Supraspinatussehnenruptur
Definition
Die Supraspinatussehnenruptur ist die häufigste Form der Rotatorenmanschettenruptur.
Anatomie
Die Supraspinatussehne ist Teil der sogenannten Rotatorenmanschette. Diese setzt sich aus den Sehnen der vier Rotatorenmanschettenmuskeln zusammen und umschliesst den Humeruskopf von drei Seiten (oben: Supraspinatussehne, vorne: Subscapularissehne, hinten: Infraspinatussehne und Teres-minor-Sehne). Die Supraspinatussehne ist durch ihre anatomische Anordnung an der Oberseite des Humeruskopfes ein wichtiger Unterstützer der Armhebung zur Seite und nach vorn. Grundsätzlich dient der Musculus supraspinatus der Abduktion sowie der Außenrotation.
Pathomechanismus
Durch ihre exponierte Lage zwischen Acromion und Humeruskopf ist die Supraspinatussehne besonders starken biomechanischen Belastungen ausgesetzt. Unfallereignisse, chronische Überlastung und physiologische Alterungsprozesse können im Laufe des Lebens Einrisse (Partialruptur) oder Abrisse (transmurale Ruptur) der Supraspinatussehne hervorrufen.
Symptome
In vielen Fällen treten Beschwerden in Zusammenhang mit Schäden der Supraspinatussehne erstmals nach kleineren Überlastungen oder ungewohnter körperlicher Tätigkeit auf. Nächtliche Schmerzen und einschießende Beschwerden bei Überkopfbewegungen oder ruckartigen Krafteinwirkungen sind typisch für die Frühphase nach Eintritt einer Rotatorenmanschettenruptur.
Diagnostik
Ein geübter Schulterexperte kann bereits in der Frühphase das Vorliegen einer Supraspinatussehnenruptur durch eine körperliche Untersuchung (Jobe-Test, Innenrotations-Lag-Zeichen) und Ultraschall-Diagnostik feststellen. Ein konventionelles, bzw. digitales Röntgenbild zeigt ebenfalls typische Veränderungen, die allerdings erst in fortgeschrittenen Stadien eindeutige Rückschlüsse auf den Zustand der Rotatorenmanschette zulassen. Deshalb gilt die MRT-Untersuchung als Goldstandard für den Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur.
siehe Hauptartikel: Partialruptur der Rotatorenmanschette und transmurale Rotatorenmanschettenruptur
Therapie
Zur Behandlung der Supraspinatussehnenruptur gibt es sowohl konservative als auch operative Behandlungskonzepte.
Konservative Therapie
Auf konservativem Weg ist eine Heilung der abgerissenen Supraspinatussehne nicht möglich. Ein solcher Therapieansatz zielt also darauf ab, eine allmähliche Gewöhnung an den Defektzustand herbeizuführen. Zur Anwendung kommen etablierte Verfahren wie physikalische Therapie (Eis, Wärme, Reizstrombehandlung), Physiotherapie (z.B. Lockerungsmassagen) und Medikamente (Analgetika, oral oder lokal applizierte Glukokortikoide). Weitere Therapieverfahren sind die ACP-Behandlung (Eigenplasmatherapie) oder auch Hyaluronsäureinjektionen. Der therapeutische Wert dieser Behandlungsformen ist jedoch umstritten.
Operative Therapie
Die operative Therapie der Ruptur der Supraspinatussehne hat eine möglichst vollständige Normalisierung der Biomechanik des Schultergelenks zum Ziel. Die abgerissenen Sehnenstrukturen werden mithilfe von Knochenankern im Bereich der usprünglichen Sehnenansätze am Oberarmkopf fixiert. Bei entsprechend schonender Nachbehandlung kommt es innerhalb von 6 bis 7 Wochen zu einer Einheilung der Sehne. Durch eine 2-3 Monate dauernde Reha-Phase werden Sehnen und Muskulatur so weit gekräftigt, dass eine annähernd normale Funktion und Belastbarkeit des Schultergelenks resultiert. Die Indikation zur Operation muss individuell gestellt werden.
Operationszeitpunkt
Anders als bei Knochenverletzungen können Sehnenschäden an der Rotatorenmanschette in aller Regel über ein größeres Zeitfenster hinweg operativ behandelt werden. Theoretisch ist auch viele Jahre nach einem Abriss eine Wiederanheftung der Supraspinatussehne möglich. Aus praktischen und wissenschaftlichen Erwägungen sollte eine Verletzung möglichst bald nach der Diagnosestellung operiert werden, wenn der betroffene Patient sich für diesen Weg entscheidet. Ein Zeitraum von 3 bis 6 Monaten erscheint angemessen, um sich und sein soziales Umfeld/seine Arbeitsplatzsituation auf die anfänglichen Einschränkungen nach einer Schulteroperation vorzubereiten.
Operationsverfahren
Die arthroskopische (endoskopische, minimal-invasive) Operationstechnik hat sich zunehmend zum Goldstandard bei der Versorgung von Rotatorenmanschettenrupturen entwickelt. Auch die offenen Techniken haben gute Heilungsergebnisse. Dennoch sind selbst bei sehr geübten Operateuren Narbenbildung, Schädigung der Deltamuskulatur und Komplikationsraten (Infektion, Wundheilungsstörungen) in wesentlich höherem Ausmaß zu beobachten, als bei der endoskopischen Technik. Auch können etwaige Begleitschäden an der Bizepssehne oder an anderen wichtigen Strukturen des Schultergelenks bei der offenen Technik oft nicht ausreichend erkannt und therapiert werden. Postoperative Schmerzen und bisweilen auch eine vorübergehende Einsteifung der Schulter sind bei beiden Techniken zu beobachten, da das Schultergelenk über sehr eigenwillige Reaktionsmuster auf operative Behandlungsmaßnahmen verfügt. Die endoskopische Technik wird selbst in Deutschland nur von einer begrenzten Zahl an Operateuren gut beherrscht. Gründe dafür liegen in der zeitaufwändigen Ausbildung und den vor allem bei weniger geübten Operateuren sehr langen (und damit kostenintensiven) OP-Zeiten.
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung nach einer Rekonstruktion der Supraspinatussehne umfasst normalerweise eine 6-wöchige Ruhigstellung auf einer sogenannten Abduktionsbandage (Armkissen). Der Arm darf von Anfang an für kleinere Verrichtungen aus der Bandage genommen werden. Zur Nacht muss diese jedoch strikt getragen werden, um eine unbeabsichtigte Überlastung der Sehne auszuschliessen. Nach 8 Wochen ist eine weitgehende Belastbarkeit der Rotatorenmanschette gewährleistet, so dass nun ein sehr schonender Aufbau von Beweglichkeit und Armkraft eingeleitet werden kann. Zum Erreichen dieses Ziels ist die Verordnung einer ambulanten Rehamaßnahme hilfreich. Laufsport kann 2 Monate nach der OP begonnen werden, Ballsportarten frühestens 4 bis 6 Monate nach dem Eingriff.