Oesophagus (Veterinärmedizin)
Synonym: Speiseröhre, Esophagus, Ösophagus
Definition
Der Oesophagus ist ein Muskelschlauch mit geschichtetem Wandbau, der bei allen Haussäugetieren den Pharynx mit dem Magen verbindet.
Anatomie
Der Oesophagus nimmt seinen Ursprung als Fortsetzung des Schlundkopfes hinter dem kaudalen Schlundkopfschnürer. Sowohl beim Hund als auch bei der Katze kann das Limen pharyngooesophageum als kraniale Begrenzung der Speiseröhre angesehen werden. Je nach Lage, kann der Oesophagus in drei Abschnitte unterteilt werden:
- Halsteil (Pars cervicalis oesophagi)
- Brustteil (Pars thoracica oesophagi)
- Bauchteil (Pars abdominalis oesophagi)
Halsteil
Der Halsteil (Pars cervicalis oesophagi) ist zwischen den Musculus longus colli eingeschoben und befindet sich somit im zentralen Halsbindegewebsraum. Anfangs befindet er sich in der Medianebene dorsal der Trachea, wendet sich jedoch im kaudalen Drittel auf die linke Seite. In diesem Abschnitt können magenwärts geleitete Bissen oder abgeschlucktes Wasser durch Vorwölbung ersichtlich werden. Gleichzeitig kann hier beim Legen einer Magensonde an dieser Stelle der korrekte Sitz kontrolliert werden.
Um den Oesophagus operativ zugänglich zu machen, eignet sich der nach links verlagerte Abschnitt besonders gut. Wichtige Nachbarsstrukturen in dieser Region sind:
- Arteria carotis communis
- Vena jugularis interna
- Truncus jugularis
- Lymphonodi cervicales profundi
- Truncus vagosympathicus
- Nervus laryngeus recurrens
- Halsteil (Lobus cervicalis) des Thymus (bei Jungtieren)
Brustteil
Der Brustteil (Pars thoracica oesophagi) nimmt seinen Beginn auf Höhe der Apertura thoracica cranialis. Nachdem der Oesophagus im kaudalen Drittel des Halsteils auf der linken Seite der Trachea zum Liegen gekommen ist, schiebt er sich im kranialen Mittelfell wieder auf die Dorsalseite der Trachea. Dabei tritt die Pars thoracica oesophagi über die Luftröhrengabelung (Bifurcatio tracheae) hinweg und verläuft im mittleren Mediastinum rechtsseitig am Arcus aortae vorbei. Im weiteren Verlauf legt sich der Oesophagus unter die Aorta thoracica, die in diesem Abschnitt vom Truncus vagalis dorsalis und ventralis begleitet wird.
Auf der rechten Seite der Pars thoracica oesophagi ist bei Hund, Katze und Schwein das geräumige Cavum mediastini serosum ausgebildet, das beim Pferd und Wiederkäuer deutlich kleiner ist. Hier befinden sich in unmittelbarer Nähe die Lymphonodi mediastinales caudales.
Im letzten Abschnitt des Brustteils zieht der Oesophagus dem Hiatus oesophageus entgegen.
Bauchteil
Nach dem Passieren des Hiatus oesophageus zieht der Oesophagus als Bauchteil (Pars abdominalis oesophagi) weiter nach kaudal. Dieser Abschnitt ist variabel ausgebildet, weist jedoch in den meisten Fällen nur einen kurzen Verlauf über die Impressio oesphagea am Dorsalrand der Leber auf und findet sein Ende im Ostium cardiacum des Magens.
Dieser Abschnitt ist beim Hund und bei der Katze allenfalls 5 bis 10 mm lang, ist bei den meisten Tieren jedoch kaum ausgebildet.
Gefäßversorgung
Arterien und Venen
Da der Oesophagus mehrere Abschnitte besitzt, werden auch diese von unterschiedlichen Gefäßen gespeist:
- Halsteil: arteriell über kleine Äste der Arteria carotis communis und venös über Zweige der Vena jugularis interna bzw. bei Schaf, Ziege und Pferde über die Vena jugularis externa
- Brustteil: arteriell über den Ramus oesophageus der Arteria bronchooesophagea, venös über die Vena bronchooesophagea, die in die Vena azygos dextra einmündet bzw. beim Schwein und Wiederkäuer durch die Vena oesophagea der Vena azygos sinistra
- Bauchteil: arteriell und venös über die Rami oesophagei der Arteria und Vena gastrica sinistra
Lymphdrainage
Die regionären Lymphknoten sind:
- Lymphonodi cervicales profundi craniales, medii und caudales
- Lymphonodi mediastinales craniales, manchmal auch die medii und caudales
Innervation
Der Oesophagus wird durch den Nervus vagus innerviert, von dem zahlreiche Rami oesophagei abzweigen:
- Ramus pharyngeus
- Nervus laryngeus cranialis
- Nervus laryngeus recurrens
- Truncus vagalis dorsalis
- Truncus vagalis ventralis
- intramurales Nervensystem in der Tunica muscularis und Tela submucosa
Histologie
Der Oesophagus weist einen fünfschichtigen histologischen Wandbau auf:
- Tunica mucosa: mehrschichtig unverhorntes bzw. verhorntes Plattenepithel (je nach Tierart)
- Tela submucosa
- Tunica muscularis: je nachdem welches Tier betrachtet wird, befinden sich hier quergestreifte oder glatte Muskelfasern
- Tunica adventitia: stellt als äußerer Bindegewebsmantel die Verbindung mit der Umgebung her und gestattet eine begrenzte Beweglichkeit
- Tunica serosa: im Brustteil, v.a. in unmittelbarer Nachbarschaft zum Cavum mediastini serosum und im Bauchteil befindet sich anstelle der Tunica adventitia eine Tunica serosa
Folgende Tabelle bietet einen allgemeinen Überblick über die unterschiedlichen Speiseröhrenabschnitte der jeweiligen Haussäuger:
Tier | Epithel | Lamina muscularis mucosae | Drüsen (Submukosa) | Tunica muscularis | Tunica adventitia |
---|---|---|---|---|---|
Pferd | verhornt | longitudinale Bündel | nur am Übergang Pharynx-Oesophagus | 2/3 quergestreift, 1/3 glatt | lockeres Bindegewebe |
Schwein | verhornt | kranial nein, kaudal ja | kraniale Hälfte | 1/3 quergestreift, 1/3 gemischt, 1/3 glatt | lockeres Bindegewebe |
Wiederkäuer | verhornt | longitudinale Bündel | nur am Übergang Pharynx-Oesophagus | durchgehend quergestreift | lockeres Bindegewebe |
Hund | nicht verhornt | kranial nein, einzelne Bündel | durchgehend | durchgehend quergestreift | lockeres Bindegewebe |
Katze | nicht verhornt | longitudinale Bündel | nur am Übergang Pharynx-Oesophagus | 2/3 quergestreift, 1/3 glatt | lockeres Bindegewebe |
Funktion
Der Oesophagus befördert die aufgenommene Nahrung in Form von einzelnen Bissen mittels peristaltischer Kontraktionswellen nach kaudal. Diese Wellen werden im Pharynx beim Abschlucken ausgelöst und schieben den Bolus vor sich her. Rund um den Bolus ist die Eigenmuskulatur erschlafft und die Schleimhaut entfaltet. Werden zu große Bissen abgeschluckt, werden Dehnungsreize ausgelöst, die zu sekundären Kontraktionswellen führen. Somit ergeben sich Störungen der Transportfunktion des Oesophagus u.a. durch festsitzende Fremdkörper oder eine eventuelle Dauerkontraktion der Eigenmuskulatur (Spasmus).
Wiederkäuer
Die Speiseröhre des Wiederkäuers befördert Nahrung nicht nur magenwärts, sondern saugt sie auch aus dem Magen an und presst sie mundwärts. Für diese Rejektion besitzen Wiederkäuer im Gegensatz zu den Monogastriern einen relativ dünnwandigen, ampullenartig erweiterten Brustteil der Speiseröhre. Während einer Inspiration wird der unter dem Magenmund angesammelte flüssige Futterbrei (Ingesta) bei geöffneter Kardia in den Brustteil der Speiseröhre angesaugt. Das Ansaugen dauert so lange, bis ein reflektorisches Schließen der Kardia erfolgt. Mittels anschließender Kontraktionen presst die Speiseröhre einen Teil der Ingesta zurück in den Hauben-Pansen-Raum (flüssiger Anteil), während der andere Teil in die Mundhöhle gelangt.
Gleichzeitig verlassen auch Gase, die im Zuge der Gärung im Pansen entstehen (Pansengase), über den Oesophagus den Körper. Diese Fluchtstoffe werden nicht einfach über den Pharynx aus dem Körper geleitet, sondern über einen weiteren tierartspezifischen Mechanismus in die Trachea umgeleitet, sodass diese Gase über die Ausatemluft entweichen können. Diesen Vorgang bezeichnet man als Ruktus.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, and Eugen Seiferle. Band II: Organsysteme. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.
- Egerbacher, Monika, Gabner, Simone et al., Gewebelehre und mikroskopische Anatomie. Skriptum für Übungen und Konversatorien der Histologie. Veterinärmedizinische Universität Wien. Stand: 01.10.2015