Mikroinstabilität der Schulter
Englisch: microinstability of the shoulder, AIOS
Definition
Als Mikroinstabilität der Schulter wird eine pathologische Beweglichkeit (Hyperlaxizität) des Schultergelenks bezeichnet, die in einer Bewegungsrichtung oder bei Rotation besteht, ohne dass eine Luxation vorliegt.
Terminologie
Die Bezeichnung "Mikroinstabilität der Schulter" wird in der Literatur widersprüchlich beschrieben. Häufig wird sie als Vorstufe der inneren Schulterimpingements angesehen. Teilweise werden alle SLAP-Läsionen und Risse des Bizepsankers dazu gezählt. Weiterhin wird der Begriff als Synonym zu SLAC-Läsionen und Verletzungen des Ligamentum glenohumerale superius und medium aufgefasst.
Die Mikroinstabilität wird auch als AIOS bezeichnet. Das Akronym steht für:
- acquired, often in overhead throwing athletes (erworben, oft bei Wurfsportarten)
- (micro)instability on examination (Mikroinstabilität bei körperlicher Untersuchung)
- overstress etiology (chronische Überlastung als Ursache)
- surgery is treatment of choice (chirurgische Behandlung)
Epidemiologie
In der Regel tritt eine Mikroinstabilität bei jungen Erwachsenen auf. Männer sind häufiger betroffen.
Ätiopathogenese
Die Mikroinstabilität beruht auf einer Verletzung in der oberen Hälfte des Schultergelenks, d.h. im superioren Labrum glenoidale, im Rotatorenintervall oder im Ligamentum glenohumerale medium (MGHL). Ursächlich ist eine chronische Überlastung der vorderen Gelenkkapsel durch Überkopf- und Wurfsportarten (z.B. bei Volleyball oder Schwimmen). Auch ein akutes Trauma kann zu einer Mikroinstabilität führen.
Begleitverletzungen
Assoziierte Begleitveletzungen sind:
- inneres Schulterimpingement bei Überkopf- und Wurfsportlern: kann aus einer chronischen Mikroinstabilität resultieren
- SLAC-Läsion: gelenkseitige Partialruptur der anterioren Supraspinatussehne in Kombination mit einer SLAP-Läsion Typ IIa.
- Pulley-Läsion mit Subluxation der langen Bizepssehne
- anterosuperiore Knorpelfissur
Diagnostik
Die Mikroinstabilität der Schulter ist eine klinische Diagnose, die auf Schulterschmerzen und dem Gefühl der Überweglichkeit beruht. Bei der körperlichen Untersuchung findet sich keine objektivierbare Instabilität.
Bildgebung
In der MRT der Schulter kann ein Riss im anterosuperioren Labrum auffallen. In Kombination mit einer gelenkseitigen Partialruptur der anterioren Supraspinatussehne spricht man von einer SLAC-Läsion. Gleichzeitig kann ein Ödem im angrenzenden Rotatorenintervall vorliegen. Bei Ruptur der labralen Anheftung von MGHL oder SGHL zeigt sich ein hohes PDw-Signal.
Sensitiver ist die MR-Arthrographie: Das hohe Signal des intraartikulär applizierten Kontrastmittels dehnt sich in die Labrumläsion und labrale Anheftung von MGHL oder SGHL aus.
Differenzialdiagnosen
- Normvarianten des anterosuperioren Labrums: Foramen sublabrale, Buford-Komplex
- SLAP-Läsion: teilweise werden alle SLAP-Läsionen zur Mikroinstabilität gerechnet
- Verletzung des Rotatorenintervalls: kann auch zu einer Mikroinstabilität führen. Als SLAP-Läsion Typ X wird eine SLAP-Läsion mit gleichzeitiger Verletzung des Rotatorenintervalls bezeichnet.
Therapie
Die Mikroinstabilität der Schulter kann durch physikalische Therapie und Beendigung des Auslösers behoben werden. Bei anhaltenden Symptomen kommt ein Débridement des Labrums oder eine Reparatur der anterosuperioren Gelenkkapsel und des Rotatorenintervalls in Frage.
Literatur
- Mistry A, Campbell RS Microinstability and internal impingement of the shoulder, Semin Musculoskelet Radiol. 2015;19(3):277-283
- De Filippo M et al. Imaging of shoulder instability, Skeletal Radiol. 2020;49(10):1505-1523
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