SLAP-Läsion
Synonym: SLAP-Riss
Englisch: SLAP tear, superior labral anterior posterior tear
Definition
Die SLAP-Läsion bezeichnet einen Riss des superioren Labrum glenoidale des Schulterblatts am Ursprung der langen Bizepssehne, der von vorne (anterior) bis nach hinten (posterior) reicht. Das Akronym SLAP steht für "superior labral anterior posterior".
Ätiologie
Eine SLAP-Läsion entsteht unter anderem bei einem Sturz auf den ausgestreckten Arm, wenn der Humeruskopf gegen das superiore Glenoid und Labrum stößt. Ein weiterer Verletzungsmechanismus sind akute Traktionen der Bizepssehne durch forcierte Extension bei gebeugtem Unterarm, beispielsweise beim Tragen eines schweren Möbelstücks, wenn die andere Person ihr Ende plötzlich fallen lässt.
Weiterhin können auch chronische Überlastungen zu einer SLAP-Läsion führen, besonders bei Sportlern mit repetitiven Überkopf-Belastungen (Werfer). Die Überkopfbewegung mit abduziertem und nach außenrotiertem Arm ist mit einem plötzlichen Zug auf den Arm und einer kräftigen Kontraktion des Musculus biceps brachii verbunden, was dazu führt, dass sich das Labrum vom Glenoid ablöst. Bei posterosuperiorem inneren Schulterimpingement, das häufig bei Überkopfsportlern vorkommt, wird die posterosuperiore Rotatorenmanschette zwischen posterosuperiorem Labrum und Tuberculum majus humeri eingeklemmt.
Begleitverletzungen
Je nach vorliegendem Typ zeigt sich eine Läsion der Bizepssehne. SLAP-Läsionen sind in 40 bis 50 % mit Rotatorenmanschettenrupturen assoziiert. Bei Überkopfbelastungen bzw. innerem Schulterimpingement mit SLAP-Läsion kommen Rupturen der posterioren Rotatorenmanschette vor. Traumatische SLAP-Läsionen sind weiterhin mit paralabralen Zysten der Incisura spinoglenoidalis assoziiert. Begleitende chondrale oder osteochondrale Verletzungen können ebenfalls vorkommen.
Klassifikation
Snyder-Klassifikation
Zur Einteilung der unterschiedlichen SLAP-Läsionen stehen verschiedene Klassifikationen zur Verfügung. Die Klassifikation nach Snyder unterscheidet 4 Typen:[1]
Typ I
Bei der SLAP-Läsion Typ I handelt es sich um eine Ausfransung des superioren Labrums ohne Labrumriss oder Ablösung vom Glenoid. Der Bizepsanker ist intakt. Die Typ-I-Läsion befindet sich in der 11- bis 1-Uhr-Position des Labrums.
Typ II
Beim Typ II handelt es sich um eine partiellen Längsriss des superioren Labrums. Sie stellt die häufigste klinisch relevante SLAP-Läsion dar. Der Bizepsanker ist oft instabil, die Bizepssehne jedoch nicht gerissen.
Typ III
Bei der SLAP-Läsion Typ III handelt es sich um einen kompletten Riss ("full-thickness tear") mit Ablösung des superioren Labrumfragments vom Glenoidrand. In der Arthroskopie erscheint das Fragment als Korbhenkelriss. Der Bizepsanker ist intakt.
Typ IV
Die SLAP-Läsion Typ IV ist ein Längsriss des superioren Labrums, der sich in den Beginn der langen Bizepssehne ausdehnt. Dabei kann sowohl eine partielle als auch eine komplette Ruptur der langen Bizepssehne vorliegen. Der Labrum-Bizeps-Anteil kann nach kaudal in den Gelenkspalt disloziert sein.
Modifikationen
Es existieren 8 weitere Typen der SLAP-Läsion beschrieben, bei denen weitere Anteile des Labrums oder andere Bänder des Schultergelenks mitbetroffen sind. Diese werden als ausgedehnte SLAP-Läsionen zusammengefasst.[2]
Klinik
Typisch ist ein plötzlich einsetzender Schmerz bei oben genannten Bewegungen bzw. Traumata. Begleitend können je nach Ausprägung eine Bewegungseinschränkung oder ein Gelenkerguss auftreten.
Kleinere Läsionen können auch länger asymptomatisch bleiben und nur bei bestimmten Bewegungen bzw. Positionen, z.B. beim Schlafen, Schmerzen verursachen.
Diagnostik
Die Diagnostik gestaltet sich aufgrund der oft unspezifischen Symptomatik schwierig. Bei der körperlichen Untersuchung kann der Speed-Test und der O'Brien-Test angewendet werden.
Apparativ kommt hauptsächlich die MRT der Schulter und gegebenenfalls eine MR-Arthrographie mit intraartikulärer Applikation von Kontrastmittel zum Einsatz. Oft kann die definitive Diagnose jedoch nur im Rahmen einer Arthroskopie gestellt werden.
Radiologie
CT-Arthrographie
Die CT-Arthrographie wird eingesetzt, wenn die MRT kontraindiziert ist. SLAP-Läsionen zeigen sich als eine hyperdense Flüssigkeit, die nach lateral in das superiore Labrum verläuft. Die Sensitivität beträgt etwa 90 %.
MRT
In der Magnetresonanztomographie fällt bei der SLAP-Läsion Typ I eine irreguläre Ausfransung der Spitze des superioren Labrums auf. Das superiore Labrum ist signalangehoben.
Bei der SLAP-Läsion Typ II zeigt sich auf coronalen Bildern eine lateral orientierte, lineare T2w-Signalanhebung, die sich bis zur Oberfläche des Labrums erstreckt, meist zur inferioren gelenkseitigen Oberfläche. Der Riss kann sich am Labrum-Knorpel-Übergang oder innerhalb der Labrumsubstanz befinden. Die anteriore und/oder posteriore Ausdehnung lässt sich am besten auf axialen Bildern erkennen.
Bei der SLAP-Läsion Typ III erstreckt sich die lineare T2w-Signalanhebung über das gesamte Labrum. Das superiore Labrum ist abgelöst, in der konventionellen MRT erscheint es jedoch in der Regel nicht disloziert. Man spricht hier von einem nicht-dislozierten Korbhenkelriss.
Bei der SLAP-Läsion Typ IV erstreckt sich die lineare T2w-Signalanhebung des Labrums in den Ursprung der langen Bizepssehne. Die Labrumläsion ist insbesondere in coronalen, der Bizepssehnenriss in sagittalen Aufnahmen erkennbar. Einige Bizepssehnenrupturen können nur als vedickte Sehne mit erhöhtem intratendinösem Signal erscheinen. Der Bizeps kann vollständig gerissen und von der labralen Anheftung abgerissen sein.
Die Sensitivität der MRT für SLAP-Läsionen Typ II bis IV beträgt etwa 70 %. Nach Kontrastmittelgabe liegt die Sensitivität bei 85 bis 90 %. Das Kontrastmittel-Enhancement aufgrund der altersbedingten myxoiden Degeneration des Labrums führt jedoch zu einer geringeren Spezifität.
MR-Arthrographie
In der MR-Arthrographie erstreckt sich das Kontrastmittel nach lateral in das superiore Labrum. Das hohe Signal weist eine Breite von > 3 mm auf. Weitere Zeichen sind:
- im axialen Bild zeigt sich eine lineare Signalanhebung, die sich von anterior nach posterior durch das superiore Labrum erstreckt (Spezifität 40 %).
- Kontrastmittel erstreckt sich in das Labrum posterior des Bizepsankers (Spezifität 50 %)
Die Sensitivität der MR-Arthrographie beträgt 90 bis 95 %.
Differenzialdiagnosen
SLAP-Läsionen sind radiologisch teilweise schwer von einem sublabralen Rezessus zu unterscheiden, der bei 75 % der Menschen vorkommt. Hilfreiche Zeichen zur Unterscheidung sind:
- Bei der SLAP-Läsion verläuft das hohe T2w-Signal nach lateral orientiert. Beim Rezessus folgt das glatt begrenzte, hohe T2w-Signal der Krümmung des Glenoids nach medial.
- Double-Oreo-Cookie-Sign: zwei Linien mit hohem T2w-Signal. Eine Linie ist der superiore Rezessus, die andere ist eine SLAP-Läsion
- Bei der SLAP-Läsion ist die T2w-Signalanhebung im coronalen Bild abnormal breit. Eine Breite > 2 mm deutet eher aus eine SLÄP-Läsion hin.
- Das hohe T2w-Signal reicht bis hinter den Bizepsanker: umstritten, weil sich der Rezessus auch in 31 bis 91 % der Fälle bis hinter den Bizepsanker ausdehnen kann.
- Bei 40 % der SLAP-Läsionen findet sich eine Ausdehnung in das anterosuperiore Labrum. Die Spezifität beträgt 90 %.
Weitere Differenzialdiagnosen sind:
- Foramen sublabrale: kommt bei 10 % der Menschen vor
- Buford-Komplex
Therapie
SLAP-Läsionen werden initial konservativ mittels NSAR und Physiotherapie behandelt. Die Patienten sprechen jedoch häufig nicht auf die konservative Therapie an, insbesondere wenn eine glenohumerale Instabilität oder ein Riss der Rotatorenmanschette vorliegt. Eine Schulterarthroskopie wird durchgeführt, um die Läsion zu charakterisieren und um eine chirurgische Behandlung zu planen. Die chirurgische Therapie hängt von der Art des Risses, dem Alter des Patienten, der Stabilität des oberen Labrums und der Integrität des Bizepsankers ab. Koexistierende Schulteranomalien wie Rotatorenmanschettenrupturen werden ebenfalls behandelt.
Typ-I-Läsionen haben meist keine klinische Relevanz. Seltener erfolgt ein arthroskopisches Débridement des Labrums.
Bei SLAP-Läsionen Typ II erfolgt ein Débridement sowie eine Reparatur des Labrums und der Bizepssehne. Bei SLAP-Läsionen Typ III wird das Labrumfragment reseziert. Typ-IV-Läsionen benötigen neben der Resektion des Labrumfragments eine Reparatur der Bizepssehne.
SLAP-Läsionen des Typs V und VI werden mit einer Labrumreparatur und einer Bizeps-Tenodese behandelt. Bei SLAP-Läsionen vom Typ VII erfolgt eine Bizeps-Tenodese und eine Reparatur des Ligamentum glenohumerale mediale. SLAP-VIII-Risse benötigen eine kapsulolabrale Rekonstruktion. SLAP-Läsionen vom Typ IX und X werden mit einem Débridement des Labrumkomplexes und einer operativen Stabilisierung der Schulter behandelt.
Peer-Review durch Bijan Fink |
Literatur
- Borrero CG et al. Magnetic resonance appearance of posterosuperior labral peel back during humeral abduction and external rotation, Skeletal Radiol. 2010;39(1):19-26
- Modarresi S et al. Superior labral anteroposterior lesions of the shoulder: part 1, anatomy and anatomic variants, AJR Am J Roentgenol. 2011;197(3):596-603
- Modarresi S et al. Superior labral anteroposterior lesions of the shoulder: part 2, mechanisms and classification, AJR Am J Roentgenol. 2011;197(3):604-611
- Symanski JS et al. Diagnosis of Superior Labrum Anterior-to-Posterior Tears by Using MR Imaging and MR Arthrography: A Systematic Review and Meta-Analysis, Radiology. 2017;285(1):101-113
Quellen
- ↑ Snyder SJ et al. SLAP lesions of the shoulder, Arthroscopy. 1990;6(4):274-279
- ↑ Maffet MW et al. Superior labrum-biceps tendon complex lesions of the shoulder, Am J Sports Med. 1995;23(1):93-98
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