Tirzepatid
Handelsname: Mounjaro®
Englisch: tirzepatide
Definition
Tirzepatid ist ein Analogon des glukoseabhängigen insulinotropen Peptids (GIP). Es wirkt als dualer Agonist an GIP- und GLP-1-Rezeptoren und wird zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt.
Chemie
Tirzepatid ist ein lineares Polypeptid aus 39 Aminosäuren, dessen Pharmakokinetik durch Lipidierung modifiziert wurde.
Wirkmechanismus
Tirzepatid ahmt die Wirkungen von GIP nach. Es bindet an GIP- und GLP-1-Rezeptoren und senkt dadurch den Blutzuckerspiegel. Aufgrund seiner dualen Wirkung wird der Arzneistoff auch als "Twincretin" bezeichnet.[1][2]
Indikationen
Tirzepatid ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2 als Ergänzung zu Diät und Bewegung:
- als Monotherapie, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen nicht angezeigt ist
- zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes mellitus[1]
In Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und Bewegung kann Tirzepatid zur zusätzlichen Gewichtsreduktion bei Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2 oder ab einem BMI von 27 kg/m2 bei gewichtsbedingten Begleiterkrankungen eingesetzt werden.[3]
Im experimentellen Setting wird Tirzepatid ferner off-label zur Behandlung der NAFLD verwendet.
Darreichungsformen
Tirzepatid steht als Injektionslösung in Form von Fertigspritzen bzw. Fertigpens zur subkutanen Anwendung zur Verfügung. Die Injektion kann in das Subkutangewebe der Bauchdecke, des Oberschenkels oder des Oberarms erfolgen. Die Injektionsstellen sind nach dem Rotationsprinzip zu wechseln.
Dosierung
Die empfohlene Anfangsdosierung ist 2,5 mg einmal pro Woche. Nach 4 Wochen kann eine Dosissteigerung auf 5 mg einmal pro Woche erfolgen und kann weiter alle 4 Wochen um 2,5 mg bis höchstens 15 mg einmal pro Woche gesteigert werden.[1][4]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen von Tirzepatid sind:
In seltenen Fällen kann es während der Therapie zum Auftreten einer Pankreatitis kommen.
In den USA wurden Mitte 2023 Schadensersatzklagen gegen den Hersteller eingereicht, die sich auf die Auslösung einer Gastroparese durch Semaglutid beziehen.[5]
Aspirationsprophylaxe
Tirzepatid sollte vor elektiven Operationen oder anderen geplanten Eingriffen mit Narkose abgesetzt werden. Auf die letzte Dosis am Operationstag bzw. am Tag vor dem Eingriff sollte verzichtet werden. Patienten bei Notoperationen sind mit dem Narkoserisiko "voller Magen" einzustufen. Aufgrund der Verzögerung der Magenentleerung besteht ein Aspirationsrisiko, da sich noch Nahrungsreste im Magen befinden können. Die bei Adipositas gehäufte gastrointestinale Refluxerkrankung könnte das Risiko zusätzlich erhöhen. Klinische Daten liegen aktuell (2024) noch nicht vor.[6]
Wechselwirkungen
Tirzepatid verzögert die Magenentleerung und kann dadurch potentiell die Resorption gleichzeitig oral eingenommener Arzneimittel beeinträchtigen.
Kontraindikationen
Tirzepatid darf nicht eingesetzt werden bei:
- Medullärem Schilddrüsenkarzinom (MTC) oder multipler endokriner Neoplasie Typ 2 (MEN 2) in der Vorgeschichte oder Familienanamnese
- Überempfindlichkeit gegenüber Tirzepatid
Zulassung
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat Tirzepatid im Juli 2022 zur Zulassung empfohlen, was im September 2022 schließlich zur Zulassung in der EU führte. Im Mai 2022 wurde der Wirkstoff bereits von der FDA in den USA zugelassen.
Nutzenbewertung
Das zur Nutzenbewertung eingereichte Dossier zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 mit Tirzepatid wurde vom IQWiG abgelehnt. In den vorgelegten Studien seien keine patientenindividuellen Therapieziele, insbesondere in Bezug auf die HbA1c-Werte, festgelegt worden. Für die beanspruchten Indikationen wurde daher ein Zusatznutzen als nicht belegt angesehen.[7]
Eine gemeinsame Stellungnahme von mehreren medizinischen Fachgesellschaften schätzt dagegen die Ergebnisse der Studie SURPASS-4 und SURPASS-6 als "sehr gut beurteilbare und relevante Evidenz für eine Nutzenbewertung" ein. Tirzepatid wird in dieser Stellungnahme ein beträchtlicher Zusatznutzen bescheinigt und die Beurteilung durch das IQWiG als inakzeptabel kritisiert.[8][9]
Für Tirzepatid wurde die Indikation "Gewichtsregulierung" vom Gemeinsamen Bundesausschuss als Lifestyle-Arzneimittel in die Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie aufgenommen und ist damit für diese Indikation nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 mit Tirzepatid bleibt verordnungsfähig.[10]
ATC-Code
- A10BX16 - Alimentäres System und Stoffwechsel - Antidiabetika - Andere Antidiabetika, exkl. Insuline
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Mounjaro, EMA. Abgerufen am 18.06.2023
- ↑ El K et al. The incretin co-agonist tirzepatide requires GIPR for hormone secretion from human islets. Nat Metab. 2023
- ↑ Pharmazeutische Zeitung – Tirzepatid jetzt auch bei Adipositas zugelassen, abgerufen am 14.01.2024
- ↑ Jastreboff et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. N Engl J Med. 2022
- ↑ Financial Times: Lawsuit alleges blockbuster weight-loss drugs cause ‘stomach paralysis’ (Paywall) 2.8.2023, abgerufen am 3.8.2023
- ↑ Narkose: GLP1-Agonisten könnten Aspirationsrisiko erhöhen. Dtsch Ärzteblatt News 04.07.2023. Abgerufen am 04.07.2023
- ↑ A23-112 Tirzepatid (Diabetes mellitus Typ 2) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. IQWiG Stand 15.02.2024, abgerufen am 23.04.2024
- ↑ Gemeinsame Stellungnahme zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V von Tirzepatid (Diabetes mellitus Typ 2), März 2024, abgerufen am 23.04.2024
- ↑ Statement: Evidenzbasierte und wirtschaftliche Verordnung von GLP-1-und GLP-1/GIP- Rezeptoragonisten bei Typ-2-Diabetes. Deutsche Diabetes Gesellschaft 26.03.2024, abgerufen am 23.04.2024
- ↑ Arzneimittel-Richtlinie/Anlage II: Tirzepatid (Mounjaro®) und Ritlecitinib (Litfulo®). G-BA Beschluss 19.09.2024, abgerufen am 25.09.2024
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