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Chylothorax

1. Definition

Der Chylothorax ist eine Sonderform des Pleuraergusses, bei dem es zur Ansammlung von Lymphe in der Pleurahöhle kommt.

2. Hintergrund

Die Lymphe aus der unteren Körperhälfte und dem Bauchraum sowie der intestinale Chylus fließen in die Cisterna chyli ab. Von dort aus verläuft der Ductus thoracicus zunächst auf der rechten, ungefähr ab dem 4. Brustwirbel auf der linken Seite prävertebral. Er beschreibt dann einen Bogen und mündet in den linken Venenwinkel. Variationen sind häufig und werden bei etwa einem Drittel der Bevölkerung beobachtet.[1]

3. Ätiologie

3.1. Iatrogene Ursachen

In ungefähr 25 bis 50% der Fälle ist ein Chylothorax iatrogen bedingt, wobei praktisch alle thorakalen Operationen als Ursache in Frage kommen. Auch nach zervikalen und abdominalen Operationen ist ein Chylothorax möglich, z.B. nach Ösophagusresektionen, Vitienoperationen, Lungenresektionen, Lymphknotendissektionen (incl. neck dissection) sowie Bypass-Operationen. Eine weitere iatrogene Ursache ist eine Verletzung der Lymphbahnen durch Anlage eines Venenkatheters oder Schrittmachers sowie als Folge einer Bestrahlung des Thorax.

3.2. Traumatische Ursachen

Weiterhin können akzidentelle Traumata zu einem Chylothorax führen, z.B.:

3.3. Nichttraumatische Ursachen

3.4. Andere Ursachen

Kongenitale Formen sind beschrieben, z.B. pleurale Ductusfistel, Atresie des Ductus thoracicus oder im Rahmen eines Geburtstraumas[2]

Assoziierte Syndrome sind Trisomie 21, Noonan- und Turner-Syndrom. In sechs Prozent der Fällen tritt ein Chylothorax idiopathisch auf.

4. Pathophysiologie

Bei Undichtigkeit oder Verletzung des Ductus thoracicus bzw. der größeren Lymphbahnen sammelt sich die austretende Lymphe lokal an und bricht dann in den Pleuraraum durch. Sie kann jedoch auch direkt durch vorhandene, zum Beispiel operativ bedingte, Pleuradefekte abfließen.

Selten entsteht ein Chylothorax durch einen transdiaphragmalen Fluss bei vorhandenem Chylaszites. Da der Ductus thoracicus täglich ungefähr 2 bis 4 Liter Lymphe transportiert, können sich schnell große Flüssigkeitsmengen ansammeln. Dabei ist die rechte Pleurahälfte häufiger betroffen.[3][4][5]

5. Epidemiologie

Ein Chylothorax wird am häufigsten nach Ösophagektomie (ungefähr 3% der Fälle) und kardiochirurgischen Eingriffen bei Kindern (bis 6% der Fälle) beobachtet.

6. Symptome

Während ein kleiner Chylothorax meist asymptomatisch ist, kann ein größerer oder schnell auftretender Chylothrax aufgrund der raumfordernden Wirkung zu Dyspnoe, Husten, Thoraxschmerzen und Hypovolämie führen. Der Chylus führt nicht zu einer entzündlichen Reizung, sodass weder pleuritische Schmerzen noch Fieber auftreten.

7. Diagnostik

Bei operierten Patienten muss bei ungeklärtem Pleuraerguss bzw. bei deutlichem Anstieg der Drainagemenge mit Aufnahme der normalen Ernährung immer an ein Chylothorax gedacht werden.

7.1. Bildgebung

Sonographisch manifestiert sich ein Chylothorax als unspezifische, meist einseitige pleurale Flüssigkeitsansammlung. Bei unklarer Lokalisation des Lymphlecks ist eine MRT hilfreich und nuklearmedizinischer Bildgebung überlegen. Eine Lymphographie als alleinige diagnostische Maßnahme ist heute (2019) kaum noch indiziert.

7.2. Labor

Die durch Pleurapunktion gewonnene Flüssigkeit ist bei etwa der Hälfte der Patienten milchig-trüb. Bei fehlender Nahrungsaufnahme (z.B. perioperativ, postoperativ, kongenital) wird wenig Chylus gebildet, sodass der Erguss serös erscheint. Bei einem posttraumatischem Chylothorax kann die Flüssigkeit blutig tingiert sein.

Die laborchemische Analyse des Punktats ist entscheidend für die Differenzialdiagnostik. Charakteristisch ist der Nachweis von Chylomikronen mittels Lipoproteinanalyse. Alternativ hilft die Bestimmung von Triglyzeriden und Cholesterin: Bei einem Triglyzeridgehalt über 110 mg/dl und einer Cholesterinkonzentration unter 200 mg/dl handelt es sich fast immer um einen Chylothorax. Umgekehrt schließt ein Triglyzeridgehalt unter 50 mg/dl einen Chylothorax fast aus.

Meist handelt es sich beim Chylothorax um ein Exsudat mit hohem Proteingehalt und niedriger Lactatdehydrogenase-Konzentration. In 25% der Fälle kann er auch transsudativ entstehen, insbesondere bei hepatischer oder kardialer Genese.

8. Differenzialdiagnose

Ein milchiger Pleuraerguss kann auch bei einem Pleuraempyem oder beim Pseudochylothorax auftreten. Bei letzterem beträgt die Cholesterinkonzentration im Punktat über 200 mg/dl und der Triglyzeridgehalt unter 110 mg/dl (meist unter 50 mg/dl), das heißt die Cholesterin-Triglyzerid-Ratio ist größer als 1. Ein Pleuraempyem zeigt sich mit höher LDH-Konzentration > 1.000 U/l, erniedrigtem Glukosegehalt < 60 mg/dl, erhöhter Leukozytenzahl und einem pH-Wert unter 7,2.

9. Spontanverlauf

Bei einem anhaltenden Chylusverlust gehen große Mengen an Fett und fettlöslichen Vitaminen, Eiweiß, Elektrolyten, Immunglobulinen und T-Lymphozyten verloren. Folglich entsteht eine Malnutrition, ein Gewichtsverlust und eine Störung des Immunsystems. Bereits nach wenigen Tagen haben die Patienten ein erhöhtes Risiko für eine Septikämie.

Ohne Therapie versterben ungefähr 50% der Patienten. Ein postoperativer Chylothorax verfünffacht die Rate der 30-Tage-Sterblichkeit.

10. Therapie

Neben der auslösenden Ursache entscheiden die Größe des Ergusses, die Grunderkrankung und die Komorbiditäten das weitere Vorgehen.

10.1. Konservative Therapie

Grundsätzlich wird initial immer versucht, einen Chylothorax konservativ zu versorgen. Je nach klinischen Begleitumständen variiert die Dauer des konservativen Versuchs. Bei Erwachsenen beträgt sie meist 7 bis 14 Tage. Die Erfolgsrate liegt zwischen 16 und über 75%. Bei einer Drainagemenge von über einem Liter pro Tag ist dieses Vorgehen jedoch wenig erfolgsversprechend.

Adäquater Flüssigkeits- und Elektrolytersatz sowie ausreichende Ernährung sind die Eckpfeiler der Therapie. Wiederholte Pleurapunktionen zur Entlastung sollte nur vorgenommen werden, wenn von einer kurzfristigen Behandlung der Grunderkrankung eine Besserung erwartet wird oder die Symptome nur seltene Punktionen erfordern. Ansonsten sollte eine kontinuierliche Drainage angelegt werden, um die Lungenfunktion zu verbessern. Dabei kann die Entfaltung der Lunge zur Leckabdichtung führen.

Um den Lymphstrom zu reduzieren, kann ergänzend eine Diät mit mittelkettigen Triglyzeriden (MCT) eingesetzt werden, welche nicht über die intestinalen Lymphgefäße, sondern direkt über das portalvenöse System aufgenommen werden. Insbesondere in postoperativen Situationen hat sich jedoch die komplette parenterale Ernährung etabliert.

Weiterhin kann Somatostatin bzw. Octreotid den Lymphfluss reduzieren. Jedoch sollte aufgrund der aktuell (2019) unklaren Datenlage die Therapie nur fortgesetzt werden, wenn sich die Drainageförderung innerhalb 48 Stunden nach Erstgabe halbiert.

10.2. Operative Therapie

Wenn ein konservativer Therapieversuch nicht zum Erfolg führt, kommen operative Therapien in Frage, die als offene Thorakotomie oder minimalinvasiv als Thorakoskopie durchgeführt werden. Sie können bei frühzeitigem Einsatz die Sterblichkeitsrate von 50% auf 10% senken. Eine Indikation besteht unter anderem, wenn mehr als 1.000 - 1.500 ml Chylus pro Tag drainiert wird, ein Leck über zwei Wochen persistiert, die Drainagemenge über 1 - 2 Wochen unverändert ist oder klinische Verschlechterungen auftreten. In postoperativen Situationen kann eine zu frühe Reoperation Anastomosen gefährden, sodass zum Beispiel nach Ösophagektomie zwei bis vier Wochen gewartet werden sollte.

Das Standardverfahren ist die Ductus-thoracicus-Ligatur, die insbesondere bei traumatischem Chylothorax etabliert ist. Intraoperativ wird das Leck zum Beispiel durch die Gabe von Sahne über eine Magensonde identifiziert. Die Ligatur ist in ungefähr 95 % der Fälle erfolgreich. Sonst, aber gegebenenfalls auch in Kombination, kann eine Pleurodese durchgeführt werden. Sie wird auch eingesetzt, wenn die Therapie eines Malignoms nicht zur ausreichenden Verbesserung des Chylothorax führt. Eine Pleurodese ist jedoch nur hilfreich, wenn sich die Lunge ausdehnen kann. Eine Pleurektomie kann bei erfolgloser Pleurodese aber erwarteter Lebenserwartung von über 6 Monaten erwogen werden. Als chirurgische Ultima ratio kommen die Anlage eines pleuraperitonealen Shunts oder die externe intermittierende Drainage über Kathetersysteme in Frage.

10.3. Interventionelle Therapie

Inzwischen gibt es in spezialisierten Zentren auch radiologisch-interventionelle Ansätze. Beim hepatischen Chylothorax kann ein transjugulärer intraheptischer portosystemischer Stent-Shunt (TIPS) dem Pfortaderdruck und damit den Lymphfluss vermindern. In einigen Fällen sistiert eine Chylusfistel bereits nach Lymphographie, wobei sich das Verfahren zur Therapie nicht etabliert hat. Eine direkte Verklebung des Lymphlecks durch CT-gesteuerte Injektion von Gewebekleber kann versucht werden.

Alternativ zur operativen Ductus-thoracicus-Ligatur kann eine Ductus-thoracicus-Embolisation durchgeführt werden: Zunächst werden die abdominalen Lymphgefäße lymphographisch dargestellt, ein geeignetes Lymphgefäß per Feinnadelpunktion und Führungsdraht sondiert, ein Mikrokatheter eingebracht und der Ductus thoracicus verschlossen. Aufgrund von anatomischen Varianten findet sich bei bis zu 30% der Patienten kein punktionsfähiges Lymphgefäß. Dann kommt eine perkutane Lymphbahnzerstörung in Frage, bei der die lymphographisch erkennbaren kleineren Lymphbahnen prävertebral mittels Punktionsnadel zerkratzt werden (needle disruption).

11. Literatur

12. Quellen

  1. Skandalakis JE et al. Anatomy of the lymphatics, Surg Oncol Clin N Am. 2007 Jan;16(1):1-16, abgerufen am 16.07.2019
  2. Rustico MA et al. Fetal pleural effusion, Prenat Diagn. 2007 Sep;27(9):793-9
  3. Rocha G et al Pleural effusions in the neonate, Acta Paediatr. 2006 Juli;95(7):791-798, abgerufen am 16.07.2019
  4. von Straaten HL et al. Chylothorax in the neonatal period, Eur. J. Pediatr. 1993 Jan;152(1):2-5, abgerufen am 16.07.2019
  5. Brodman RF Congenital chylothorax. Recommendations for treatment. N Y State J Med. 1975 März;75(4):553-557
Stichworte: Pleuraerguss

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