Schilddrüsentumor (Hund)
Englisch: thyroid tumor, thyroid growth
Definition
Epidemiologie
Schilddrüsentumoren kommen überwiegend bei mittelalten bis alten Hunden vor und sind neben den malignen Lymphomen die häufigsten Tumoren im Halsbereich. Das mittlere Alter bei der Entdeckung des Tumors liegt in etwa bei 10 Jahren. Bestimmte Rassen sind deutlich überrepräsentiert (z.B. Boxer, Beagle, Dackel, Golden Retriever und Sibirische Huskies).
Je nach Literatur und Autor tritt die Erkrankung geschlechtsunabhängig oder bei weiblichen Tieren gehäuft auf.
Ätiologie
Die Gründe für die Entstehung von tumorös entarteten Schilddrüsen bei Hunden sind noch nicht vollständig bekannt. Derzeit stehen verschiedene auslösende Faktoren in Verdacht, Schilddrüsentumoren verursachen zu können. Hierzu zählen z.B. ionisierende Strahlen, übermäßige Iodzufuhr, chronische TSH-Stimulation und Genmutationen.
Pathophysiologie
Der Großteil (> 90 %) der klinisch diagnostizierten Schilddrüsentumoren sind Karzinome, weshalb alle neu entdeckten Tumore bis zum Beweis des Gegenteils als maligne einzustufen sind.
Schilddrüsentumoren treten unilateral, seltener bilateral auf. Sie neigen zur lokalen Invasion in die Halsmuskulatur, Trachea, in den Ösophagus sowie in die umliegenden Nerven und Blutgefäße.
Die Tumore metastasieren bevorzugt in die retropharyngealen und zervikalen Lymphknoten sowie in die Lunge - selten auch in Leber, Milz, Niere, Nebenniere, Wirbelsäule und andere Knochen. Bei rund 30 bis 60 % der betroffenen Hunde können zum Zeitpunkt der Diagnosestellung schon Metastasen gefunden werden. Die Wahrscheinlichkeit der Metastasierung steigt mit zunehmendem Tumorvolumen deutlich an und ist bei bilateralen Tumoren (ca. 16-fach erhöht) wesentlich größer als bei unilateralen Neoplasien.
Der Großteil der Hunde ist euthyreot. 30 % der Tiere sind durch tumorbedingte Zerstörung des funktionellen Schilddrüsengewebes hypothyreot. Nur etwa 10 % der erkrankten Tiere sind hyperthyreot.
Neben den Schilddrüsen kann auch ektopisches Schilddrüsengewebe, das entlang der Trachea bis zur Herzbasis ausgebildet ist, tumorös entarten. In seltenen Fällen sind die Tumoren als Adenome zu klassifizieren. Diese sind meist klein, hormonell inaktiv und daher klinisch unauffällig.
Klinik
Betroffene Hunde werden meist aufgrund einer sicht- und auch palpierbaren Umfangsvermehrung im ventrolateralen Halsbereich vorstellig. Je nach Umfang und Invasivität der Zubildung sind zusätzlich noch Symptome wie Dysphagie, Regurgitieren, Husten, veränderte Vokalisation, Gewichtsverlust und Apathie feststellbar.
Hunde, die zusätzlich hypothyreot sind, weisen meist typische Symptome einer Hypothyreose auf (Trägheit, Leistungsschwäche, Haut- und Haarkleidveränderungen, schwacher Puls, Anöstrus u.ä.). Hyperthyreote Hunde hingegen sind meist unruhig, nervös, sie zittern, zeigen Tachypnoe, Tachykardie, Polyphagie bei gleichzeitiger Abmagerung, Polydipsie und Polyurie. Die Symptome sind oftmals nur gering ausgeprägt und können auch variieren.
Die Laborbefunde zeigen oftmals diverse Veränderungen wie Anämie, Hypalbuminämie, Hypo- oder Hyperkalzämie und erhöhte Leberenzyme. Die Abweichungen können von gering- bis hochgradig sein oder auch ganz fehlen.
Diagnose
Anamnese und klinische Untersuchung ergeben erste Hinweise auf eine mögliche Erkrankung im Bereich der Schilddrüsen. Nachdem meist eine deutliche Umfangsvermehrung im kranioventralen Halsabschnitt ertastet werden kann, sollte eine Ultraschalluntersuchung angeschlossen werden. Beim Verdacht einer Neoplasie im Bereich der Schilddrüse ist unbedingt ein Röntgen des Thorax durchzuführen (Staging).
Durch eine ultraschallgestützte Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) mit anschließender zytologischer Untersuchung wird die Dignität des Tumors festgestellt.
Differenzialdiagnosen
Mögliche Differenzialdiagnosen einer zervikalen Umfangsvermehrung sind:
Ebenso ist eine Mukozele der Speicheldrüsen auszuschließen.
Therapie
Die Therapie eines bestätigten Schilddrüsenkarzinoms gestaltet sich aufgrund seiner lokalen Ausbreitung und der hohen Metastasierungstendenz meist schwierig. Es stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die individuell - abhängig von der Klinik und den Erwartungen der Patientenbesitzer - ausgewählt werden müssen:
- Chirurgische Resektion: Für unilaterale und frei bewegliche Tumoren ohne Metastasierung die Methode der Wahl (lange Überlebenszeiten von > 3 Jahren möglich)
- Strahlentherapie: Bei lokal invasiven Tumoren (keine Möglichkeit der chirurgischen Resektion) die Methode der Wahl (Überlebenszeiten liegen zwischen 2 und 62 Monaten).
- Radiojodtherapie: Bietet sich als Alternative zur Strahlentherapie mit ebenfalls guten Resultaten und langen Überlebenszeiten an.
- Chemotherapie: Eine alleinige Remission konnte bislang nicht erzielt werden, empfiehlt sich jedoch als Kombinationstherapie mit anderen Methoden an.
- Thyroxin: Unterdrückt die TSH-Synthese, sodass der stimulierende Einfluss auf das Schilddrüsengewebe wegfällt - sollte daher vor chirurgischen Eingriffen durchgeführt werden.
- Palliativ bzw. symptomatisch: Wenn keine anderen Behandlungsmethoden in Frage kommen.
Prognose
Bei lokal invasiven Tumoren und Metastasen ist die Prognose zurückhaltend zu stellen. Mit den genannten Therapieoptionen können aber meist mehrjährige Remissionen erzielt werden.
Literatur
- Hans G. Niemand (Begründer), Peter F. Suter, Barbara Kohn, Günter Schwarz (Herausgeber). Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2012.
Quellen
- American College of Veterinary Surgeons Thyroid Tumors, abgerufen am 05.01.2020
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