Akutes Leberversagen
Synonym: akute Leberinsuffizienz
Englisch: acute liver failure
Definition
Das akute Leberversagen, kurz ALV, ist eine schwere und plötzlich auftretende Form der Leberinsuffizienz, die ohne Therapie mit einer hohen Letalität assoziiert ist.
Hintergrund
Eine allgemein gültige Definition des ALV steht bislang (2019) aus. Als wichtiges Unterscheidungsmerkmal gilt jedoch der plötzliche Verlust der Leberfunktion ohne vorbestehende Lebererkrankung.[1] Nach anderen Definitionen gilt zusätzlich das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie innerhalb von 8 Wochen nach den ersten Symptomen als Merkmal des ALV.[2]
Nach einer 1993 vorgeschlagenen Einteilung lässt sich das ALV nach seinem Verlauf unterteilen in:[3]
- Hyperakutes bzw. fulminantes Leberversagen: Entwickelt sich innerhalb von 8 Tagen
- Akutes Leberversagen: Entwickelt sich innerhalb von 8 bis 28 Tagen
- Subakutes Leberversagen: Verlauf über 4 bis 12 Wochen
Ursachen
- Virusinfektionen
- v.a. Hepatitis B (ggf. mit Hepatitis-D-Koinfektion)
- Hepatitis E insbesondere in der Schwangerschaft
- selten Hepatitis A
- hämorrhagisches Fieber induzierende Viren (z.B. Ebolavirus, Gelbfiebervirus)
- weitere Viren: CMV, EBV, VZV, HSV, HHV-6, Parvovirus B19
- Aufnahme hepatotoxischer Substanzen:
- v.a. Paracetamol
- seltener: Ecstasy, Halothan, Eisenverbindungen, Isoniazid, Amanita phalloides
- Vaskuläre Ursachen:
- Budd-Chiari-Syndrom (Lebervenenthrombose)
- ischämische Hepatitis
- Pfortaderthrombose
- venöse okklusive Leberkrankheit
- metabolische Ursachen;
- andere Ursachen:
Klinik
Charakteristische Symptome sind ein veränderter mentaler Zustand, Blutungen bzw. Purpura, Ikterus und Aszites. Typisch ist weiterhin ein Foetor hepaticus (muffig-süßer Atemgeruch).
Im Rahmen eines ALV kann es schließlich zu einem Multiorganversagen kommen:
- Leber: Hyperbilirubinämie mit Ikterus, erhöhte Transaminasen, verminderte Synthese von Gerinnungsfaktoren mit Koagulopathie
- Herz-Kreislauf: Reduktion des peripheren arteriellen Widerstands und des Blutdrucks, Tachykardie, erhöhtes Herzzeitvolumen
- Gehirn: Portosystemische Enzephalopathie und Hirnödem mit Hyperammonämie
- Niere: Hepatorenales Syndrom mit akutem Nierenversagen mit reduzierter Natriumkonzentration im Urin und verminderter fraktionellen Natriumausscheidung.
- Immunsystem: Mangel an Komplementfaktoren, Dysfunktion der Leukozyten, gehäufte Atem- und Harnwegsinfektionen bis hin zur Sepsis
- Stoffwechsel: metabolische und/oder respiratorische Alkalose, im Schock ggf. metabolische Azidose, häufig Hypokaliämie, Hypophosphatämie und Hypomagnesiämie, ggf. Hypoglykämie
- Pulmonal: nicht-kardiales Lungenödem
Diagnose
Der Verdacht auf ein ALV ergibt sich bei Patienten mit Ikterus, unerklärlichen Blutungen oder Veränderungen des mentalen Status mit erhöhten Transaminasen und Bilirubin sowie verlängerter Thromboplastinzeit. Die Identifizierung der Ursache (z.B. Medikamentenanamnese, Vorerkrankungen, serologische Tests auf Hepatitisviren) ist entscheidend.
Therapie
Falls möglich, sollten Patienten intensivmedizinisch behandelt und die Möglichkeit einer Lebertransplantation geprüft werden. Neben einer kausalen Therapie kommen symptomatische Maßnahmen zur Anwendung (z.B. intravenöse Volumensubstitution, antibiotische Therapie).
Bei Paracetamol-Intoxikation kann N-Acetylcystein erwogen werden.
Quellen
- ↑ Canbay, Ali et al.: Akutes Leberversagen Ein lebensbedrohliches Krankheitsbild Dtsch Arztebl Int 2011; 108(42): 714-20; DOI: 10.3238/arztebl.2011.0714
- ↑ Trey C, Davidson CS: The management of fulminant hepatic failure. Prog Liver Dis 1970;3:282-298
- ↑ O'Grady JG, Schalm SW, Williams R: "Acute liver failure: redefining the syndromes". Lancet. 342 (8866): 273–5 (1993) doi:10.1016/0140-6736(93)91818-7 PMID 8101303
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