mit eingeschränkter Beweglichkeit. Am Kniegelenk wird häufig eine Meniskusläsion vorgetäuscht. Ohne Therapie führt die PVNS zu rezidivierenden Gelenkblutungen, Gelenkdestruktion und Arthrose.
Diagnose
Die Diagnose einer PVS beginnt mit einer gründlichen Anamnese und einer körperlichen Untersuchung. Anschließend sollte eine Magnetresonanztomographie (MRT) sowie eine Biopsie mit pathohistologischer Befundung durchgeführt werden.
Bildgebung
Die PVNS kann sich sowohl als fokale noduläre Masse als auch als diffuse Raumforderung mit viillonodulärer Proliferation der gesamten Synovialis präsentieren. Bei längerer Persistenz führt die Synovialitis zu erosiven Knochenveränderungen bis hin zu zystischen, partiell sklerosierenden Knochenläsionen. Eine PVNS kann eine erhöhte Aktivität im PET-CT zeigen.
Röntgen
Im Röntgenbild finden sich folgende unspezifische Zeichen:
- großer Gelenkerguss: bei wiederholten Blutungen ist ein Anstieg der Röntgendichte möglich
- normale Knochendichte
- Gelenkknorpel bleibt lange erhalten. Erst bei sekundären degenerativen Veränderungen (incl. Osteophytenbildung) kommt es zur Gelenkspaltverschmälerungen
- Erosionen (50 %)
- ggf. große, scharf umrandete subchondrale Zysten. Selten pathologische Fraktur.
- sehr spät kann es zu dystrophen Kalzifikationen kommen
- Bei Riesenzelltumor der Sehnenscheide kommen Druckerosionen des benachbarten Knochens in 15 % d.F. vor.
Da keine Differenzierung zwischen Synoviaproliferation und Erguss möglich ist und die PVNS in 30-50 % d.F. keine Auffälligkeiten im Röntgen zeigt, eignet sich diese Methode nicht zur Diagnostik.
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) finden sich ebenfalls nur unspezifische Zeichen, wie z.B.:
- große subchondrale Zysten
- großer Erguss
- Weichteilmasse: die hypertrophe Synovialis kann aufgrund von Hämosiderinablagerungen leicht hyperdens im Vergleich zum angrenzenden Muskel erscheinen.
- Kontrastmittel-Enhancement der Synovialis
- klar abgrenzbare Erosionen mit sklerotischen Rändern
Magnetresonanztomographie
Die MRT zeigt charakteristische, wenn auch nicht pathognomonische Hinweise auf eine PVNS:
- großer Erguss
- Erosionen: z.T. subtil
- Synoviale Raumforderung: solitärer Knoten oder multiple Noduli.
- Synovialis kann verdickt und nodulär konfiguriert sein
- kann das gesamte Gelenk betreffen und über Kapseldefekte in juxtaartikuläre Ligamente vordringen
- T1w: homogen überwiegend niedriges bis intermediäres Signal, selten einzelne hyperintense Foci durch lipidbeladene Makrophagen
- Flüssigkeitssensitive Sequenzen (T2-FS, PD-FS, STIR): variables, inhomogenes Signal je nach Gehalt an Fett, Bindegewebe, Blut und Ödem. In den meisten Fällen niedriges Signal.
- Gradientenecho-Sequenzen (GRE): Blooming-Artefakt durch Hämosiderin-Ablagerungen in den meisten Fällen.
- T1-FS nach Kontrastmittelgabe: moderates bis intensives, inhomogenes Enhancement. Für die Diagnose nicht notwendig.
Pathohistologie
Trotz des nahezu pathognomonischen Erscheinungsbild im MRT stellt die Biopsie und histologische Bestätigung den diagnostischen Goldstandard dar. Makroskopisch ist die Synovialis diffus verdickt und weist zahlreiche villöse und knotige Fortsätze auf. Ihre Farbe ist typischerweise dunkelbraun mit gelb verfärbten Bereichen.
Die PVNS weist ein infiltratives Muster auf. Die charakteristischen osteoklastischen Riesenzellen können in 20 % d.F. fehlen. Bei 10 % der Patienten finden sich blutgefüllte Räume. Zwei Arten von mononukleären Zellen kommen vor:
- kleine, runde oder spindelförmige histiozytenähnliche Zellen
- größere Zellen, die leicht mit Sarkomzellen verwechselt werden können.
Typisch sind ein sklerotisches Stroma und Hämosiderinablagerungen. Letztere finden sich insbesondere randständig in den Histiozyten ("Halo"). Teilweise kommen lipidbeladene (xanthomatöse) Histiozyten bzw. Schaumzellen vor.
Selten findet sich eine maligne Transformation mit Nekrosen und Kernatypien. Vermutlich handelt es sich in diesen Fällen jedoch um ein initial als PVNS fehldiagnostiziertes Sarkom (z.B. Klarzell- oder Fibrosarkom) mit hohen Rieselzellanteilen.
Differenzialdiagnosen
Folgende radiologische Differenzialdiagnosen sollten erwogen werden:
- intraartikuläre noduläre Synovitis
- wird teilweise als Variante der PVNS verstanden
- ebenfalls am häufigsten im Kniegelenk (v.a. im Hoffa-Fettkörper)
- MR-Signalintensität kann identisch sein
- noduläre Läsion, genau wie noduläre Form der PVNS
- meist weniger Hämosiderinablagerung und geringerer Gelenkerguss als PVNS
- Gicht:
- T1w: noduläre Läsion mit niedriger Signalintensität
- T2w: niedrige, inhomogene Sgnalintensität
- bei juxtaartikulärer Lokalisation ist Gicht wahrscheinlicher
- Amyloidarthropathie:
- ähnlich wie Gicht mit artikulärer und juxtaartikulärer Masse mit niedrigem Signal in T1w und T2w
- kein Blooming-Artefakt
- Grunderkrankung (z.B. dialysepflichtige Niereninsuffizienz)
- Hämophile Arthropathie:
- ebenfalls Erguss mit hypointenser synovialer Proliferation in T1w und T2w
- Enhancement der proliferierenden Synovialis
- ebenfalls Blooming-Artefakt in GRE sowie Erosionen des angrenzenden Knochens
- betrifft nur Männer
- übermäßiges Wachstum der Epiphysen und Metaphysen
- pathohistologisch weder Riesenzellen noch lipidhaltige Histiozyten
- Synoviale Chrondromatose:
- meist mehrere verknorpelte oder verknöcherte freie Gelenkkörper
- gelegentlich hypointenses Konglomerat, jedoch kein Blooming-Artefakt
- Synovialhämangiom:
- lobulierte intraartikuläre Masse
- in T1w mittlere Intensität, in T2w hyperintens mit hypointensen fibrösen Septen
- z.T. Flüssigkeit-Flüssigkeit-Spiegel
- deutliches Enhancement
- Synoviale Lipomatose:
- fetthaltige, gelappte intraartikuläre Masse mit Erguss und ohne Hämosiderin
- Synovialsarkom:
- in T1w: homogene oder heterogene Weichteilmasse mit iso- oder hypointensem Signal im Vergleich zum Muskel.
- in T2w überwiegend hyperintens. Multilobuläre Läsion, die durch mehrere Septen unterteilt ist und große zystische Herde bildet (Bowl of Grapes Sign). Blutungen führen zu Flüssigkeit-Flüssigkeit-Spiegeln. Heterogenes Signalverhalten durch Blutung, Nekrose, solide Anteile und Verkalkungen (Triple Sign).
- prominentes heterogenes Enhancement
- Lipoma arborescens
- Infektionen
- Hämarthros
Pathohistologisch kann die PVNS einem Rhabdomyosarkom, einem Synovialsarkom und einem Epitheloidsarkom ähneln.
Therapie
Die Standardtherapie bei der PVNS ist die offene Arthrotomie mit vollständiger Synovektomie. Wenn die PVNS das Kniegelenk betrifft, kann auch eine kombiniert offene und arthroskopische Technik erwogen werden. Angaben zur Rezidivrate schwanken zwischen 9 und 44 %. Entsprechend sind postoperative Nachsorgen mittels MRT empfohlen.
Zur alleinigen Therapie oder in Kombination kann grundsätzlich auch eine Strahlentherapie mit ca. 30 Gy erwogen werden.
Weiterhin kann in Einzelfällen eine postoperative Radiosynoviorthese mit Yttrium-90 sinnvoll sein. In der Regel wird sie 6 bis 8 Wochen nach der arthroskopischen Synovektomie durchgeführt. Dieser Eingriff kann dazu beitragen, das Risiko eines erneuten Auftretens der PVNS zu senken. Er ist grundsätzlich sicher, in seltenen Fällen kann es jedoch zu Gewebenekrosen oder Thrombosen kommen.[1] Daher sollte ein Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Auch hier sind engmaschige MRT-Kontrollen notwendig.
In schwerwiegenden Fällen kommen auch zielgerichtete Systemtherapien in Frage:
- Imatinib: Tyrosinkinasehemmer, der u.a. CSF1R blockiert.
- Spezifische CSF1R-Inhibitoren, z.B. Pexidartinib, Emactuzumab
Literatur
- Stephan SR et al. Pigmented Villonodular Synovitis: A Comprehensive Review and Proposed Treatment Algorithm, JBJS Rev. 2016 Jul 19;4(7), abgerufen am 27.02.2020
- Murphey MD et al. Pigmented Villonodular Synovitis: Radiologic-Pathologic Correlation, RadioGraphics, Vol. 28, No 5. 2008, abgerufen am 30.10.2021
- ↑ Kampen WU, Matis E, Czech N, Soti Z, Gratz S, Henze E. Serious complications after radiosynoviorthesis. Survey on frequency and treatment modalities. Nuklearmedizin. 2006;45(6):262-8. PMID: 17149495.
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