Rotlauf (Geflügel)
Synonyme: Erysipelas, Erysipelothrix-rhusiopathiae-Infektion
Definition
Rotlauf ist eine häufig septikämische und perakut bis akut verlaufende Infektionskrankheit beim Geflügel, die meist Puten betrifft und seltener bei Hühnern, Enten und Gänsen auftritt.
Ätiologie
Erysipelothrix rhusiopathiae ist ein grampositives, gerades bis leicht gebogenes und schlankes Stäbchenbakterium, das 0,2 bis 0,4 x 0,8 bis 2,5 µm groß ist. Als aerob sowie fakultativ anaerobes Bakterium liegt es in Kolonien in langen Ketten vor und bildet bis zu 60 µm lange Filamente. Es können derzeit (2021) 26 Serovare unterschieden werden. Über die Virulenzfaktoren ist bislang jedoch nur wenig bekannt. Als direkte Virulenzfaktoren konnten Hyaluronidasen und Neuraminidasen sowie die Fähigkeit zur Bildung einer Kapsel aus Polysacchariden nachgewiesen werden.
Eine Anzüchtung gelingt nur in hochwertigen Blutagar-Nährmedien, die nach der Beimpfung 48 bis 72 Stunden in mikroaerober Atmosphäre und bei 37 °C inkubiert werden. Eine anschließende biochemische Differenzierung ist nur dann möglich, wenn das Basismedium mit Serum supplementiert wird.
Epidemiologie
Das Wirtsspektrum von Erysipelothrix rhusiopathiae ist sehr breit gefächert und umfasst neben verschiedenen Säugetieren (z.B. Schwein) auch Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische. Die Bakterien sind weltweit verbreitet, wobei klinisch manifeste Erkrankungen nur sporadisch auftreten.
Zu den Infektionsquellen zählen neben erkrankten v.a. latent infizierte Vögel, aber auch Schweine, Schafe und andere Haussäugetiere sowie Muriden (Mäuse, Ratten). Die Übertrager scheiden die Erreger vorwiegend mit dem Kot aus und tragen so zur Verbreitung bei. Zusätzlich treten Infektionen auch aufgrund kontaminierter Böden, Einstreu und Futtermittel sowie durch verunreinigte Tränkesysteme auf.
Pathogenese
Bisher wurde noch nicht vollständig geklärt, auf welchem Weg die Bakterien auf die Geflügel übertragen werden. Neben den genannten Infektionsquellen werden auch Insekten als Vektoren in Betracht gezogen. Als besonders gefährlich haben sich verendete Tiere erwiesen, in deren Kadaver sich die Erreger vermehren. In experimentellen Untersuchungen waren auch Infektionen über den Samen möglich.
Infektionen erfolgen über Läsionen der Schleimhaut oder Haut. Bei virulenten Stämmen entwickelt sich häufig rasch eine Septikämie, die letztendlich eine systemische Verbrauchskoagulopathie (vaskuläres Syndrom) mit Todesfolge nach sich zieht. Selten kommt es jedoch zu einem protrahierten bis chronischen Krankheitsverlauf, der sich durch sekundär lokalisierte Entzündungsprozesse v. a. am Herz (Endocarditis valvularis), an der Haut und den Gelenken manifestiert. Durch unterschiedliche prädisponierende Faktoren (z.B. makro- und mikroklimatisch ungünstige Bedingungen und eine hohe Erregerbelastung) soll die Pathogenese deutlich verkompliziert werden.
Klinik
Erysipelothrix rhusiopathiae ist für Puten jeden Alters und beider Geschlechter primär-pathogen. Die Inkubationszeit liegt zwischen wenigen Stunden und mehreren Tagen.
Betroffene Herden fallen durch plötzliche Verluste auf. Erkrankte Tiere bewegen sich nur ungern, leiden an schweren Gleichgewichtsstörungen und Diarrhö. Die Haut im Kopfbereich ist schmutzig und mit Krusten durchsetzt und die Kopfanhänge erscheinen blau verfärbt und geschwollen. Durch den septikämischen Krankheitsverlauf kommt es zu plötzlichen Todesfällen ohne vorausgegangene Krankheitszeichen.
Die Mortalität kann zwischen 1 und 50 % betragen.
Pathohistologie
Perakute bis akut-septikämische Krankheitsverläufe gehen mit petechialen bis ekchymatösen Blutungen in der Unterhaut, Muskulatur sowie in den serösen Häuten und Schleimhäuten einher. Die parenchymatösen Organe erscheinen geschwollen und brüchig. Zusätzlich können Infarktnekrosen und/oder miliare nekrotische Herde sichtbar sein. Die Leber ist geschwollen und rot-blau bis grünlich verfärbt, während die Milz follikulär-hyperplastisch vergrößert ist. Selten liegt gleichzeitig auch ein Hydroperikard und eine fibrinöse Perikarditis vor. Der chronische Krankheitsverlauf ist durch Herzklappenentzündungen, entzündliche bis nekrotische Hautveränderungen und exsudativ-entzündlichen Gelenksveränderungen gekennzeichnet.
Im histologischen Schnittbild zeigen sich multiple Gefäßwandschädigungen mit Thromben sowie diffuse und herdförmige regressive Veränderungen und Infarktnekrosen in den parenchymatösen Organen.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen sind sämtliche hochakut-septikämisch verlaufenden Infektionskrankheiten auszuschließen, u. a.:
Diagnose
Neben den histopathologischen Befunden erlaubt eine Gramfärbung eines Direktausstrichs eine Verdachtsdiagnose. Die Diagnose wird durch einen direkten Erregernachweis in Organmaterialien mittels Immunfluoreszenz oder PCR gesichert.
Therapie
Durch die Therapie mit geeigneten Antibiotika (z. B. Ampicillin, Amoxicillin oder Erythromycin) über das Trinkwasser kann oftmals das Auftreten von Neuerkrankungen verhindert werden. Nach dem Beenden der Therapie ist jedoch häufig mit Rezidiven zu rechnen.
Ist die Behandlung erfolgreich, kann gleichzeitig eine Impfung aller Tiere vorgenommen werden.
Prophylaxe
Neben strikten Hygienemaßnahmen (Vermeidung der Erregereinschleppung durch Vektoren) ist eine aktive Immunisierung empfehlenswert. Hierfür ist eine zweimalige Impfung der 6 bis 14 Wochen alten Puten mit einer Rotlauf-Adsorbat-Vakzine im Abstand von 1 bis 2 Monaten durchzuführen.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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