Septische Hufgelenkentzündung (Pferd)
Synonyme: Septische Arthritis des Hufgelenks, Podarthritis infectiosa
Definition
Als septische Hufgelenkentzündung bzw. Podarthritis infectiosa bezeichnet man eine bakterielle Infektion des Hufgelenks (septische Arthritis) beim Pferd.
Ätiologie
Das Hufgelenk infiziert sich entweder durch eine perforierende Wunde (z.B. Nageltritt), durch das Übergreifen einer Infektion umgebender Strukturen (z.B. bei Pododermatitis purulenta profunda) oder hämatogen (z.B. beim Fohlen).
Infektionen können auch iatrogen während operativen Eingriffen (0,5 bis 1 %) oder infolge von intraartikulären Injektionen (< 0,1 %) entstehen.
Pathogenese
Unabhängig von der Ursache gelangen Bakterien in die Gelenkhöhle und verursachen eine Entzündungsreaktion. Dadurch wird die Synovialmembran und das subchondrale Knochengewebe weniger durchblutet, sodass eine Besiedelung mit Bakterien erleichtert wird. Durch die rasante Vermehrung der Erreger wird die Entzündung verstärkt; es kommt zur Vasodilatation, zur Chemotaxis von Leukozyten und zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren.
Durch die Infektion werden weitere Entzündungszellen in das Gelenk eingeschwemmt, die lysosomale Enzyme sezernieren und Metalloproteasen sowie andere Proteinasen (z.B. Kollagenase, Gelatinase, Stromelysin, Plasmin u.ä.) aktivieren. Durch die Proteinasen bzw. den septischen Prozess wird die Knorpeloberfläche angegriffen, sodass diese letztendlich zerstört wird und die Infektion auf das darunter liegende Knochengewebe übergreifen kann (Osteitis des Hufbeins). Der Knorpelverlust und die damit einhergehenden falschen Belastungen führen zu arthrotischen Veränderungen im Hufgelenk.
Im Rahmen der Infektion bilden sich innerhalb des Gelenks Fibrinklumpen, die Bakterien enthalten und sich so einer antibiotischen Therapie entziehen können.
Klinik
Bei traumatisch bedingten Hufgelenkentzündungen zeigen betroffene Tiere eine plötzlich eintretende Lahmheit (Stützbeinlahmheit Grad 3-4/5). Die Hauptmittelfußarterie pulsiert stark und eine koronäre oder subkoronäre Phlegmone ist ausgebildet. Im Anfangsstadium überwiegen die orthopädischen Symptome (Lahmheit, Entlastung im Stehen, Unwilligkeit beim Vorwärtstreiben u.ä.). Später entwickeln sich jedoch aufgrund der aufkommenden Septikämie rasch systemische Krankheitszeichen (z.B. Fieber, Inappetenz, gestörtes Allgemeinbefinden u.ä.).
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose wird im Rahmen der orthopädischen Untersuchung gestellt. Das Hufgelenk muss punktiert (Hufgelenkpunktion) und die gewonnene Synovia sowohl zytologisch als auch bakteriologisch Untersucht werden. Bis zur labordiagnostischen Auswertung der Proben kann bei der Punktion ein Lokalanästhetikum (z.B. Mepivacain) in das Gelenk injiziert werden (diagnostische Anästhesie). Bessert sich die Lahmheit, kann eindeutig das Hufgelenk als Lahmheitsursache identifiziert werden.
Um Differenzialdiagnosen ausschließen zu können, sind röntgenologische Untersuchungen der distalen Zehenregion in unterschiedlichen Ebenen durchzuführen.
Zytologie
Anhand folgender Kriterien kann die gewonnene Synovialflüssigkeit beurteilt werden:
Parameter | Physiologisch | Milde Synovitis | Arthrose | Septische Arthritis |
---|---|---|---|---|
Leukozyten (/µl) |
50-500 | 20-250 | ≤ 1 x 103 | 20-200 x 103 |
Neutrophile (%) | < 10 | < 10 | < 15 | > 90 |
Mononukleäre (%) |
> 90 | > 90 | > 85 | < 10 |
Totalprotein (g/dl) |
0,8-2,5 | 0,8-3 | 0,8-3,5 | ≥ 4,0 |
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnosen sind z.B.:
- Hufbeinfraktur
- Podotrochlose
- Nageltritt
- Pododermatitis purulenta superficialis
- Hufgelenkarthrose
Therapie
Perforierende Verletzungen müssen chirurgisch von der Sohle ausgehend versorgt werden (z.B. Hornlücken-Operation). Gleichzeitig ist das Gelenk intensiv mit steriler Lösung zu spülen (entweder im Stehen oder arthroskopisch). Anschließend wird intraartikulär ein gelenkgeeignetes Antibiotikum (z.B. Amikacin oder Gentamicin) injiziert. Parallel dazu sind betroffene Tiere systemisch bis zum Vorliegen des Antibiogramms mit einem Breitbandantibiotikum (z.B. Penicillin 30.000 I.E./kgKG QID in Kombination mit Gentamicin 6,6 mg/kgKG SID i.v.) zu behandeln. Anschließend wird die distale Gliedmaße mit einem stabilen Verband gestützt.
Das Pferd muss engmaschig überwacht werden (Vitalparameter, Körpertemperatur u.ä.). Die regelmäßige Messung des Serumamyloid A (SAA) im venösen Blut (im 2-Tages-Abstand) gibt Hinweise auf den Verlauf der Infektion. Abhängig von den Befunden und der Klinik kann eine mehrmalige arthroskopische Spülung des Gelenks notwendig sein. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit sind auch entsprechende Analgetika und Antiphlogistika zu verabreichen (z.B. Flunixin 1,1 mg/kgKG SID i.v.).
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Die Prognose hängt stark von der Dauer der Infektion und den Erregern ab. Je früher eine adäquate Therapie eingeleitet wird, desto besser ist die Prognose. Schnelle und intensive Therapien haben eine vorsichtige bis gute Prognose. Leidet das Tier bereits an einer hochgradigen Infektion in Kombination mit einer Septikämie ist die Prognose bzgl. einer funktionellen Wiederherstellung vorsichtig bis ungünstig oder schlecht.
Literatur
- Baxter GM. 2011. Adams and Stashak's Lameness In Horses. Sixth edition. Wiley-Blackwell Publishing, Ltd. ISBN: 978-0-8138-1549-7/2011.
- Auer JA, Stick JA, Kümmerle JM, Prange TP. 2019. Equine Suergery. Fifth edition. Elsevier, Inc. ISBN: 978-0-323-48420-6
- Brehm W, Burk J, Delling U, Hagen J, Köhler M, Litzke LF, Nowak M, Rijkenhuizen A, Schusser GF, Tietje S, Troillet A. Krankheiten des Bewegungsapparats. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 849-1148. ISBN: 978-3-13-219621-6
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