Hühnertyphus (Geflügel)
Synonyme: Salmonella-Gallinarum-Infektion, Gallinarum-Salmonellose
Englisch: fowl typhoid
Definition
Hühnertyphus ist eine bakteriell bedingte Infektionskrankheit, die durch spezifische wirtsadaptierte Salmonellen ausgelöst wird und vorrangig bei älteren Hühnern ein typhoides Krankheitsbild verursacht.
Ätiologie
Salmonella Gallinarum (SG) ist ein gramnegatives, unbegeißeltes, fakultativ aerob wachsendes und 1,0 bis 2,0 x 1,5 µm großes Stäbchenbakterium aus der Familie der Enterobacteriaceae. Aufgrund der somatischen Antigenstruktur gehört Salmonella Gallinarum (ähnlich Salmonella Pullorum) zur Gruppe D nach Kauffmann und White. Derzeit (2021) sind sechs verschiedene Virulenzgene bekannt, wobei die spezifischen Virulenzfaktoren noch weitgehend unerforscht sind.
Salmonella Gallinarum ist äußerst widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen. In Brütereistaub, auf Federn und glatten Oberflächen (z.B. Metall oder Keramik) überdauern die Bakterien mehrere 100 Tage, während sie im Erdboden oder im Einstreu bis zu 6 Monate infektiös bleiben. Im Gegensatz dazu töten Sonnenlicht, Hitze und handelsübliche Desinfektionsmittel die Bakterien in wenigen Stunden ab.
Epidemiologie
Aufgrund groß angelegter und erfolgreich durchgeführter Eradikationsprogramme sind die Wirtschaftsgeflügelbestände weitgehend frei von Salmonella Gallinarum. In Südeuropa und Nordafrika hingegen ist der Erreger noch weit verbreitet. Neben Hühnern können auch Puten erkranken. Da aber auch andere Vögel wie z.B. Perlhühner, Pfauen, Fasane sowie andere Hühnervögel für die Bakterien empfänglich sind, sind die Erreger weit verbreitet.
Der Eintrag der Bakterien in eine Herde erfolgt vorwiegend über latent infizierte Alttiere sowie über belebte und unbelebte Vektoren. Klinisch apparente Infektionen betreffen vorrangig ältere Hühner, wobei die Empfänglichkeit gegenüber einer Infektion mit nachfolgender Erkrankung rasse- und linienabhängig ist. Braune Hühnerlinien erkranken daher deutlich schwerer als weiße Herkünfte.
Pathogenese
Der kontagiöse Erreger wird durch direkten Kontakt von Tier zu Tier, aerogen an Schwebstoffe gebunden und indirekt über unbelebte sowie belebte Vektoren übertragen. Vertikale Infektionen durch latent infizierte Elterntiere kommen ebenfalls vor.
Konnatal infizierte Küken übertragen schon im Schlupfbrüter auf aerogenem Weg die Bakterien an Artgenossen. Nach der Aufstallung wird aufgrund der erheblichen Erregerausscheidung mit dem Kot die Verbreitung innerhalb der Herde weiter vorangetrieben. Nach oraler Infektion kommt es zu einer Salmonellen-typischen Kolonisation des Verdauungstrakts mit nachfolgender Ausbreitung in innere Organe. Bei Junghennen, insbesondere aber bei adulten Hennen braungefiederter Hühnerrassen, entwickeln sich rasch perakut verlaufende und septikämische Erkrankungen, die mit einer hohen Mortalität einhergehen.
Klinik
Innerhalb der Herde kommt es bei braunen Legehühnern plötzlich zu Todesfällen, wobei die Todesrate täglich zunimmt, bis eine Gesamtmortalität von mehr als 80 % erreicht wird. Klinisch apparente Erkrankungsphasen dauern im Schnitt 6 bis 8 Stunden. Charakteristisch ist das plötzliche Versterben erkrankter Tiere ohne vorausgegangene Symptome.
Pathohistologie
Bei perakuten Krankheitsverläufen kommt es zu Hepato- und Splenomegalie. Vereinzelt lassen sich diskrete petechiale Blutung in den serösen Häuten nachweisen. Die Tertiärfollikel am Eierstock zeigen diffuse Rötungen, Gefäßinjektionen, sind degeneriert, grau-grün verfärbt und gestielt. Durch die Dysfunktion des Ovars kommt es zu großflächigen Verklebungen des Infundibulums, sodass es zu Ovulationen in die Leibeshöhle kommt. Infolge dessen entwickelt sich eine fibrinöse Perikarditis, Peritonitis und Perihepatitis mit Folge eines Aszites.
Im histologischen Schnittbild fallen v.a. dystrophische und herdförmig-nekrotische Veränderungen auf.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen sind auszuschließen:
- Aspergillose (v.a. bei erkrankten Küken)
- Rotlauf
- Geflügelcholera
- Newcastle-Krankheit
- Geflügelpest
Diagnose
Die Diagnose wird durch die Erregeranzucht und anschließende Identifikation der Bakterien (z.B. mittels PCR) sowie durch den Antikörpernachweis gesichert. Ein kultureller Nachweis ist aus Tupferproben, Kotproben und Organbiopsaten auf Blutagar und Selektivnährböden möglich.
Therapie
Aufgrund ausbleibender Erregerfreiheit sowie der Resistenzproblematik ist eine antibiotische Therapie nicht indiziert. Die Bekämpfung erfolgt durch die Eradikation der Herde mit anschließender Reinigung und Desinfektion der Stallungen.
Prophylaxe
Selbst wenn die Elterntierbestände frei von Salmonella Gallinarum sind, ist eine ständige serologische Überwachung unerlässlich (ELISA). Mithilfe von Impfungen (Lebend- und Inaktivatvakzine) können die Tiere zwar vor Erkrankungen und Leistungseinbußungen geschützt werden, jedoch ist eine effektive Eradikation des Erregers nicht möglich.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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