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Transmurale Rotatorenmanschettenruptur

Synonym: Komplette Rotatorenmanschettenruptur
Englisch: rotator cuff full-thickness tear, full-thickness rotator cuff tear, FTRCT, full-width rotator cuff tear, complete rotator cuff tear

1. Definition

Die transmurale Rotatorenmanschettenruptur, kurz FTRCT, ist eine vollständige Ruptur einer oder mehrerer Sehnen von Muskeln der Rotatorenmanschette. Der Sehnenriss erstreckt sich von der gelenkseitigen bis zur bursaseitigen Oberfläche. Am häufigsten handelt es sich um eine transmurale Supraspinatussehnenruptur, wobei in Folge Schultergelenk und Bursa subacromialis bzw. subdeltoidea miteinander kommunizieren.

2. Terminologie

Die Bezeichnung transmurale Rotatorenmanschettenruptur bezieht sich auf einen Sehnenriss in voller Dicke ("full-thickness rotator cuff tear"), also bei der Supraspinatussehne in superoinferiorer, bei der Subscapularissehne in anteroposteriorer Richtung. Bei zusätzlich vollständigem Abriss in der Breite im Sinne einer Avulsion wird von einer kompletten Ruptur ("full-thickness, full-width" bzw. "complete tear") gesprochen.

3. Epidemiologie

FTRCT treten meist bei Personen über 40 Jahren auf, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind. Ungefähr 25 % der Personen über 60 Jahren weisen eine FTRCT auf, die nicht immer symptomatisch sein muss. Weniger als 10 % der FTRCT präsentieren sich akut.

4. Klassifikation

4.1. ...nach Lokalisation

Ungefähr 95 % der FTRCT treten in der Supraspinatussehne auf, gewöhnlich in den lateralen 1,5 cm der Sehne, der hypovaskularisierten kritischen Zone. Häufig befindet sich der Riss lateral des Rotatorenkabels, in der sogenannten Crescent-Zone, einem sichelförmigen, dünnen Bereich der distalen Supra- und Infraspinatussehne. Eine FTRCT kann auch einer Avulsionsverletzung am Tuberculum majus entsprechen.

Subscapularis- und Infraspinatussehnenrupturen treten selten isoliert auf. Eine Ruptur der Teres-minor-Sehne ist selten.

4.2. ...nach Größe

Je nach maximalem Durchmesser des Defekts unterscheidet man:

  • klein: < 1 cm Durchmesser
  • mittel: 1 bis 3 cm
  • groß: > 3 cm
  • massiv: > 5 cm oder FTRCT von zwei Sehnen

Die Messung sollte in 2 Ebenen erfolgen: Koronal für das mediolaterale Ausmaß der Retraktion und sagittal für die anteroposteriore Größe.

4.3. ...nach Morphologie

Unter chirurgischen Gesichtspunkten ist die Morphologie der Läsion wichtig. Es wird unterschieden zwischen:[1]

  • rein transversalen Rissen, senkrecht zur Sehne
  • L-förmigen Rissen mit anteriorem Längsriss zum Rotatorenintervall
  • L-förmigen Rissen mit posteriorem Längsriss in die Supra- oder angrenzende Infraspinatussehne
  • zungenförmigen Rissen mit anterioren und posterioren Längsrissen
  • V-förmigen Rissen mit schmalem retrahiertem Anteil zentral im Sehnendefekt
  • U-förmigen Rissen mit breitem retrahiertem Anteil zentral im Sehnendefekt

4.4. ...nach Davidson und Burkhart

Nach Davidson und Burkhart werden anhand der Ausdehnung der Ruptur in der sagittalen und koronaren Ebene vier Formen unterschieden:[2][3]

  • Typ 1: Sichelform. Ausdehnung koronar < sagittal und koronar < 2 cm. Primäre Reparatur ("end-to-bone"). Gute Prognose.
  • Typ 2: Längsriss. Ausdehnung sagittal < koronar und sagittal < 2 cm. Primäre Reparatur ("side-to-side"). Gute Prognose.
  • Typ 3: Ausgedehnter Riss. Ausdehnung koronar und sagittal > 2 cm. Meist keine primäre Reparatur möglich, schlechtere Prognose
  • Typ 4: Alle Risse mit Cuff-Arthropathie

Partiell rupturierte Anteile der Läsion werden dabei nicht berücksichtigt. Bei irregulären Sehnenstümpfen wird bis zum normal dicken Stumpf gemessen.

4.5. ...nach Patte

Die Patte-Klassifikation beschreibt das in der koronalen Ebene beurteilte Ausmaß der Sehnenretraktion der Supraspinatussehne bei einer kompletten Ruptur:[4]

  • Stadium 1: proximaler Stumpf in der Nähe der knöchernen Insertion
  • Stadium 2: proximaler Stumpf auf Höhe des Humeruskopfs
  • Stadium 3: proximaler Stumpf in Höhe des Glenoids oder weiter proximal

5. Ätiologie

Die meisten FTRCTs treten bei Patienten mit vorbestehender Tendinopathie oder Partialruptur der Rotatorenmanschette auf. Ursächlich sind:

Weitere Ursachen sind:

6. Klinik

Die FTRCT zeig sich mit nächtlich betonten Schmerzen, eingeschränkter Abduktion sowie positiven Impingementtests. Die FTRCT kann auch asymptomatisch verlaufen.

7. Diagnostik

Eine transmurale Rotatorenmanschettenruptur wird radiologisch diagnostiziert. Methode der Wahl ist die Magnetresonanztomographie (MRT).

7.1. Konventionelles Röntgen

Im Röntgenbild können indirekte Zeichen der FTRCT auffallen:

7.2. Arthrographie

Bei der konventionellen Arthrographie wird Kontrastmittel in das Schultergelenk injiziert. Aufgrund der transmuralen Ruptur tritt das Kontrastmittel in den Subakromialraum bzw. in die Bursa subacromialis und subdeltoidea über (Geysir-Zeichen).

7.3. CT-Arthrographie

Bei der CT-Arthrographie wird Kontrastmittel in das Schultergelenk injiziert und anschließend eine Computertomographie durchgeführt. Aufgrund der transmuralen Ruptur tritt das Kontrastmittel in den Subakromialraum bzw. in die Bursa subacromialis und subdeltoidea über. Die diagnostische Genauigkeit liegt bei 95 bis 100 %. Die CT-Arthrographie wird primär bei Patienten eingesetzt, bei denen eine MRT nicht durchführbar ist.

7.4. Magnetresonanztomographie

Die MRT stellt die Methode der Wahl dar. Hilfreich sind parakoronare T2w-FS-Sequenzen zur Beurteilung der Rissdicke sowie parasagittale T2w-FS-Sequenzen zur Beurteilung der Breite in anteroposteriorer Richtung. Parasagittale T1w-Sequenzen sind nützlich zur Beurteilung des Ausmaßes der fettigen Muskelatrophie.

Die genaue Zuordnung einer ansatznahen Läsion zur Supra- oder Infraspinatussehne ist schwierig, da die Fasern ineinander einstrahlen. Hier bildet der Supraspinatussehne die tiefe und die Infraspinatussehne die oberflächliche Schicht. Transmurale Rupturen können als gelenkseitige Partialrupturen fehlinterpretiert werden, da die Supraspinatussehne von der Infraspinatussehne überdeckt wird.

Neben der Beurteilung der Muskelatrophie ist auch die Sehnenqualität für das Ergebnis nach Rekonstruktionen von großer Bedeutung. Neben Zeichen einer Tendinopathie sollte auch eine Delamination (intratendinöse Partialruptur) beschrieben werden, da sie ein zusätzlicher negativer prognostischer Faktor ist.

7.4.1. T1w-Sequenz

In der MRT zeigt sich in der T1w-Sequenz ein Sehnendefekt mit erhöhtem Signal sowie bei chronischer FTRCT eine Atrophie der betroffenen Muskeln.

7.4.1.1. Atrophie

Hilfreich zur Beurteilung der Atrophie ist die Occupation Ratio. Sie entspricht der Querschnittsfläche des Musculus supraspinatus dividiert durch die Fläche der Fossa supraspinata im parasagittalen Bild:

  • normal oder leichte Atrophie: > 0,6
  • moderate Atrophie: 0,4 bis 0,6
  • starke Atrophie: < 0,4

Orientierend kann auch das Tangentenzeichen angewendet werden: Im Sagittalbild sollte der normale Muskel über die Verbindungslinie der knöchernen Y-Schenkel der Scapula reichen. Ist der Muskel flach oder konkav, liegt eine Volumenatrophie vor. Bei Vorliegen einer Sehnenretraktion kann das Tangentenzeichen nicht angewendet werden, da sonst die Atrophie überschätzt wird.[5]

7.4.1.2. Fettige Degeneration

Das Ausmaß der fettigen Degeneration wird nach Goutallier bewertet:[6]

  • Grad 0: keine Fettstreifen
  • Grad 1: wenige Fettstreifen
  • Grad 2: gleiche Mengen an Fett und Muskel
  • Grad 3: mehr Fett als Muskel
  • Grad 4: vollständiger Ersatz durch Fett

Teilweise findet man in der Literatur auch folgende Einteilung nach Goutallier:

  • Grad 2: Fett < Muskel
  • Grad 3: Fett = Muskel
  • Grad 4: Fett > Muskel

Die Einteilung bezieht auf den noch erhaltenen Muskelbauch und nicht auf den Querschnitt der Fossa supraspinata. Bei einer deutlichen Volumenatrophie kann die fettige Degeneration durchaus gering sein.

7.4.2. T2w-Sequenz

In der T2w-FS-Sequenz zeigt sich ein Defekt und/oder ein stark hyperintenses bzw. Flüssigkeits-isointenses Signal von der gelenkseitigen bis zur bursaseitigen Oberfläche der Sehne. Aufgrund von ausgefransten Sehnenrändern, Gerinnseln oder Granulationsgewebe kann das Signal auch etwas geringer als das von Flüssigkeit sein. Bei chronischen FTRCT ohne Erguss, ist der entscheidende Befund die fehlende Sehne zwischen hochstehendem Humeruskopf und Akromion. Die diagnostische Genauigkeit der T2w-FS-Sequenz liegt bei 90 bis 95 %. Bei einem chronischen Sehnenriss in voller Dicke und Breite zeigt sich neben der Retraktion des Sehnenrands auch eine Muskelatrophie.

7.4.3. MR-Arthrographie

Bei der MR-Arthrographie wird Kontrastmittel in das Schultergelenk injiziert und anschließend eine MRT durchgeführt. Hierbei zeigt sich in den T1w-FS-Sequenzen, dass das Kontrastmittel durch den Riss in den Subakromialraum gelangt. Dadurch können auch kleine FTRCTs erkannt werden. Die diagnostische Genauigkeit liegt bei 95 bis 100 %.

7.4.4. Indirekte MR-Arthrographie

Bei der indirekten MR-Arthrographie wird Kontrastmittel intravenös appliziert und nach einer gewissen zeitlichen Latenz die MRT durchgeführt. Hierbei muss beachtet werden, dass die Bursa Kontrastmittel anreichert, sodass dies nicht als Zeichen einer FTRCT gewertet werden kann. Die diagnostische Genauigkeit für FTRCT liegt bei > 95 %, in ABER-Position sogar ca. 100 %.

7.5. Sonographie

In der Sonographie zeigt sich ein hypoechogener bis anechogener Bereich in der Rotatorenmanschette, der sich vom Humeruskopf bis zum Subakromialraum erstreckt. Das helle Signal des hyalinen Gelenkknorpels wird als Uncovered Cartilage Sign bezeichnet. Die Aussagekraft der Sonographie ist untersucherabhängig und weist eine diagnostische Genauigkeit von etwa 90 bis 95 % auf.

8. Differenzialdiagnosen

Klinische Differenzialdiagnosen sind:

Radiologisch müssen folgende Differenzialdiagnosen erwogen werden:

9. Therapie

Bei kleinen bis mittleren FTRCT wird eine arthroskopische Manschettenreparatur angestrebt. Ist der gesamte Sehnenansatz betroffen, kann die Retraktion der Sehne medial des Glenoids die Notwendigkeit einer offenen Reparatur bedingen. Bei signifikanter Muskelatrophie ist eine Reparatur nicht mehr möglich. Ein Débridement kann die Symptome verbessern.

Durch zusätzliche Physiotherapie können sich die Schmerzen bessern. Einige Patienten entwickeln jedoch eine Cuff-Arthropathie. In diesem Fall kann eine Arthroplastik notwendig sein.

10. Quellen

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