Limbische Enzephalitis
Englisch: limbic encephalitis
Definition
Limbische Enzephalitis ist ein Überbegriff für eine Gruppe von Entzündungen des Zentralnervensystems. Diese verlaufen zumeist subakut und kommen praktisch nur bei Erwachsenen vor. Sie rufen u.a. psychiatrische Symptome und Krampfanfälle hervor.
Nomenklatur
Der Begriff "limbische Enzephalitis" beruht auf den Erstbeschreibungen des Krankheitsbildes. Er ist jedoch irreführend, da sich die Entzündung nicht auf das limbische System beschränkt, sondern häufig auch auf weitere Hirnareale erstreckt.
Einteilung
Die limbische Enzephalitis wird eingeteilt in die paraneoplastische und die nicht-paraneoplastische limbische Enzephalitis (beide ca. 50 % der Fälle).
Pathogenese
Paraneoplastische limbische Enzephalitis
In etwa 50 % der Fälle liegt eine Krebserkrankung vor. Dabei werden in einem Tumor neuronale Antigene (z.B. das Protein Hu) exprimiert. Diese rufen eine Immunreaktion hervor, da sie normalerweise an diesem Ort nicht vorkommen. So entstehen Antikörper gegen neuronale Strukturen (auch onkoneurale Antikörper genannt, z.B. Anti-Hu-Antikörper), die sich dann fälschlicherweise gegen die im Gehirn exprimierten Proteine richten und über eine zytotoxische T-Zell-Reaktion zur neuronalen Schädigung führen. Primärtumoren, die häufig zu paraneopastischen Enzephalitiden führen, sind z.B. das kleinzellige Bronchialkarzinom, Ovarial- und Mammakarzinom, Thymome oder Keimzelltumoren.
Die limbische Enzephalitis ist in diesen Fällen nicht selten die Erstmanifestation des Tumors.
Nicht-paraneoplastische limbische Enzephalitis
Bei der nicht-paraneoplastischen limbischen Enzephalitis liegt keine Krebserkrankung vor. Vielmehr handelt es sich häufig um eine Autoimmunerkrankung, oder die Pathogenese ist unbekannt. Im ersten Fall liegen spezifische Antikörper gegen neuronale Strukturen vor. Im Gegensatz zu den paraneoplastischen Antikörpern richten sich die Antikörper jedoch häufig gegen neuronale Oberflächenproteine. Es handelt sich meist um eine Beeinträchtigung von Ionenkanälen, was Störungen der Elektrophysiologie verursacht. Die Antikörper sind in diesem Fall direkt pathogen. Es entsteht keine zwischengeschaltete T-Zell-Reaktion. Autoimmun verursachte Enzephalitiden lassen sich mittels Immuntherapie oft verhältnismäßig gut behandeln.
Beispiele sind Antikörper gegen
- NMDA-Rezeptoren (NMDAR)
- Leucine-rich, glioma inactivated 1 (LGI1)
- Contactin-associated protein-like 2 (CASPR2)
- spannungsabhängige Kaliumkanäle (VGKC)
- Glutamatrezeptoren (AMPA)
- GABA-B-Rezeptoren (GABABR)
- Glycin-Rezeptoren (GlyR)
- metabotropen Glutamatrezeptor 5 (mGluR5)
Die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis ist dabei eine der häufigsten Formen und am besten erforscht.
Symptome
Symptomatisch unterscheidet sich beide Formen nicht grundsätzlich. Die Patienten leiden regelmäßig unter epileptischen Anfällen und starken Gedächtnisstörungen – auch amnestisches Syndrom genannt. Psychiatrische Symptome wie Depression, Affektstörung, Halluzinationen, Reizbarkeit, wahnhaftes Erleben, Euphorie oder Apathie gehören ebenfalls zum Vollbild einer limbischen Enzephalitis.
Je nach Ursache können weitere Symptome hinzutreten, z.B. beim Auftreten besonderer Antikörper. So lösen beispielsweise Antikörper gegen LGI1 pathognomonische faziobrachiale dystone Anfälle aus.[1]
Diagnose
- Klinische Untersuchung
- Lumbalpunktion zur Liquordiagnostik, man findet häufig eine Pleozytose und teilweise oligoklonale Banden.
- MRT (nachweisbare Signalanhebungen in der FLAIR/T2-Wichtung)
- Antikörperdiagnostik
- Die paraneoplastischen Antikörper richten sich v.a. gegen intrazelluläre Antigene. Am häufigsten sind Hu (ANNA-1), Yo (PCA-1), Ri (ANNA-2), Ma2, Amphiphysin, GAD, CRMP5 (CV2).
- Die nicht-paraneoplastischen Antikörper richten sich vor allem gegen Oberflächenproteine (NMDA-Rezeptor, VGKC, AMPA-Rezeptor, GABA-B-Rezeptor, Glycin-Rezeptor)
- EEG (z.B. Beta-Delta-Komplexe bei NMDAR-Enzephalitis), teils Nachweis von Herdbefunden möglich, häufig sind die EEG-Veränderungen jedoch unspezifisch.
- Ausführliche Laboruntersuchung (z.B. mit BSG, CRP, Elektrolyten, großem Blutbild, Leber- und Nierenwerten, Gerinnung, TSH, Autoimmunmarkern)
Die begleitende Tumordiagnostik orientiert sich an den nachgewiesenen Antikörpern. Sie kann z.B. CT-Untersuchungen, Mammografie, Gastro- und Koloskopie oder dermatologische Untersuchungen beinhalten. Auch bei Antikörpern gegen Oberflächenantigene ist eine maligne Ursache möglich, daher sollte auch dann eine Tumorsuche erfolgen.
Teilweise sind MRT, Liquordiagnostik und EEG unauffällig, sodass eine negative Diagnostik eine limbische Enzephalitis nicht ausschließt.
Differentialdiagnose
Von der limbischen Enzephalitis müssen andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abgegrenzt werden. Dazu gehören vor allem Infektionen, psychiatrische, rheumatische oder neurodegenerative Erkrankungen, sowie weitere Autoimmunerkrankungen.
Therapie
Eine frühzeitig begonnene Therapie ist empfehlenswert. Bei begründetem Verdacht wird daher ggf. bei noch ausstehender Diagnostik eine Immuntherapie gestartet. Je nach Krankheitsbild setzt sie sich aus hoch dosierten Kortikosteroiden und intravenösen Immunglobulinen zusammen. Zudem kommen teils eine Plasmapherese oder Immunsuppressiva wie z.B. Rituximab, Cyclophosphamid, Azathioprin, Methotrexat, Bortezomib oder Cyclosporin A zum Einsatz.
Eine zugrundeliegende Tumorerkrankung wird, sofern möglich, onkologisch behandelt.
Prognose
Die Prognose richtet sich nach der Art der Enzephalitis. Häufig bleiben Residualsymptome bestehen, auch bei günstigem Krankheitsverlauf.
Eine Besserung der Symptomatik tritt in der Regel nach etwa 1 bis 3 Wochen ein. Bei paraneoplastischen limbischen Enzephalitiden ist eine Besserung häufig erst bei Entfernung des ursächlichen Tumors zu beobachten.
Literatur
- Berlit P: Klinische Neurologie. 3. Auflage, 2011. Springer Verlag
- Prüß, Neuroimmunologie: Neues zur limbischen Enzephalitis, Akt. Neurol, 2013
Quellen
- ↑ Heine et al., Autoimmunenzephalitis – ein Update, Nervenarzt, 2023