Chromosomenaberration
von lateinisch: aberrare - abweichen
Synonym: Chromosomenanomalie
Definition
Eine Chromosomenaberration ist eine Anomalie, welche die Struktur oder Anzahl von Chromosomen eines Genoms betrifft.
Einteilung
Grundsätzlich sind zwei verschiedene Formen der Chromosomenaberration zu unterscheiden.
Numerische Chromosomenaberration
Die normale Chromosomenzahl einer diploiden menschlichen Körperzelle beträgt 46 (2n = 2 x 23 = 46). Man bezeichnet diesen Zustand als Euploidie. Eine Vervielfachung der Chromosomenzahl wird Polyploidie genannt. Sie ist nicht mit dem menschlichen Leben vereinbar.
Beträgt die Anzahl der Chromosomen kein Vielfaches des haploiden Satzes (n=23), liegt eine Aneuploidie vor. Sie ist in den meisten Fällen auf eine fehlerhafte Trennung der homologen Chromosomen bzw. der Schwesterchromatiden in der Meiose zurückzuführen. So gebildete Keimzellen haben einen Chromosomensatz mit n+1 bzw. n-1. Werden diese fehlerhaften Keimzellen von normal ausgestatteten Keimzellen befruchtet, bilden sich entweder Zygoten mit einer Trisomie (2n+1) oder einer Monosomie (2n-1). Monosomien der Autosomen sind nicht mit dem Leben vereinbar. Einige Trisomien sind es jedoch. Die bekannteste Form der Trisomie beim Menschen ist das Down-Syndrom (Trisomie 21). Eine Monosomie X ist ebenfalls mit dem Leben vereinbar.
Mono- bzw. Trisomien können auch durch fehlerhafte Trennung der Chromatiden während einer Mitose bedingt sein. Daher kann nach der Befruchtung eine fehlerhafte Mitose der Zygote zur Ausbildung eines Mosaiks führen. Dabei liegen in einem Individuum mindestens zwei verschiedene Zellpopulationen mit unterschiedlichem Chromosomensatz vor. Mosaikformen spielen bei Vorliegen einer numerischen Chromosomenaberration eine wesentliche Rolle für die Ausprägung des Phänotyps.
Strukturelle Chromosomenaberration
Verlust von Chromosomenmaterial erfolgt in Form von Abbrüchen oder funktionell durch fehlerhaftes Zusammenfügen von Chromosomenstücken. Es sind eine Reihe von anschaulichen Mechanismen zu unterscheiden:
- Translokation
- Sonderform: Robertson-Translokation
- Deletion
- Inversion
- Isochromosom-Bildung
- Ringchromosom-Bildung
Dabei kann die strukturelle Anomalie eines Chromosoms sehr genau angegeben werden. Die Chromosomen werden dazu in kurze (Abkürzung p) und lange (Abkürzung q) Arme gegliedert und ihre Banden durchnumeriert. So kann beispielsweise genau angegeben werden, dass bei einem Individuum der kurze Arm von Chromosom 5 (5p) fehlt. Diese Deletion von 5p führt zum sogenannten Katzenschrei-Syndrom.
Vorkommen
Chromosomenaberrationen liegen Schätzungen zufolge bei jeder 200. Geburt in mehr oder weniger ausgeprägter Form vor. Dabei ist zu beachten, dass diese Chromosomenaberrationen nur die mit dem Leben vereinbaren sind. 50 % der im ersten Trimenon stattfindenden Aborte sind hingegen auf nicht mit dem Leben vereinbare Aberrationen zurückzuführen.
Diagnostik
Chromosomen werden durch den Zytogenetiker nach der Erstellung eines Karyogramms analysiert. Das Karyogramm zeigt die Chromosomen getrennt und in einem für jedes Chromosom charakteristischen Bandenmuster gefärbt. So können Chromosomenaberrationen mit geübtem Blick auf Anhieb erkannt werden. Schwierigere Fälle (z.B. Mikrodeletionen) können die Durchführung einer FISH (Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung) erforderlich machen. Dabei können einzelne definierte Abschnitte eines Chromosoms spezifisch mit Markersonden angefärbt werden. Die FISH ermöglicht es daher, auch kleine Anomalien zielsicher aufzudecken.
Ein weitere Option der Erfassung von u.a. Mikrodeletionen ist die optische Genomkartierung. Allerdings wird diese Methode in Deutschland derzeit (2024) vor allem zu Forschungszwecken eingesetzt.
Chromosomenanalysen können aus den Leukozyten des Blutes durchgeführt werden. Eine Pränataldiagnostik ist nach Gewinnung von Fruchtwasserzellen durch Amniozentese (ab 15. SSW) oder nach einer Chorionzottenbiopsie (ab 11. SSW) möglich.
Quiz
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