Multidirektionale Schulterinstabilität
Synonyme: multidirektionale glenohumerale Instabilität, multidirektionale Schultergelenkinstabilität
Englisch: multidirectonal shoulder instability
Definition
Eine multidirektionale Schulterinstabilität, kurz MDI, ist eine dynamische atraumatische Form der Schulterinstabilität, bei der eine Hyperlaxizität der intakten kapsuloligamentären Strukturen zu einer Hypermobilität des Humeruskopfs in anteriorer, posteriorer und inferiorer Richtung führt.
Hintergrund
Die multidirektionale Schulterinstabilität wird auch als AMBRII abgekürzt, wobei das Akronym die wichtigsten Merkmale zusammenfasst:
- atraumatisch
- multidirektional
- bilateral
- Rehabiliation als Standardtherapie
- inferiore Gelenkkapsel: Falls eine Operation durchgeführt wird, wird die Kapsel gestrafft
- Intervall: Rotatorenintervall wird im Falle einer Operation ebenfalls gestrafft oder rekonstruiert.
Epidemiologie
Die MDI manifestiert sich in der Regel vor dem 30. Lebensjahr. Frauen sind häufiger betroffen.
Ätiologie
Die multidirektionale Schulterinstabilität entsteht nicht aufgrund einer traumatischen Schulterluxation, sondern durch eine kongenital bedingte Hyperlaxizität des Kapsel-Band-Apparats. Daher tritt sie meist bilateral auf. Repetitive Dehnung der Gelenkkapsel in Kombination mit einer Dysbalance der dynamischen Gelenkstabilisatoren, insbesondere bei Schwimmern, wirkt verstärkend. Auch eine funktionelle bzw. psychosomatische Komponente scheint teilweise eine Rolle zu spielen.
Die MDI tritt in 25 % der Fälle familiär gehäuft auf. Ursächlich scheint eine gestörte Kollagensynthese zu sein. In einigen Fällen liegt ein Ehlers-Danlos-Syndrom zu Grunde.
Klinik
Patienten mit einer MDI berichten meist über Schulterschmerzen bei tagtäglichen Aktivitäten sowie über ein Gefühl der rezidivierenden Subluxation oder Luxation.
Diagnostik
Die multidirektionale Schulterinstabilität wird klinisch diagnostiziert. Die MRT der Schulter dient primär dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen, wobei verschiedene Befunde hinweisend auf eine MDI sind:
- keine Labrumläsion, keine Verletzung der Gelenkkapsel
- keine Hill-Sachs- oder reverse Hill-Sachs-Läsion
- hypoplastisches Glenoid (Radius der Kurvatur > 100 mm)
- Retroversion des Glenoids > 6°
In der MR-Arthrographie finden sich folgende Zeichen:
- Weite des Rotatorenintervalls > 15 mm
- Tiefe des Rotatorenintervalls > 6,5 mm
- Ausdehnung der inferioren Kapsel > 25 mm
Außerdem finden sich in zusätzlichen ABER-Sequenzen zwei radiologische Zeichen:
- Crescent Sign: Kontrastmittel zwischen Ligamentum glenohumerale inferius (IGHL) und Humeruskopf
- Triangle Sign: Kontrastmittel im dreieckigen Raum zwischen IGHL, Humeruskopf und Glenoid
Differenzialdiagnosen
Patienten mit einer traumatischen ausgedehnten Labrumläsion, die > 180° des Labrums einbezieht, können in der körperlichen Untersuchung ebenfalls eine multidirektionale Instabilität aufweisen. Auch eine SLAP-Läsion Typ IX, also eine superiore Labrumläsion unter Einbezug der anterioren und posterioren Anteile, kann sich klinisch ähnlich zu einer MDI präsentieren. Einige Patienten mit Verletzungen des Rotatorenintervalls weisen ebenfalls eine MDI auf.
Bei einer Mikroinstabilität der Schulter treten meist Schmerzen ohne signifikante Instabilitätssymptome auf.
Therapie
Bei einer MDI erfolgt eine Rehabilitation mit Stärkung der dynamischen Schulterstabilisatoren sowie Wiederherstellung der neuromuskulären Kontrolle. In therapierefraktären Fällen kommen eine Kapsuloraphie und eine Kapselshift in Frage.
Literatur
- Schaeffeler C et al. MR arthrography including abduction and external rotation images in the assessment of atraumatic multidirectional instability of the shoulder, Eur Radiol. 2014;24(6):1376-1385
- Longo UG et al. Multidirectional Instability of the Shoulder: A Systematic Review, Arthroscopy. 2015;31(12):2431-2443
- Park KJ et al. Evaluation of Inferior Capsular Laxity in Patients with Atraumatic Multidirectional Shoulder Instability with Magnetic Resonance Arthrography, Korean J Radiol. 2019;20(6):931-938
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