Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom
Englisch: anaplastic thyroid cancer, anaplastic thyroid carcinoma
Definition
Das anaplastische Schilddrüsenkarzinom, kurz ATC, ist eine seltene, hochaggressive Form des Schilddrüsenkarzinoms.
Epidemiologie
Symptome
Der Tumor macht sich als rasch zunehmende, zunächst schmerzlose, später schmerzende Raumforderung am Hals bemerkbar. Gelegentlich besteht eine Rötung und Schwellung der angrenzenden Haut.
Durch Kompression, Verdrängung oder Arrosion der Nachbarstrukturen, wie Ösophagus, Trachea, Arteria carotis communis und Nervus laryngeus recurrens kann es zu verschiedenen Sekundärsymptomen kommen, u.a.:
Metastasierung
Anaplastische Schilddrüsenkarzinome brechen früh in die Blut- und Lymphgefäße ein und siedeln regionale Lymphknotenmetastasen sowie hämatogene Fernmetastasen ab, vor allem in die Lunge, aber auch in Knochen, Leber und ZNS.
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Aufgrund des schnellen Wachstums stellen sich viele Patienten bereits in einem fortgeschrittenen Tumorstadium vor. Bei der Palpation der Schilddrüse lässt sich der Tumor als fixierte Masse ertasten, ggf. bereits mit lokalen Absiedelungen in den kontralateralen Schilddrüsenlappen und in die zervikalen Lymphknoten.
Bildgebung
In der Schilddrüsensonographie sieht man eine schlecht abgrenzbare, wolkige, echoarme Masse, die in das Umgebungsgewebe hineinragt.
Um Tumorausdehnung und -grenzen genauer zu bestimmen, ist eine MRT und/oder CT der Halsregion notwendig. Zur Erfassung von Fernmetastasen und lokaler Tumorausdehnung sollte eine Ganzkörper-PET/CT mit 18-F-FDG durchgeführt werden.[1]
Pathohistologie
Die Diagnose wird durch eine Feinnadelbiopsie mit anschließender pathohistologischer und immunhistochemischer Untersuchung des Punktats gesichert. Im Tumorgewebe lassen sich Keratin, p53 und PAX8 nachweisen. BRAF und TERT-Mutationen kommen häufiger vor als bei differenzierteren Schilddrüsenkarzinomen. Es sollte auch die Expression von PD-L1 überprüft werden, um den möglichen off-label Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren zu evaluieren.[1]
Differentialdiagnosen
- Lymphome
- Sarkome
- Metastasen anderer maligner Tumoren
Therapie
Da das ATC schnell fortschreitet, ist eine rasche therapeutische Intervention notwendig. Die Therapie ist multimodal und umfasst neben der chirurgischen Resektion des Tumors Chemotherapie und Bestrahlung.
Aufgrund der aktuell noch spärlichen Datenlage beschränken sich die Therapieempfehlungen der Leitlinie überwiegend auf Expertenkonsens. Die Strahlentherapie wird als intensitätsmodulierte Radiotherapie mit einer Gesamtdosis von ≥ 50 Gy empfohlen. Zur simultanen Chemotherapie werden Kombinationen aus einem Taxan (z.B. Paclitaxel) und/oder Anthracyclin (z.B. Doxorubicin) und/oder Platin (z.B. Cisplatin, Carboplatin) empfohlen.[1]
Abhängig vom molekulargenetischen Profil des Tumors kommen off-label auch Tyrosinkinasehemmer aus den Gruppen der BRAF- und MEK-Inhibitoren zum Einsatz, zum Beispiel die Kombination aus Dabrafenib und Trametinib. Bei nachgewiesener RET-Fusion kann zudem der RET-Inhibitor Selpercatinib eingesetzt werden. Liegt eine NTRK-Fusion vor, kommen NTRK-Inhibitoren (Larotrectinib oder Entrectinib) zum Einsatz. [1]
Im Rahmen von Studien wird zusätzlich der Einsatz von PD-L1-Inhibitoren (z.B. Pembrolizumab) bei nachgewiesener PD-L1 Expression untersucht (Stand 2025).
In vielen Fällen ist die Therapie nur noch palliativ, da aufgrund der Tumorgröße keine R0-Resektion mehr möglich ist.
Prognose
Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt unter 10 %.