Gelber Mittelmeerskorpion
Synonyme: Fünfstreifen-Skorpion, Gelber Skorpion
Englisch: Deathstalker
Definition
Der Gelbe Mittelmeerskorpion ist ein Skorpion aus der Familie der Buthidae. Der Stich ist für Menschen potentiell lebensbedrohlich, Unfälle kommen regelmäßig vor. Die zoologische Bezeichnung lautet Leiurus quinquestriatus.
Biologie
Der Körper eines Skorpions gliedert sich in Vorderkörper (Prosoma) und Hinterleib (Opisthosoma), der Hinterleib wiederum ist in Mesosoma und Metasoma gegliedert. Bei dem Metasoma handelt es sich um den "Schwanz" des Skorpions, an dessen Ende sich Giftdrüße und Giftstachel befinden. Der Gelbe Mittelmeerskorpion misst von Prosoma bis zum Ansatz des Metasomas circa 6 cm. Die Scheren sind auffällig schmal. Die Körperfarbe ist zumeist gelblich, teilweise bräunlich. Die Beine sind hellgelb.
Epidemiologie
Die Art ist in folgenden Staaten des Nahen Ostens und Afrikas verbreitet: Algerien, Tschad, Ägypten, Ethiopien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Mali, Niger, Saudi Arabien, Sudan, Syrien, Tunesien, Yemen, Somalia. Es werden aride Habitate besiedelt, häufig mit sandigen Böden. Regelmäßig dringen die Tiere auch in menschliche Siedlungen und Behausungen ein. Zusammen mit Androctonus australis ist der Gelbe Mittelmeerskorpion die medizinisch bedeutenste Skorpionsart in seinem Verbreitungsgebiet.
Giftsekret
Das Giftsekret des Gelben Mittelmeerskorpions weist neben den eigentlichen Toxinen folgende Komponenten auf: Lipide, Phospholipase A2, Cholesterin und dessen Ester, freie Fettsäuren, Hämoglobinproteinase, Methylester, Phospholipide, Serotonin und Triglyceride.
Toxikologie
Der Gelbe Mittelmeerskorpion produziert ein stark wirksames Toxingemisch, das sich vor allem aus Proteinen bzw. Peptiden zusammensetzt, die Ionenkanäle beeinträchtigen. Es wurden mindestens fünf verschiedene Toxine gefunden, die spezifisch besonders für Säugetiere (einschließlich des Menschen) toxisch sind. Die meisten Toxine weisen eine Molekülmasse von circa 7.000 Dalton und 3 bis 4 Disulfidbrücken auf.
Das Giftsekret weist exzitatorische Neurotoxine (alpha-Toxine, halten Natriumkanäle geöffnet) auf, verstärkt also die Ausschüttung von Neurotransmittern (v.a. Acetylcholin) in den synaptischen Spalt sowie die Ausschüttung von Katecholaminen. Dadurch kann es zu Krämpfen der Brust- bzw. Atemmuskulatur kommen, was unter Umständen zum Tod durch Ersticken führt. Die Freisetzung von Katecholaminen wie Epinephrin und Noradrenalin bewirkt eine Belastung des kardiovaskulären Systems (Hypertonie mit RR bis 260/190, Puls bis 150) mit Beeinträchtigung der Herzfunktion. Auch direkt am Herz greifende Kardiotoxine könnten vorhanden sein. Es kann zu Herzrhythmusstörungen bis hin zur Asystolie kommen. Charybdotoxin (Kaliumkanal-Blocker) ist nur in geringer Konzentration enthalten. Habermehl (1981) gibt eine mittlere Letaldosis von 0,33 mg/kg (subkutan, Maus) an. Die Letalität kann vor allem bei Kindern 1 bis 10 Prozent betragen, für einen Erwachsenen ist der Stich in der Regel nicht tödlich.
Es können folgende unspezifische Symptome auftreten: Kopfschmerz, Übelkeit, Emesis, Abdominalschmerz, Diarrhoe, Tachypnoe, Atemdepressionen, Hypotonie (z.B. im Rahmen eines Schocks) und Hypertonie, Schwindel, Kollaps und Krampfanfälle. Die Körpertemperatur kann verringert (Hypothermie) oder erhöht (Hyperthermie) sein. Durch gesteigerte Magensaftbildung kam es im Tierversuch zu säurebedingten Magenbeschwerden. Des Weiteren ist das Toxingemisch spermatotoxisch.
Initial auftretende cholinerge Effekte führen zunächst zu Emesis, Hypersalivation und Bradykardie, länger anhaltende adrenerge Effekte bewirken die kardiovaskuläre Symptomatik.
Die Leitsymptome sind starke Schmerzen an der Einstichstelle (ursächlich sind exogene und endogene Entzündungsmediatoren wie Serotonin), neurotoxische Auswirkungen mit Beeinträchtigung der Atmung sowie ein Lungenödem als Folge der Kardiotoxizität und der kardiovaskulären Effekte.
Maßnahmen gegen Intoxikation
Es stehen u.a. folgende wirksame Antivenine (Gegengifte, Immunsera) zur Verfügung, welche nach intravenöser Applikation die Toxine neutralisieren:
- Polyvalent Scorpion Antivenom (Produzent: National Antivenom and Vaccine Production Centre, Saudi Arabien)
- Anti-scorpionic sera (Produzent: Institut Pasteur du Tunis, Tunesien)
Darüber hinaus sollte die Möglichkeit der künstlichen Beatmung gesichert werden, die Vitalfunktionen sind zu überwachen. Der Blutdruck kann durch Antihypertensiva wie Nifedipin reguliert werden, sofern eine Hypertonie vorliegt. Gegebenenfalls erfolgt eine Schocktherapie. Bei Herzstillstand (Asystolie) erfolgt eine Reanimation durch Herzmassage und Beatmung, eventuell Epinephrin (i.v.); gegebenenfalls wird der Einsatz eines Herzschrittmachers notwendig. Häufig reicht die symptomatische Therapie aus und auf Antivenine kann verzichtet werden, dies ist jedoch im Einzelfall zu entscheiden.
Medizinischer Nutzen
Das im Toxingemisch enthaltene Chlorotoxin ist für den menschlichen Organismus nicht toxisch. Es dringt gut in das Zentralnervensystem vor und reichert sich besonders in zerebralen Tumoren an. Diese Eigenschaft macht man sich diagnostisch zunutze. Derzeit arbeiten Forscher an der Entwicklung eines Tumormarkers auf Basis des Chlorotoxins. Das Produkt fluoresziert, wodurch der Chirurg beim operativen Entfernen des Tumors (Tumorresektion) Tumorgewebe und gesundes Hirngewebe besser unterscheiden kann. Besonders bei der Operation von Gliomen würde sich dies als äußerst nützlich erweisen. Auch bei Prostatakarzinomen, kolorektalen Karzinomen und kleinen Metastasen im Lymphsystem ist der Einsatz denkbar.
Literatur
- Schmidt: Giftige und gefährliche Spinnentiere: Humanpathogene Skorpione, Milben und Spinnen, VerlagsKG Wolf, 2. Auflage.
- Habermehl: Venomous Animals and their Toxins, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York (1981).
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