Adipositas
Synonyme: Fettleibigkeit, Fettsucht, Obesitas
Englisch: obesity, adipositas, adiposity
Definition
Adipositas ist definiert als übermäßige Vermehrung des Fettgewebes im Körper. In Abgrenzung zum Übergewicht spricht man von einer Adipositas ab einem Body Mass Index (BMI) von 30. Adipositas hat vielfältige Ursachen und geht mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko einher.
siehe auch: Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Krankheitswert
Epidemiologie
Basierend auf Selbstangaben zu Körpergewicht und Körpergröße, lag laut einer Studie des RKI die Prävalenz der Adipositas in Deutschland in den Jahren 2019 und 2020 bei rund 19 %, wobei keine geschlechterspezifischen Unterschiede vorlagen.[2] Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an und bleibt im Vergleich zu den vorangegangenen Erhebungen auf einem unverändert hohen Level.
Ätiologie
Adipositas ist eine multikausale Erkrankung. Wichtige Entstehungsfaktoren sind:
- genetische Ursachen, familiäre Disposition
- Lebensstil (z.B. Bewegungsmangel, Fehlernährung)
- Essstörungen
- Stress
- Schlafmangel
- depressive Erkrankungen
- endokrine Erkrankungen (z.B. Cushing-Syndrom, Leptin-Resistenz, Störungen in der Resistin- oder Adiponektin-Homöostase)
- Medikamente (z.B. Glukokortikoide, Neuroleptika, Antidiabetika)
- sonstige Ursachen (z.B. Immobilisierung, Schwangerschaft)
Einteilung
…nach BMI
Die WHO hat folgende Gewichtsklassifikationen bei Erwachsenen anhand des BMI definiert:[1]
Kategorie | BMI |
---|---|
Untergewicht | < 18,5 |
Normalgewicht | 18,5 bis 24,9 |
Übergewicht | ≥ 25 |
Präadipositas | 25 bis 29,9 |
Adipositas Grad I | 30 bis 34,9 |
Adipositas Grad II | 35 bis 39,9 |
Adipositas Grad III | ≥ 40 |
…nach Fettverteilungsmuster
Man unterscheidet zwei verschiedene Fettverteilungsmuster:
- Androide Adipositas: männliches Fettverteilungmuster mit Betonung des Abdomens, auch abdominale, zentrale oder viszerale Adipositas bzw. "Apfeltyp" genannt.
- Gynoide Adipositas: weibliches Fettverteilungmuster mit Betonung der Hüften, auch periphere oder gluteofemorale Adipositas bzw. "Birnentyp" genannt.
Bei der androiden Adipositas ist die Wahrscheinlichkeit von Folgeerkrankungen erhöht.
Sonderformen
Folge- und Begleiterkrankungen
Adipositas erhöht das Risiko für viele Folge- und Begleiterkrankungen. Die WHO hat hierbei drei Stufen definiert:[1]
- Risiko > 3-fach erhöht
- Risiko 2- bis 3-fach erhöht
- Risiko 1- bis 2-fach erhöht
Des Weiteren können folgende Erkrankungen im Zusammenhang mit Adipositas auftreten:
- chronische Entzündungen
- weitere kardiovaskuläre Erkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Schlaganfall, linksventrikuläre Hypertrophie)
- Demenz
- Erkrankungen des Urogenitaltraktes
- hormonelle Störungen
Zudem bestehen ein erhöhtes Operations- und Narkoserisiko sowie ein erhöhtes Unfallrisiko.
Trotz des Zusammenhangs mit vielen Komplikationen gibt es auch metabolisch gesunde Menschen mit Adipositas. Dies sind meist Frauen im Alter von 35 bis 40 Jahren. Es handelt sich hierbei allerdings nur um einen Übergangsphänotyp und mit steigendem Alter entwickeln die meisten Menschen mit Adipositas metabolische Erkrankungen.
Psychosoziale Aspekte
Adipositas ist oft mit einer negativen Stigmatisierung und Diskriminierung assoziiert und beeinträchtigt die Betroffenen somit in allen Lebensbereichen. Adipositas geht daher häufig mit Minderwertigkeitsgefühlen bis hin zu schwerwiegenden psychischen Störungen einher.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt durch Bestimmung des Körpergewichts und die Berechnung des BMI.
Neben der Fettmasse ist auch die Fettverteilung zur Beurteilung der Adipositas wichtig, da das Fettverteilungsmuster das metabolische und kardiovaskuläre Risiko bestimmt. Als einfaches Maß zur Beurteilung der Fettverteilung wird die viszerale Fettmasse durch Messung des Taillenumfangs bestimmt. Bei einem Taillenumfang von mehr als 88 cm (Frauen) bzw. 102 cm (Männer) liegt eine abdominale Adipositas vor und es besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für das Auftreten von Folgeerkrankungen.[3] Alternativ erfolgt die Zuordnung zum einen oder anderen Typ durch die Bestimmung des Taille-Hüft-Quotienten (THQ).
Therapie
Indikation
Indiziert ist eine Therapie bei Erfüllung folgender Kriterien:
- BMI ≥ 30 oder
- BMI zwischen 25 und 29,9 bei gleichzeitigem Vorliegen
- übergewichtsbedingter Gesundheitsstörungen (z.B. Hypertonie, Typ-2-Diabetes),
- einer abdominalen Adipositas,
- Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden oder
- einem hohen psychosozialen Leidensdruck.
Kontraindikationen für eine Therapie sind das Vorliegen von konsumierenden Erkrankungen oder einer Schwangerschaft.
Ziele
Ziel der Therapie ist die Gewichtsreduktion, dabei sollten realistische Ziele gesetzt werden. Innerhalb von 6 bis 12 Monaten sollte folgende Gewichtsabnahme angestrebt werden:
- bei einem BMI von 25 bis 35: > 5 % des Ausgangsgewichts
- bei einem BMI > 35: > 10 % des Ausgangsgewichts
Da eine hohe Rezidivneigung besteht, sollten auch geeignete Maßnahmen zur langfristigen Gewichtsstabilisierung im Mittelpunkt stehen.
Basisprogramm
Das Basisprogramm umfasst die drei folgenden Bestandteile:
- Ernährungstherapie: beinhaltet u.a. individualisierte Ernährungsempfehlungen und Ernährungsberatung
- Bewegungstherapie: Erhöhung des Energieverbrauchs
- Verhaltenstherapie: beinhaltet u.a. Selbstkontrolle
Möglich ist auch die Teilnahme an Gewichtsreduktionsprogrammen.
Pharmakotherapie
Arzneimittel zur Behandlung der Adipositas sollten nur in Kombination mit einem Basisprogramm verordnet werden. Über einen längeren Zeitraum sind sie nur bei nachweislichem Gewichtsverlust indiziert. Folgende Wirkstoffe sind zurzeit (2024) zugelassen:
Arzneistoffe | Wirkung | Gewichtsreduktion | Nebenwirkungen |
---|---|---|---|
Intestinale Lipasehemmer (Orlistat) | Hemmung der Fettverdauung im Magen und oberen Dünndarm bis maximal 30 % | ca. 2,9 % bei einer Einnahmedauer von über einem Jahr | Diarrhö, Steatorrhö, Meteorismus |
Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer in Kombination mit einem Opioid (Bupropion/Naltrexon) | bei Adipositas unklar | ca. 3 % bei einer Einnahme über 28 Wochen | Übelkeit, Obstipation, Schlaflosigkeit |
GLP-1-Rezeptoragonisten (z.B. Liraglutid, Semaglutid)
ab einem BMI > 30 oder einem BMI > 27 bei gleichzeitigem Vorliegen Adipositas-assoziierter Folgeerkrankungen |
Stimulation der Insulin-Freisetzung; Reduktion des Hungergefühls | ca. 5,4 % bei einer täglichen Dosis von 3 mg Liraglutid; ca. 12,6 % bei einer wöchentlichen Dosis von 2,4 mg Semaglutid | Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö |
Duale GIP- und GLP-1-Rezeptoragonisten (Tirzepatid) | Verzögerung der Magenentleerung; Stimulation der Insulin-Freisetzung; Senkung des Glucagonspiegels | Gewichtsreduktion: ca. 17 % | Übelkeit, Erbrechen, Obstipation/Diarrhö |
Triple-Hormon-Rezeptoragonisten (Retatrutid), die als Agonisten an GIP-, GLP-1- und Glucagon-Rezeptoren wirken, werden gegenwärtig (2024) klinisch getestet. Eine Gewichtsreduktion von bis zu 24,2 % konnte in einer Phase-2-Studie erreicht werden.[4]
Bariatrische Chirurgie
Die bariatrische Chirurgie umfasst restriktive, malabsorptive oder kombinierte Operationsverfahren. Sie ist indiziert bei Adipositas Grad III, Adipositas Grad II mit erheblichen Komorbiditäten oder in Sonderfällen auch bei Adipositas Grad I mit Typ-2-Diabetes. Kontraindikationen sind u.a. instabile psychopathologische Zustände, konsumierende und neoplastische Erkrankungen oder eine unbehandelte Bulimia nervosa.
Quiz
Bildquelle
- Bildquelle für Flexikon-Quiz: © Ann H/ Pexels
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Obesity: preventing and managing the global epidemic. Report of a WHO consultation WHO, 2000
- ↑ https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Uebergewicht_Adipositas/Uebergewicht_Adipositas_node.html, abgerufen 24.10.2023
- ↑ Lean et al. Waist circumference as a measure for indicating need for weight management BMJ 1995
- ↑ Jastreboff AM et al. Triple-Hormone-Receptor Agonist Retatrutide for Obesity - A Phase 2 Trial. N Engl J Med. 2023
Literatur
- Deutsche Adipositas Gesellschaft e.V., abgerufen am 24.02.2022
- AMWF S3 Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas, abgerufen am 24.02.2022
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