Selpercatinib
Handelsnamen: Retsevmo®
Englisch: selpercatinib
Definition
Selpercatinib ist ein Tyrosinkinasehemmer aus der Gruppe RET-Inhibitoren. Er wird bei RET-positiven Karzinomen der Lunge und Schilddrüse als antineoplastischer Arzneistoff angewandt.
Chemie
Selpercatinib ist ein polyzyklisches Molekül, das unter anderem eine Pyridin- und Pyrazol-Struktur aufweist. Es ist somit basisch.
Die Summenformel lautet C29H31N7O3. Das Molekulargewicht beträgt 525,6 g/mol.[1]
Wirkmechanismus
Selpercatinib ist ein Inhibitor der RET-Rezeptortyrosinkinase ("rearranged during transfection"). Es inhibiert mehrere (mutierte) Isoformen des Rezeptors sowie VEGFR1 und VEGFR3.
Während RET in der Embryonalentwicklung für die Entwicklung des enterischen Nervensystems zuständig ist, spielt es beim Erwachsenen kaum eine Rolle. Ist RET jedoch mutiert oder durch Genfusion konstitutiv aktiviert, kann es beim Erwachsenen als Protoonkogen zu Karzinomen führen.[2]
Pharmakokinetik
Der Steady State wird nach 7 Tagen erreicht. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt 73,2%. Das Verteilungsvolumen liegt bei 191 Liter. Die Plasmaproteinbindung beträgt 96%. Die Metabolisierung erfolgt hauptsächlich über CYP3A4. Die biologische Halbwertszeit des Wirkstoffs beträgt 22 Stunden.[2]
Indikation
Mögliche Einsatzgebiete von Selpercatinib sind:
- fortgeschrittenes RET-Fusions-positives nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC)
- fortgeschrittenes RET-Fusions-positives Schilddrüsenkarzinom
- fortgeschrittenes RET-mutiertes medulläres Schilddrüsenkarzinom (MTC)
Voraussetzungen für die Therapie sind, dass
- diese Karzinome einer systemischen Therapie bedürfen,
- der Patient über 12 Jahre alt ist und
- vor Therapiebeginn das Vorliegen einer RET-Mutation nachgewiesen wurde.
Darreichungsform
Der Arzneistoff liegt ist in Form von Hartkapseln vor.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt 120 mg zweimal täglich (Körpergewicht unter 50 kg) beziehungsweise 160 mg zweimal täglich (Körpergewicht über 50 kg).
Erfolgt die Einnahme parallel zu einem starken CYP3A4-Inhibitor, sollte die Dosis um die Hälfte reduziert werden. Beim Auftreten von Nebenwirkungen kann die Dosis nach einem vorgegebenem Schema reduziert werden.[2]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Selpercatinib sind:[2]
- Erhöhung der Leberwerte, vor allem ALAT und ASAT.
- Hypertonie: Bei Ansteigen des Blutdrucks sollte eine antihypertensive Therapie begonnen werden.
- QT-Intervall-Verlängerung: Vor allem Patienten mit prädisponierenden Faktoren für eine Arrhythmie sollten überwacht werden. Auch die Serumspiegel von Kalium, Magnesium und Calcium sollten hierbei beachtet werden.
- Beeinträchtigung der Fertilität
- Hämorrhagien
- Inappetenz
- Kopfschmerz, Schwindel
- Bauchschmerzen, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Mundtrockenheit
- Fieber, Fatigue, Ödeme
Bei jugendlichen Patienten besteht unter der Therapie die Gefahr einer Epiphysiolysis capitis femoris (ECF), was sich durch Hüft- und Knieschmerzen oder beginnendes Hinken bemerkbar macht.[3]
Wechselwirkungen
Da Selpercatinib über CYP3A4 verstoffwechselt wird, kann es zu Wechselwirkungen mit CYP3A4-Inhibitoren (z.B. Proteaseinhibitoren, Fluconazol) und -Induktoren (z.B. Phenobarbital) kommen. Der Arzneistoff ist auch ein Substrat von P-gp und BCRP - dies scheint jedoch nur geringen Einfluss auf die Plasmaspiegel zu nehmen.
Des Weiteren erhöht Selpercatinib die Plasmaspiegel von empfindlichen CYP2C8- (z.B. Repaglinid) und CYP3A4-Substraten (z.B. Midazolam). Die Resorption von Selpercatinib wird bei gleichzeitiger Gabe von Antacida und Protonenpumpenhemmern verringert. Es ist deshalb auf einen ausreichenden zeitlichen Abstand bei der Einnahme zwischen den Medikamenten zu achten.[2]
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
Zulassung
Die Zulassung in Deutschland erfolgte im Februar 2021. Die Nutzenbewertung des GBA hat im März begonnen und wird voraussichtlich im Juni 2021 veröffentlicht.
Quellen
- ↑ Selpacertinib in der pubchem-Datenbank, aufgerufen am 14.04.2021
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Fachinformation zu Retsevmo, fachinfo.de, aufgerufen am 14.04.2021
- ↑ What was the incidence of slipped capital femoral epiphysis in pediatric patients taking Retevmo® (selpercatinib) in LIBRETTO-121? LILLY 17.05.2024, abgerufen am 30.08.2024
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