Guanfacin
Handelsname: Intuniv®
Synonyme: N-(Diaminomethyliden)-2-(2,6-dichlorphenyl)acetamid, Guanfacinhydrochlorid
Englisch: guanfacine
Definition
Guanfacin ist ein zentral wirksamer Alpha-2- und TAAR1-Rezeptoragonist, der als Arzneistoff beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) eingesetzt wird.
Chemie
Guanfacin besitzt die Summenformel C9H9Cl2N3O und eine molare Masse von 246,09 g·mol-1. Bei Zimmertemperatur liegt die Substanz als Feststoff vor. Der Schmelzpunkt von Guanfacin wird mit 211 bis 215 °C angegeben. Arzneilich verwendet wird das Salz Guanfacinhydrochlorid, das als weißer, kristalliner Feststoff vorliegt und wenig löslich in Wasser ist.
Pharmakologie
Pharmakokinetik
Guanfacin besitzt eine orale Bioverfügbarkeit von circa 80 % und eine Plasmahalbwertszeit von 17 bis 18 Stunden. Die Substanz überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Die Elimination erfolgt weitestgehend renal. Der Abbau erfolgt als Substrat der Cytochrom P450-Enzyme CYP3A4 und CYP3A5.
Pharmakodynamik
Guanfacin ist ein selektiver Agonist am Alpha-2-Rezeptor (Subtyp: α2A-Rezeptor). Weiterhin wirkt die Substanz als Agonist am Imidazolin- und TAAR1-Rezeptor sowie an bestimmten Serotoninrezeptoren (5-HT2B-Rezeptor). Ursprünglich wurde Guanfacin als Antihypertensivum entwickelt. Durch eine verminderte Freisetzung von Noradrenalin und Interaktion mit zentralen Imidazolinrezeptoren bewirkt es eine Senkung des Blutdrucks. Efferente sympathische Impulse werden gehemmt. Im Tierversuch zeigt sich eine erhöhte Konzentration von cAMP im präfrontalen Cortex und ein verbessertes Kurzzeitgedächtnis. Die Wirksamkeit bei ADHS ist vermutlich auf die hohe Affinität am TAAR1-Rezeptor zurückzuführen, über den auch Amphetamine den Großteil ihrer pro-kognitiven Effekte bei Patienten mit ADHS entfalten.
Darreichungsform
Guanfacin steht in Form von Retardtabletten zur peroralen Applikation zur Verfügung.
Indikation
In der Europäischen Union ist Guanfacin seit 2015 zugelassen für die Therapie des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) bei Patienten im Alter zwischen 6 und 17 Jahren. In den USA besteht die Zulassung seit 2009, in der Schweiz seit 2017. Guanfacin wird als Mittel zweiter Wahl angesehen und wird angewandt, wenn eine Therapie mit zentralen Stimulanzien wie Methylphenidat nicht wirksam ist oder nicht durchgeführt werden kann. Die Pharmakotherapie des ADHS sollte generell im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie (z.B. einschließlich psychologischer Konzepte) erfolgen.
Nebenwirkungen
Mögliche unerwünschten Wirkungen sind unter anderem:
- Zentralnervös und psychisch:
- Kardiovaskuläres System:
- Bradykardie
- Tachykardie
- Sinusarrhythmie
- Hypotonie oder Hypertonie
- Vertigo
- Synkope
- Zunahme des QTc-Intervalls (hohe Dosen; klinische Relevanz unklar)
- Gastrointestinaltrakt:
- Abdominalschmerz (Oberbauch)
- Mundtrockenheit
- Erhöhte Alaninaminotransferase-Aktivität
Wechselwirkungen
Potentiell sind Wechselwirkungen unter anderem möglich mit folgenden Substanzen:
- Substrate, Induktoren und Inhibitoren von CYP3A4 und CYP3A5
- zentral wirksame Arzneistoffe
- Antihypertensiva
- Lisdexamfetamin
Mit folgenden Nahrungsmitteln können Wechselwirkungen auftreten:
- fettreiche Kost: verminderte Resorption von Guanfacin möglich, daher einen zeitlichen Abstand von circa 2 Stunden zur Einnahme einhalten
- Grapefruit: interagiert mit CYP3A4, beeinflusst somit die Biotransformation von Guanfacin
Toxikologie
Eine Überdosierung von Guanfacin kann zu einer Intoxikation führen. Symptome können initiale Hypertonie, Hypotonie, Bradykardie, Lethargie und Atemdepression sein. Betroffene sind zu überwachen. Ggf. kann eine Magenspülung durchgeführt werden. Zur Verminderung der Resorption kann Aktivkohle gegeben werden. Darüber hinaus erfolgt eine symptomatische Therapie.
Quellen
- ↑ Harrer-Haag JU, Voran A. Halluzinationen unter Guanfacin bei ADHS. Dtsch Ärzteblatt 2024 - Fallbericht
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