Chronische lymphatische Leukämie
Englisch: chronic lymphocytic leukemia
Definition
Die chronische lymphatische Leukämie, kurz CLL, ist ein Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) mit niedrigem Malignitätsgrad, das sich aus B-Zellen entwickelt. Die Krankheit zeichnet sich durch eine Vermehrung von immuninkompetenten (funktionslosen) Lymphozyten im Blutkreislauf, Knochenmark und Lymphsystem aus.
Nomenklatur
Die früher abgegrenzte chronische lymphatische Leukämie vom T-Zell-Typ ("T-CLL") wird heute nach der WHO-Klassifikation als T-Zell-Prolymphozytenleukämie (T-PLL) bezeichnet. Eine CLL ist damit immer eine B-CLL.
Im Gegensatz zu anderen B-NHL, die oft nur die lymphatischen Organe wie Milz und Lymphknoten befallen, kommt es im Verlauf der CLL zusätzlich zu einer starken Zunahme der entarteten Leukozyten im Blut, wie es für eine Leukämie charakteristisch ist.
Jedoch hat die aktuelle WHO-Klassifikation das kleinzellige lymphozytische Lymphom (SLL) mit der CLL zu einem Krankheitsspektrum zusammengefasst (Stand 2023). Im Gegensatz zur CLL akkumulieren bei der SLL die malignen Zellen insbesondere in den Lymphknoten.
Ätiologie
Es gibt bisher keine eindeutigen Hinweise darauf, dass die CLL durch eine infektiöse Ursache (z.B. Viren) hervorgerufen oder begünstigt werden kann. Vielmehr vermutet man, dass Chromosomentranslokationen Auslöser sind. Allerdings sind diese nicht auf eine bestimmte Translokation zu beschränken, sondern meistens sind mehrere solcher Veränderungen zu beobachten.
Weiterhin lassen sich unterschiedliche Chromosomendeletionen finden, welche in der Regel mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind:
- 17p13-Deletion: Hier liegt häufig eine Inaktivierung des TP53-Gens vor.
- 13q14-Deletion: Bei ca. 50% der Patienten lässt sich diese Mutation finden. Sie ist die häufigste bei der CLL.
- 11q23-Deletion: Eine Deletion 11q23 kommt bei ca. 5-20% der CLL-Patienten vor. Sie ist klinisch mit einer ausgeprägten Lymphadenopathie und einer schlechten Prognose verknüpft.
Epidemiologie
Die CLL ist die häufigste Leukämieform in Industrieländern, wobei Männer fast doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Die Krankheit tritt meistens im mittleren bis höheren Alter auf, wobei der Häufigkeitsgipfel zwischen dem 70. und 75. Lebensjahr liegt. Es gibt in Deutschland etwa 5 Fälle pro 100.000 Einwohner im Alter zwischen 40 und 50 Jahren und 30 Fälle pro 100.000 Einwohner im Alter zwischen 70 und 80 Jahren.
In Deutschland sterben jährlich etwa 1.000 Männer und 850 Frauen an einer CLL.
Risikofaktoren
Das Risiko, an einer CLL zu erkranken, wird durch genetische und erworbene Faktoren erhöht:
- Bei einem CLL-Fall in der Familie haben Verwandte ersten Grades ein etwa 8fach erhöhtes relatives Risiko für die Entstehung einer CLL und ein etwa 2fach erhöhtes Risiko für die Entstehung eines anderen Lymphoms. Da die Inzidenz der CLL gering ist, ist das absolute Erkrankungsrisiko jedoch nicht deutlich erhöht.
- Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln, z.B. Benzol
Einteilung
Die Stadieneinteilung der CLL kann nach zwei Prinzipien erfolgen, die verschiedene Parameter mit einbeziehen:[1] In Europa wird meist die Stadieneinteilung nach Binet der Einteilung nach Rai vorgezogen.
Stadieneinteilung nach Binet
Stadium | Lymphozytose | Befallene Regionen | Hämoglobin | Thrombozyten |
---|---|---|---|---|
A | ja | < 3 Regionen | ≥ 10 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
B | ja | ≥ 3 Regionen | ≥ 10 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
C | ja | irrelevant | < 10 g/dl oder | < 100 x 103/µl |
Stadieneinteilung nach Rai
Stadium | Lymphozytose | Lymphadenopathie | Hepatomegalie oder | Hämoglobin | Thrombozyten |
---|---|---|---|---|---|
0 | ja | nein | nein | ≥ 11 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
I | ja | ja | nein | ≥ 11 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
II | ja | irrelevant | ja | ≥ 11 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
III | ja | irrelevant | irrelevant | < 11 g/dl | ≥ 100 x 103/µl |
IV | ja | irrelevant | irrelevant | irrelevant | < 100 x 103/µl |
Symptomatik
Etwa 20% der Patienten sind asymptomatisch. Oftmals wird die Krankheit zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung diagnostiziert. Die Frühsymptome der Krankheit sind:
- Leistungsminderung
- B-Symptomatik (Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß)
- Lymphknotenschwellungen (bei 50% der Patienten erst später)
Symptome im weiteren Krankheitsverlauf:
- Jucken der Haut, Ekzeme, knotige Infiltrate und Papeln
- Herpesinfektion (zoster/simplex), Mykosen
- Splenomegalie
- Hepatomegalie mit portaler Lymphozyteninfiltration
- Parotisschwellung und Tränendrüsenbefall (Mikulicz-Syndrom)
- Autoimmunthrombozytopenie und autoimmunhämolytische Anämie (Evans-Syndrom)
Bei etwa 50% der Patienten besteht eine meist milde Anämie und deren Folgen.
Histopathologie
Diagnose
Der CLL geht meist ein klinisch asymptomatisches Vorstadium mit Vermehrung klonaler B-Zellen voraus, die man als monoklonale B-Lymphozytose (MBL) bezeichnet. Eine MBL kann bei mehr als 5% aller über 60jährigen nachgewiesen werden. Das Risiko einer malignen Transformation in eine symptomatische CLL beträgt etwa 1 % pro Jahr und ist von der Anzahl der monoklonalen B-Lymphozyten abhängig.
Im Differentialblutbild sind die Leukozyten in 98% der Fälle erhöht, allerdings erreichen sie meistens nicht ein so hohes Niveau wie bei der chronisch myeloischen Leukämie (CML). In einigen wenigen Fällen tritt auch eine verminderte Leukozytenzahl auf, jedoch ist die relative Lymphozytenzahl immer erhöht (meistens über 75% der Leukozyten).
Ein auffälliges Merkmal der CLL sind die sogenannten Gumprecht'schen Kernschatten, welche durch die Herstellung des Blutausstrichs zerstörte Lymphozyten darstellen. Diese zerfallen bei der CLL eher als normalerweise, weshalb besonders viele dieser Kernschatten im Mikroskop zu sehen sind.
Außerdem ist bei etwa der Hälfte der Patienten eine meist milde Anämie zu erkennen. Beim Vorliegen einer Anämie sollte deshalb immer die Ursache geklärt und nicht nur symptomatisch behandelt werden.
In der Bildgebung fallen z.B. eine Hepatosplenomegalie und ggf. eine Lymphadenopathie auf.
Therapie
Bei einem frühen Stadium der Krankheit (Binet-Stadium A oder B, Rai-Stadium 0, I oder II) wird in der Regel noch nicht therapiert, sondern der Verlauf zunächst engmaschig beobachtet ("watch and wait"). Nach derzeitigem Erkenntnisstand geht ein frühzeitiger Therapiebeginn weder mit einem längeren Überleben noch mit einem günstigeren Krankheitsverlauf einher. Als unterstützende Maßnahmen kommen Behandlungen z.B. mit Antibiotika, Antimykotika, Immunglobulinen oder Thrombozytenkonzentraten in Frage.
Bestehen bereits Lymphknotenschwellungen, wird beim Auftritt von Komplikationen (wie z.B. einer Anämie) mit einer Kombination aus Chemotherapeutika und monoklonalen Antikörpern (z.B. Rituximab) behandelt. Therapieschemata, die zur Behandlung der CLL eingesetzt werden sind z.B.:
Demgegenüber stehen ältere, "reine" Chemotherapieschemata wie das CHOP-Schema. Im Rahmen klinischer Studien werden darüber hinaus so genannte "small molecules" wie Ibrutinib oder Idelalisib eingesetzt.
Bei größeren Lymphomen erhält der Patient zusätzlich eine Strahlentherapie.
Die CLL ist mit den derzeitigen Therapiekonzepten noch nicht heilbar, jedoch kann bei den meisten Patienten eine Symptombesserung und ein Überleben für viele Jahre erreicht werden. In wissenschaftlichen Studien wird derzeit überprüft, ob eine Stammzelltransplantation in Einzelfällen zur Heilung führen kann.
siehe auch: Richter-Transformation
Prognose
Quiz
Bildquelle
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Quellen
- ↑ Kompetenznetz Maligne Lymphome CLL Einteilung
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