Ruktus (Veterinärmedizin)
Synonym: Ruktation
Definition
Als Ruktus bezeichnet man die Abgabe der während der Verdauung im Vormagensystem der Wiederkäuer entstandenen Pansengase an die Umwelt.
Die Entsprechung beim Menschen ist das Aufstoßen.
Physiologie
Während der mikrobiellen Fermentation entstehen im Nahrungsbrei Gase (hauptsächlich Kohlendioxid und Methan), die sich als voluminöse Gasblase im dorsalen Pansensack (Saccus dorsalis) sammeln. Aufgrund der enormen Mengen an Gas (500 bis 1500 Liter pro Tag beim Rind), ist eine regelmäßige Abgabe des Pansengases über den Ruktus unentbehrlich.
Als vagovagaler Reflex erfolgt der Ruktus ein- bis zweimal pro Minute. Damit die Abgabe erfolgen kann, wird zunächst die dorsale Gasblase durch eine Kontraktion des dorsalen Pansensackes während des B-Zyklus nach kranial vor die Kardia geschoben. Dabei werden Rezeptoren - die sich in diesem Magenabschnitt befinden - aktiviert, worauf eine reflektorische Öffnung der Kardia erfolgt. Durch den geöffneten Sphinkter kann das Gas in den Ösophagus strömen und mittels antiperistaltischer Kontraktion nach oral befördert werden.
Das nach oral transportierte Gas kann jedoch nicht sofort an die Außenwelt abgegeben werden, da der Nasen-Rachen-Raum durch das gespannte und emporgehobene Gaumensegel fest verschlossen ist. Gleichzeitig ist das Maul der Tiere während des Ruktus geschlossen, weshalb ebenfalls kein Austreten der Gase erfolgen kann. Das Gas gelangt so zunächst in die Luftröhre und anschließend in die Lunge. In den Alveolen wird das Kohlendioxid teilweise resorbiert, was zu einer vorübergehenden Hyperventilation aufgrund der Erregung peripherer Chemorezeptoren führt.
Die im Vormagensystem gebildeten Gase werden somit nicht direkt an die Umwelt abgegeben, sondern mit der Ausatemluft abgeatmet.
Klinik
Damit der Ruktus geordnet ablaufen kann, muss die Kardia während der Kontraktion des dorsalen Pansensackes frei von Ingesta sein. Liegt ein Wiederkäuer in Seiten- oder gar Rückenlage, so ist der Ruktus aufgrund vorgeschobenem Mageninhalt erschwert oder nicht möglich. Dies ist ein Mitgrund, weshalb Operationen beim Rind im Allgemeinem im Stehen unter Lokalanästhesie (z.B. Sectio caesarea) durchgeführt werden.
Schlundverstopfungen (z.B. durch ungenügend vorgequellte Rübenstücke) können ebenfalls zu einer Störung des Ruktus führen. Diese Tiere gasen zunehmend auf, was als Tympanie bezeichnet wird. Aufgrund dessen können innerhalb weniger Stunden Atem- und Kreislaufstörungen eintreten, die hauptsächlich auf das Vordrängen des Zwerchfells nach kranial zurückzuführen sind.
Literatur
- von Engelhardt, Wolfgang, et al. Physiologie der Haustiere. Georg Thieme Verlag, 2015
- König, Horst Erich, Hans-Georg Liebich. Anatomie der Haussäugetiere: Lehrbuch und Farbatlas für Studium und Praxis. Schattauer Verlag, 2014