Lymphogranuloma venereum
Synonyme: Lymphogranuloma inguinale, Lymphogranulomatosis inguinalis, Lymphopathia venerea, Poradenitis inguinale, Morbus Durand-Nicolas-Favre, Morbus Nicolas-Favre, klimatischer Bubo, "Vierte Geschlechtskrankheit"
Englisch: Lymphogranuloma venereum
Definition
Das Lymphogranuloma venereum, kurz LGV, ist eine Geschlechtskrankheit (STD), die durch das Bakterium Chlamydia trachomatis ausgelöst wird.
Nomenklatur
Das Lymphogranuloma venereum darf nicht mit der Donovanosis verwechselt werden, die z.T. als Granuloma venereum bzw. inguinale bezeichnet wird und durch Klebsiella granulomatis verursacht wird.
Epidemiologie
Das Lymphogranuloma venereum kommt endemisch in Asien, Afrika, Südamerika und im Südosten der USA vor. In Europa findet sich ein LGV fast nur bei MSM (Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten) bei gleichzeitiger HIV-Infektion unter dem Bild einer Proktitis bzw. Proktokolitis. Männer sind sechsmal häufiger betroffen.
Ätiologie
Ursache des Lymphogranuloma venereum ist eine Infektion mit dem obligat intrazellulären gramnegativen Bakterium Chlamydia trachomatis der Serotypen L1-L3. Es handelt sich um invasive Bakterien, die sich schon früh in Blut, Liquor und Milz ausbreiten. Die Übertragung des Erregers erfolgt nur durch sexuellen Kontakt (z.B. Geschlechtsverkehr).
Symptome
Primärstadium
Die Inkubationszeit beträgt 2-6 Wochen. Häufig entsteht initial eine wenige Millimeter große, entzündliche, schmerzlose, meist einzelstehende, unspezifische Papel. Sie verwandelt sich schnell zu einem Vesikel und geht dann in eine Papulopustel über, die später flach ulzeriert. Prädilektionsstellen sind:
- Penis: Glans penis, Sulcus coronarius, Präputium, vorderer Urethralabschnitt
- Vulva, Vagina, Zervix
Die Primärläsion heilt innerhalb von 10-14 Tagen spontan ab.
Bei MSM stellt das Rektum den häufigsten Infektionsort dar. Dabei kann sich ein anorektales Syndrom mit starken Schmerzen, Blutungen, Tenesmen, Diarrhö oder Obstipation entwickeln. Das klinische Bild ist von einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) nicht zu unterscheiden. Weiterhin können auch asymptomatische Verläufe vorkommen.
Ein pharyngealer Befall nach Oralverkehr ist relativ selten. Hier kommt es zu Ulzerationen der Mund- oder Rachenschleimhaut.
Sekundärstadium
Unbehandelt geht das Lymphogranuloma inguinale in ein Sekundärstadium über. Dabei kommt es - nach einer Latenzzeit von Tagen bis Wochen - zur weiteren Verbreitung der Erreger auf den Lymphwegen mit schmerzhafter, ausgeprägter Lymphadenitis (druckdolente "Bubonen") und Lymphangiitis. Bei genitalem Primäraffekt sind die genitalen, inguinalen oder perinealen Lymphknoten betroffen. Bei Frauen tritt ggf. begleitend eine Zervizitis, Perimetritis oder Salpingitis auf. Eine rektale Infektion macht sich im Sekundärstadium als Proktitis bzw. Proktokolitis bemerkbar.
Durch entzündliche Gewebseinschmelzung kommt es zur Bildung von Abszessen und Fisteln. Die Haut über den Lymphknoten verfärbt sich livide, durch die zunehmende Gewebsverdünnung über den eingeschmolzenen Lymphknoten ist ein Durchbruch der Abszesse mit Entleerung von Pus auf die Hautoberfläche möglich. Die Lymphknoten bleiben auf der Unterlage verschieblich.
Als Allgemeinsymptome können begleitend Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust auftreten. Weiterhin sind Arthralgien, Erythema nodosum, Erythema multiforme oder flüchtige Ausschläge sowie Konjunktivitis, Meningoenzephalitis, Hepatosplenomegalie, Nackensteifigkeit und Kopfschmerzen möglich. Zusätzlich besteht anfänglich eine Leukozytose, später eine Lymphozytose.
Tertiärstadium
Das Tertiärstadium des unbehandelten Lymphogranuloma inguinale ist durch eine Chronifizierung mit ausgedehnten Abszessen, Fisteln, Strikturen und Fibrose im Genitoanalbereich gekennzeichnet. Dadurch kommt es zu einer Störung des Lymphabflusses mit chronischen Lymphödemen der abhängigen Körperpartien. In ausgeprägter Form entwickelt sich eine Elephantiasis des Genitals (Elephantiasis genitoanorectalis ulcerosa). Dieses Stadium wurde früher als eigenständiges Krankheitsbild angesehen (Huguier-Jersild-Syndrom). In der Umgebung des Rektums führt die Lymphadenopathie zu schweren Stauungsphänomenen mit bleistiftförmigen, blutig-eitrigen Stühlen.
Diagnostik
Die Diagnose eines Lymphogranuloma venereum erfolgt durch den Erregernachweis mittels PCR bzw. Nukleinsäureamplifikationstechnik (NAT). Als Untersuchungsmaterial dienen Abstriche aus Primärulzerationen oder dem Rektum sowie Lymphknotenaspirate. Zur Diagnosesicherung wird eine Genotypbestimmung im Speziallabor empfohlen.
Serologische Untersuchungen werden nur selten durchgeführt. Der Nachweis durch Anzüchtung des Erregers auf Spezialmedien ist schwierig und aufwändig.
Differentialdiagnosen
- Ulcus molle (Haemophilus ducreyi): Inkubationszeit 2-10 Tage; initial multiple, diskrete genitale Hautveränderungen; einseitige schmerzhafte Lymphadenopathie mit weicher und fluktuierender Konsistenz und viel Eiter.
- Syphilis: (Treponema pallidum): Inkubationszeit 3 Wochen; derbe Papel; einseitige schmerzlose Lymphadenopathie mit fester Konsistenz und ohne Eiter
- Donovanosis (Klebsiella granulomatis): Inkubationszeit 1-10 Wochen; multiple Papeln und Knoten; granulomatöse, blutende, schmerzlose Lymphadenopathie mit Pseudobubonen (subkutane Granulome)
- HSV- oder CMV-Infektion
- Tuberkulose
- Pest
- Tularämie
- Lymphom
- CED
Therapie
Das Lymphogranuloma inguinale wird durch orale Gabe von Doxycyclin (2 x 100 mg/d) über mindestens 21 Tage behandelt. Alternativ kommen Azithromycin (1,5 g p.o. an Tag 1, 8 und 15) oder Erythromycin (4 x 500 mg/d für 21 Tage) in Frage. In der Schwangerschaft wird Erythromycin und Azithromycin empfohlen. Alle Sexualpartner müssen untersucht und mitbehandelt werden.
Im Tertiärstadium wirkt die antibiotische Therapie nur noch symptomatisch, sodass oft chirurgisch-palliative und rekonstruktive Maßnahmen notwendig sind, um Fisteln und Strukturen zu beseitigen.
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