Synonym: PID
Englisch: preimplantation genetic testing (PGT)
Unter Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, versteht man genetische Untersuchungen, die dazu dienen, genetisch-bedingte Erkrankungen oder Chromosomenanomalien bei extrakorporal erzeugten Embryonen vor ihrem intrauterinen Transfer zu erkennen.
Eine künstliche Befruchtung kommt dann zum Einsatz, wenn auf natürlichem Wege keine Schwangerschaft eintritt. Neuere Entwicklungen im Bereich der Genetik bieten nun die Möglichkeit der genetischen Untersuchung der befruchteten Eizelle vor deren Einpflanzung in die Gebärmutter. Das erste lebend geborene Kind nach einer PID wurde im Jahr 1995 dokumentiert.
Alle vier Jahre werden von der Bundesregierung regelmäßig Daten zum Thema Präimplantationsdiagnostik vorgelegt. Diese beruhen auf Grundlage der gemeldeten Daten an das Paul-Ehrlich-Institut.
Im Jahr 2018 beispielsweise lag die Zahl der Anträge mit zustimmender Bewertung durch die Ethikkommision bei 319. Abgelehnt wurden 23 Anträge. Die tatsächlich durchgeführte Anzahl an PIDs betrug 315[1].
In Deutschland gibt es derzeit zehn zugelassene PID-Zentren und fünf PID-Ethikkommissionen (Stand 09/2019).
Lange Zeit über war die Durchführung einer PID in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG) grundsätzlich verboten (§3a Absatz 1). Durch das am 8. Dezember 2011 in Kraft getretene Präimplantationsdiagnostikgesetz (PräimpG) wurde das Embryonenschutzgesetzes (ESchG) jedoch geändert.[2] Eine PID ist seither in zwei Außnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen erlaubt (§3a Absatz 2). Nicht rechtswidrig ist die Durchführung einer PID:
Zusätzlich sind eine ausführliche Aufklärung und Beratung der Frau, die schriftliche Einwilligung der Frau von der die Oozyte stammt und ggf. des Mannes von dem die Samenzelle stammt, sowie ein ärzlich-humangenetischer Befund über die genetische Disposition vor Durchführung der PID notwendig.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erfolgt die Erstellung eines Antrages, der anschließend von der PID-Ethikkommission in einem zugelassenem Zentrum überprüft und diskutiert wird. Die PID darf bei Zustimmung daraufhin nur in solchen Zentren durchgeführt werden, die von der zuständigen Behörde für die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik zugelassen sind und über die notwendigen reproduktionsmedizinischen und genetischen Möglichkeiten verfügen.[1]
Es wird bewusst auf einen Katalog mit Nennung bestimmter Krankheiten verzichtet. Eine Prüfung der jeweiligen Fälle obliegt dem behandelnden Arzt und der Ethikkommision. Beispielhaft sind folgend einige monogenetische Erkrankungen aufgezählt, die häufig zu einer PID-Antragstellung führen:
Bei multifaktoriell bedingten Erkrankungen müssten viele genetische Risikofaktoren bei zahlreichen Embryonen untersucht werden, um einen wenig belasteten Embryo zu finden. Dies ist derzeit nicht praktikabel.
Die Untersuchung erfolgt an Embryonen, die mithilfe künstlicher Befruchtung, z.B. der In-vitro-Fertilisation (IVF) bzw. der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) extrakorporal gezeugt wurden.
Ausgangsmaterial der PID ist eine Biopsie von ein bis zwei embryonalen Zellen. Meist befindet sich der Embryo dabei im sogenannten 8-Zell-Stadium, das etwa drei Tage nach der Befruchtung erreicht wird. Die durch Furchung entstandenen Zellen nennt man Blastomeren. Man spricht daher auch von einer Blastomerenbiopsie. Von den entnommenen Zellen wird angenommen, dass sie totipotent sind, also in der Lage, sich jeweils zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln. Es gibt allerdings Hinweise, dass hier zumindest ein gewisses Cell Commitment - eine Art "Vordifferenzierung" vorhanden ist. Eine negativer Einfluss der Blastomerenbiopsie auf die Implantation und die spätere Embryonalentwicklung kann daher nicht ausgeschlossen werden.[3]
Darüber hinaus kann etwa 5 bis 6 Tage nach Befruchtung eine sogenannte Trophektodermbiopsie, eine Biopsie einiger Trophektodermzellen (zumeist 5 bis 6 Zellen der Blastozyste), durchgeführt werden. Die auf diese Art gewonnenen Trophoblasten haben ein beschränktes Entwicklungspotential und sind lediglich multipotent.
Mittlerweile kann eine genetische Analyse auch nicht- oder minimal-invasiv durch Analyse des embryonalen Kulturmediums oder von Flüssigkeit aus der Blastozystenhöhle auf zellfreie DNA erfolgen.[4] Diese Verfahren werden als sogenanntes Non-invasive Preimplantation Genetic Testing (niPGT) zusammengefasst. Allerdings sind diese Techniken bislang (2020) kaum etabliert.
Das so erhaltene Erbgut wird anschließend auf genetisch-bedingte Erkrankungen oder Chromosomenanomalien untersucht. In einigen Ländern sind im Rahmen der PID auch Untersuchungen im Hinblick auf nicht krankheitsrelevante Merkmale wie z.B. das Geschlecht des zukünftigen Kindes, das Vorhandensein einer bestimmten Behinderung oder seiner Eignung als Organ- bzw. Gewebespender für ein bereits lebendes erkranktes Geschwisterkind (durch HLA-Typisierung) möglich.
In Abhängigkeit der durch die PID erhobenen Ergebnisse erfolgt dann entweder die Implantation des Embryos in die Gebärmutter bzw. dessen Verwerfung.
Eine PID ist keine Regelleistung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Kosten für die Durchführung einer PID müssen somit durch das antragstellende Paar getragen werden.
Die Polkörperdiagnostik wird eigentlich der Präfertilisationsdiagnostik zugeordnet. Durch die Untersuchung des Polkörperchens, das gemeinsam mit der Eizelle entnommen wird, kann indirekt auf bisher aufgetretene Fehler bei der Chromosomenverteilung der Eizelle geschlossen werden. Die genetische Untersuchung findet vor der Befruchtung statt, weshalb die Untersuchung im eigentlichen Sinne nicht der PID zugeordnet wird. Der zeitliche Spielraum ist jedoch sehr klein. Ab dem Moment der Verschmelzung des Spermiums mit der Eizelle und unter Auflösung der Membranen der Vorkerne kommt das Embryonenschutzgesetz zum greifen. Erfolgt ab diesem Zeitpunkt eine Zellentnahme, so unterliegt sie den Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik.
Die Testverfahren erfassen:
Während es für die ersten beiden Testungen eine klare Indikationsstellung gibt, ist dies beim PGT-A nicht der Fall. Auch gibt es keine Evidenz, dass PGT-A zu einem höheren Schwangerschaftserfolg führt.
Folgende Methoden kommen dabei zum Einsatz:
Im Rahmen der PID bestehen für die Frau Risiken durch die IVF/ICSI. Durch die Eizellentnahme bzw. beim Embryonentransfer kann es zu Infektionen kommen. Zum anderen kann infolge der hormonellen Stimulation ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom auftreten. Darüber hinaus entstehen bei extrakorporaler Befruchtung gehäuft Mehrlingsschwangerschaften, welche mit entsprechenden Risiken für Mutter und Kind verbunden sind.[5]
Darüber hinaus bietet die PID keine abschließende Sicherheit, dass das Kind ohne Auffälligkeiten geboren wird.
Die PID ist seit deren Entwicklung häufig Gegenstand großer Kritik. Von Kritikern wurde das Verfahren mit der Vorstellung einer Produktion von "Designerbabys" stark abgelehnt. Befürworter sehen in der PID hingegen die Möglichkei, bei bekannten genetischen Defekten in der Familie zu verhindern, dass ein Kind mit einer schweren Krankheitslast geboren wird. Durch die PID würden der Mutter ebenfalls risikobehaftete Eingriffe wie eine Amniozentese und ggf. ein Abort erspart bleiben - beides Eingriffe, die mit hoher psychischer Belastung verbunden sind.
Der Vorwurf, dass Menschen, die sich für eine PID entscheiden, behinderte Menschen abwerten wollten, sollte darüber hinaus kritisch hinterfragt werden. Ethisch umstritten ist der Einsatz der PID für die Suche eines passenden Spenders für eine lebensrettende Knochenmarktransplantation.[6]
Tags: Embryo, In-vitro-Fertilisation, IvF
Fachgebiete: Gynäkologie, Reproduktionsmedizin
Diese Seite wurde zuletzt am 29. Oktober 2020 um 15:00 Uhr bearbeitet.
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