Inflammatory bowel disease (Hund)
Synonyme: Chronische (idiopathische) Dünndarmentzündung, chronisches Dünndarmentzündungs-Syndrom, IBD-Komplex, IBD-Syndrom
Englisch: chronic inflammatory bowel disease, IBD
Definition
Als inflammatory bowel disease des Hundes, kurz IBD, bezeichnet man eine Gruppe an chronisch verlaufenden idiopathischen Entzündungen des Darms.
Nomenklatur
Die Bezeichnung IBD fasst eine Gruppe von idiopathischen Darmerkrankungen zusammen, die durch entzündliche Infiltrate gekennzeichnet sind.
Vorkommen
Die meisten betroffenen Hunde sind mittleren Alters. Eine Häufung kann bei Deutschen Schäfer- und Boxerhunden beobachtet werden.
Ätiologie
Die Auslöser sind bislang (2022) unbekannt.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der IBD um eine multifaktorielle Erkrankung handelt, bei der die Darmflora und die Ernährung in einer wechselseitigen Beziehung mit einer gestörten Immunregulation durch das darmassoziierte Lymphgewebe (GALT) stehen. Dabei wird eine lokale oder generalisierte Entzündung und Erhöhung der Permeabilität der Darmmukosa ausgelöst, sodass es zur Ausbildung typischer Symptome kommt.
Pathogenese
Die Erhöhung der Permeabilität führt zu einer vermehrten Einwanderung immunogen wirkender Proteine in die Darmmukosa, wodurch sich die Entzündung verstärkt. Die daraus entstehenden Symptome werden in einer Art Circulus vitiosus über die Produktion von freien Oxygenradikalen, Proteasen, Leukotrienen, plättchenaktivierendem Faktor und Zytokinen verstärkt und unterhalten.
Neueren Untersuchungen zufolge könnten Mutationen von Rezeptoren der angeborenenen Immunität der Darmepithelzellen den Immundefekt verursachen. Diese Mutationen führen zu einer Überreaktion des intestinalen Immunsystems auf die normale kommensale Darmflora sowie auf Nahrungsantigene, weshalb es zu einer unkontrollierten Entzündungsreaktion mit gesteigerter Darmperistaltik und oft stark beschleunigter Ingestapassage kommt. Dies führt zu einer Maldigestion und/oder Malabsorption, weshalb sich osmotische Dünn- und/oder Dickdarmdurchfällen entwickeln.
Verlaufsform
Die IBD kann sich in den unterschiedlichen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts manifestieren und als
- Gastritis (selten),
- Gastroenteritis,
- Enteritis,
- Kolitis oder
- Enterokolitis in Erscheinung treten.
Klinik
Leitsymptom der Erkrankung ist chronischer intermittierender und therapieresistenter Durchfall unterschiedlichen Schweregrades.
Zusätzlich leiden betroffene Tiere an wechselndem Appetit (Polyphagie, Anorexie oder Pica-Syndrom), gelegentlichem Erbrechen und in schweren Fällen infolge der Malabsortion an Abmagerung, struppigem Haarkleid und Haarausfall. Die Beschaffenheit des Kots ist abhängig von der Lokalisation des Entzündungsschwerpunktes (Dünn- oder Dickdarm). Häufig können verdickte Darmschlingen und vergrößerte Darmlymphknoten palpiert und/oder mittels Ultraschall dargestellt werden.
Differenzialdiagnosen
Als Differenzialdiagnosen kommen chronische Durchfälle aufgrund folgender Erkrankungen in Frage:
- Endoparasitosen
- Diätfehler
- Futtermittelallergie
- Futtermittelintoleranz
- bakterielle Enteritiden (Salmonellose, Clostridiose)
- Pilzenteritiden (selten)
- Dysbakterie bzw. Antibiotika-responsive Diarrhö (ARD)
- exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI)
Diagnose
Die IBD ist eine Ausschlussdiagnose, die mittels pathohistologischen Untersuchungen endoskopisch entnommener Biopsate gesichert wird.
Nachdem eine gründliche Anamnese durchgeführt wird, müssen die unterschiedlichen Differenzialdiagnosen schrittweise abgearbeitet und ausgeschlossen werden. Neben einer gründlichen Futtermittelanalyse ist auch die quantitative Bestimmung der cTLI (canine Trypsin-like immunoreactivity) durchzuführen, um eine Beteiligung des exokrinen Pankreas ausschließen zu können. Liegen gleichzeitig abnormale Serumcobalamin- und Folatwerte vor, wird der Verdacht einer IBD erhärtet.
Goldstandard ist die endoskopische Beurteilung und Biopsieentnahme aus Duodenum, Ileum und Colon, die dann zur histologischen Aufbearbeitung in ein Fachlabor übersendet werden.
Pathohistologie
Die IBD wird aufgrund der im histologischen Biopsiebefund dominierenden Zellarten in
- lymphozytär-plasmozytäre Enteritis und Gastroenteritis (LPE),
- eosinophile Enteritis,
- eosinophile Enterokolitis und Gastroenteritis sowie
- granulomatöse (regionale) Enteritis und Enterokolitis unterteilt.
Labormedizin
Veränderungen des Blutbildes sind uneinheitlich und unspezifisch. Abhängig von der Art der IBD können Neutrophilie mit Linksverschiebung und/oder leichte nicht-regenerative Anämien vorgefunden werden.
Schwere Krankheitsverläufe gehen mit Hypoproteinämie und Hypocholesterinämie einher. Serumfolat- sowie Serumcobalaminkonzentrationen und vereinzelt auch Vitamin-K-Konzentrationen können malabsorptionsbedingt erniedrigt ausfallen. Bei vielen Hunden liegt gleichzeitig eine erniedrigte Konzentration an Vitamin D vor. Parallel dazu können auch unspezifische Veränderungen wie leicht erhöhte Leberenzymwerte (reaktive Hepatopathie) sowie eine Hypergammaglobulinämie festgestellt werden.
Therapie
Die Therapie setzt sich einerseits aus einer Anpassung der Fütterung (hypoallergene Futtermittel), andererseits aus der Beseitigung sämtlicher prädisponierender Faktoren sowie aus einer symptomatischen Unterdrückung der abnormen zellvermittelten Entzündung zusammen.
Da Bakterien oft eine Rolle bei der Stimulierung des lokalen Immunsystems spielen und eine Dysbakterie nie ganz sicher ausgeschlossen werden kann, ist eine Verabreichung von Metronidazol (10 bis 15 mg/kgKG 2x täglich p.o. für einige Wochen) indiziert. Alternativ kann auch das Makrolid Tylosin (20 bis 40 mg/kgKG 2x täglich p.o.) angewendet werden. Am häufigsten kommen jedoch Glukokortikoide initial in immunsuppressiver Dosis zum Einsatz, z.B. Prednisolon (1 mg/kgKG 2x täglich p.o.). Nach etwa 2 bis 3 Wochen lässt sich häufig schon eine Besserung beobachten, sodass die Dosis für ca. 2 Wochen halbiert werden kann. Anschließend sollte die Prednisolon-Gabe für ca. 4 Wochen nur noch jeden 2. Tag erfolgen, worauf die Therapie langsam ausgeschlichen wird.
Bei erniedrigtem Serumcobalaminspiegel ist eine entsprechende Supplementation vorzunehmen (Hunde zwischen 5 bis 15 kgKG benötigen 500 µg/Injektion, bei größeren Hunden wird die doppelte Dosis verwendet). Die Applikation ist zuerst wöchentlich für 6 Wochen, danach alle 2 Wochen für 6 Wochen und anschließend 1x im Monat durchzuführen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prognose
Bei ausreichend langer Behandlung und guter Besitzercompliance weist die IBD eine verhältnismäßig günstige Kurzzeitprognose auf. Aufgrund der hohen Rezidivrate ist die Therapie jedoch mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3