Pharmakovigilanz
Synonyme: Arzneimittelüberwachung, Arzneimittelsicherheit
Definition
Pharmakovigilanz ist ein Oberbegriff für alle Aktivitäten, die mit der Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln in Verbindung stehen oder der Erkennung und Abwehr von Arzneimittelrisiken in der Phase der klinischen Prüfung und nach der Zulassung dienen.
Hintergrund
Unter Pharmakovigilanz wird das Geschehen rund um die Entdeckung, Dokumentation, Bewertung und Prävention von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) oder anderen arzneimittelbezogenen Problemen zusammengefasst. Die Pharmakovigilanz dient dem Risikomanagement rund um den Arzneimitteleinsatz. Sie erfasst Produktionsfehler oder schadhafte Verpackungen bzw. Präparate, versucht Therapiefehlern vorzubeugen und vermittelt Arzneimittelinformationen. Ein wichtiges Element der Pharmakovigilanz ist die Meldung von UAW an die zuständigen Behörden und die Organisation einer Meldekette, ausgehend von den Heilberuflern über die Pharma-Unternehmen und ihre Dienstleister zu den Behörden.
Moderne Arzneimittel haben die Art und Weise, wie Krankheiten zu behandeln und zu kontrollieren sind, stark verändert. Allerdings steht ihrem großen Nutzen gegenüber, dass unerwünschte Reaktionen auf Arzneimittel ein häufiger und oft vermeidbarer Grund für Krankheit, Behinderung und sogar Tod sind.
Bis zu ihrer Zulassung sind Arzneimittel an verhältnismäßig wenigen Patienten getestet worden. Zudem entspricht das Patientenkollektiv nur bedingt dem Behandlungskollektiv nach Markteinführung. Langzeitwirkungen werden meist nicht erhoben. Daher hat die klinisch geprüfte Unbedenklichkeit eines Arzneimittels einen vorläufigen Charakter. Es besteht das Risiko, dass individuelle Patienten spezifische und unvorhersehbare Empfindlichkeit gegenüber einem bestimmten Arzneimittel entwickeln. Negative Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten stellen ein zusätzliches Problem dar. In der Praxis bedarf es daher eines guten Pharmakovigilanz-Systems.
Die extreme Wichtigkeit dieser Überwachungs-Instanz verdeutlichte einer der aufsehenerregendsten Arzneimittelskandale in den frühen 1960ern. Der Wirkstoff Thalidomid (Handelsname Contergan) führte, eingenommen von Schwangeren, zu Fehlbildungen der Kinder (Embryopathie). Als Konsequenz gingen viele Ländern dazu über, Pharmakovigilanz-Systeme zu etablieren.
Ziele
Die Ziele der Pharmakovigilanz fasst die WHO wie folgt zusammen:
- Verbesserung der Krankenpflege und –sicherheit bezüglich der Anwendung von Arzneimitteln und allen medizinische und paramedizinischen Eingriffen
- Verbesserungen der Volksgesundheit und Sicherheit und bezogen auf Medikamentengebrauch
- Beitrag zur Beurteilung von Nutzen, Schaden, Wirkungsgrad und dem Risiko von Medikamenten, dementsprechend Förderung der Sicherheit, des rationalen und effizienten (auch kosten-effizienten) Gebrauch
- Unterstützen von Verständnis, Aufklärung und klinischer Weiterbildung in Pharmakovigilanz und der effektiven Kommunikation an die Öffentlichkeit
Pharmakovigilanz in Deutschland
Das Arzneimittelgesetz sieht vor, dass nach der Zulassung eines Arzneimittels, die Erfahrungen bei seiner Anwendung fortlaufend und systematisch dokumentiert und ausgewertet werden
Arbeitsweisen in der Pharmakovigilanz
Spontanmeldesystem
Das Spontanmeldesystem ist eines der wichtigsten Früherkennungssysteme im Bereich der Pharmakovigilanz.
Was wird gemeldet? Gemeldet werden Verdachtsfälle in denen unerwünschte Reaktionen in Zusammenhang mit der Gabe eines Arzneimittels stehen (Spontanberichte). Hierbei ist der zeitliche Zusammenhang und das Fehlen einer offensichtlichen anderen Ursache für die beobachtete Wirkung ausreichend.
Wer meldet? Meldeverpflichtungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen sind in Deutschland gesetzlich (Arzneimittelgesetz) und standesrechtlich (Berufsordnung von Ärzten und Apothekern, AkdÄ bzw. Bundesärztekammer sowie AKDA) geregelt. Die Meldung erfolgt an Arzneimittelkommissionen oder an die Abteilung für Arzneimittelsicherheit von pharmazeutischen Unternehmern.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) bewertet Spontanmeldungen und kommuniziert relevante Sicherheitsprobleme im Zusammenhang mit Arzneimitteln an die Fachkreise z.B: über das Deutsche Ärzteblatt. Wird ein bislang unbekanntes oder unterschätztes Sicherheitsproblem eines Arzneimittels aufgedeckt, wird die Meldung an die zuständige Bundesoberbehörde weitergeleitet (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Paul-Ehrlich-Institut). Hier wird über eine behördlich angeordnete Anwendungsbeschränkung ggf. bis zum Widerruf einer bereits erteilten Arzneimittelzulassung entschieden.
Meldung von UAWs
- Das UAW-Meldeformular der AkdÄ kann auf der Homepage des BfArM heruntergeladen werden Pdf-Formular
- Alternativ ist auch die Online-Meldung möglich Online-Formular
Nationale Pharamkovigilanzzentren
In Ergänzung des Spontanmeldesystems sind in Deutschland regionale Parmakovigilanzzentren entstanden. Deren Aufgabe ist die aktive standardisierte Erfassung und Bewertung von UAW, die Schätzung der Häufigkeit und die Bearbeitung konkreter Fragen der zuständigen Bundesoberbehörden. Beratung und Kommunikation mit den Heilberufen sowie Beteiligung an der ärztlichen Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der Pharmakotherapie.
Kommunikation
Verschiedene Möglichkeiten führen zum gleichen Ziel: die Kommunikation von Risiken in der Pharmakovigilanz:
Informationsmittel...
... der Industrie: Fachinformation, Packungsbeilage, Kennzeichnung, Rote-Hand-Brief, Rote Liste, Gelbe Liste
...der Behörden: Arzneimittelinformationssystem (AMIS), Arzneimittelschnellinformation, Bekanntmachungen, Stellungnahmen, Pressemitteilungen
...der Arzneimittelkommission der Heilberufe: Arzneiverordnung in der Praxis, Therapieempfehlungen, Newsletter, Handbuch der UAW Drug Bulletins: Arzneitelegramm, Arzneimittelbrief
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