Präfertilisationsdiagnostik
Synonym: Präkonzeptionsdiagnostik
Englisch: prefertilization diagnosis
Definition
Unter Präfertilisationsdiagnostik versteht man die gentechnische Methode der Polkörperdiagnostik. Durch die Untersuchung des ersten und zweiten Polkörpers kann indirekt auf genetische oder chromosomale Defekte der Eizelle geschlossen werden.
Hintergrund
Eine genetische Untersuchung kann nicht nur an embryonalen Zellen durchgeführt werden, im Hinblick auf bestimmte Fragen können auch die während der Meiose entstehenden Polkörper viele Rückschlüsse auf die genetische Information von Eizellen ermöglichen.
Die Präfertilisationsdiagnostik ist - ebenso wie die Präimplantationsdiagnostik - in Deutschland zur Selektion genetisch gesunder Zygoten zugelassen. Sie dient der Entdeckung monogen bedingter Erkrankungen (z.B. Zystische Fibrose, Spinale Muskelatrophie oder Sichelzellanämie) oder chromosomaler Veränderungen des weiblichen Chromosomensatzes.
Grundlagen der Polkörperbildung
- Die Eizelle im Eierstock besitzt vor dem Eisprung einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz.
- Im Rahmen der ersten Reifeteilung bildet sich unter Ausschleusung eines einfachen Chromosomensatzes aus dem Zytoplasma der erste Polkörper. Dieser enthält somit einen haploiden Chromosomensatz mit Zwei-Chromatid-Chromosomen. Der andere einfache Chromosomensatz verbleibt in der Eizelle.
- Nach Eindringen eines Spermiums, aber noch vor der Befruchtung, folgt die zweite Reifeteilung und die Bildung des zweiten Polkörpers unter Ausschleusung eines Chromatidensatzes. Der zweite Polkörper enthält folglich einen haploiden Chromosomensatz mit Ein-Chromatid-Chromosomen.
- Nach Verschmelzung der Eizelle mit dem Spermium (das ebenfalls nur einen Chromosomensatz trägt), entsteht ein Embryo mit doppeltem Chromosomensatz.
Die Polkörper stellen somit quasi ein Art Abfallprodukt der meiotischen Teilung dar und haben für die weitere embryonale Entwicklung keinerlei Bedeutung.
Methode
Die Präfertilisationsdiagnostik bedient sich der so genannten Polkörperbiopsie. Dazu werden kurz vor bzw. nach der Befruchtung der Eizelle durch das Spermium - aber noch vor der Verschmelzung der Zellkerne - jeweils der 1. und 2. Polkörper der Eizelle, nach Möglichkeit gleichzeitig, entnommen.
Das so gewonnene DNA-Material kann zur genetischen Diagnostik verwendet werden. Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse einer Polkörperdiagnostik scheinen in etwa vergleichbar mit den Ergebnissen der Untersuchung embryonaler Zellen.
Embryonenschutzgesetz
Da zum Zeitpunkt der Polkörperentnahme väterliches und mütterliches Erbgut noch getrennt voneinander vorliegen, unterliegt die Polkörperdiagnostik nicht dem Embryonenschutzgesetz (ESchG). Es gilt somit nicht als Verstoß gegen das ESchG, wenn eine genetische Diagnostik an den Polkörpern durchgeführt und Eizellen (einschließlich des Vorkernstadiums) verworfen werden.
Ab dem zeitlichen Moment der Verschmelzung des Spermiums mit der Eizelle und unter Auflösung der Membranen der Vorkerne kommt das Embryonenschutzgesetz zum greifen. Erfolgt ab diesem Zeitpunkt eine Zellentnahme so unterliegt sie den Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik.
Somit war es in Deutschland schon vor der Revision des Deutschen Embyonenschutzgesetzes (ESchG) im Jahr 2011 möglich, Polkörperbiopsien durchzuführen.
Nachteile
Die wesentlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sind die Entnahme der Polkörper, ohne der Eizelle Schaden zuzufügen, sowie die fachgerechte Untersuchung der Polkörper.
Weiterhin ist diese Methode nur zeitlich begrenzt möglich. Grund dafür ist die Tatsache, dass väterliches und mütterliches Erbmaterial nach Ausbildung des zweiten Polkörpers nur noch kurze Zeit getrennt voneinander vorliegen. Sobald sie verschmelzen, kommt das Embryonenschutzgesetz (ESchG) zum Tragen.
Bei der Polkörperdiagnostik werden lediglich die bis zur Polkörperentnahme aufgetretenen Fehler detektiert. Chromosomale Veränderungen, die in der späteren Entwicklung des Embryos auftreten, können somit nicht diagnostiziert werden. Diese machen jedoch nur etwa < 5 % aus.
Darüber hinaus beschränkt sich die genetische Aussagekraft lediglich auf das Erbmaterial der Mutter. Die Präfertilisationsdiagnostik dient also hauptsächlich dem Nachweis von numerischen Chromosomen-Fehlverteilungen (Aneuploidiescreening) oder mütterlicher Translokationen in Eizellen. Genetische Informationen über das väterliche Genom können dadurch nicht erfasst werden. Dadurch dass paternale genetische oder chromosomale Faktoren nicht diagnostiziert werden können, sind Aussagen über monogene Erkrankungen nur eingeschränkt möglich.
Die Polkörperdiagnostik kann somit nur in bestimmten Fällen als Alternative zu einer Präimplantationsdiagnostik an Blastomeren angesehen werden.
um diese Funktion zu nutzen.