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Exekutive Dysfunktion

Synonyme: dysexekutives Syndrom, Dysexekution
Englisch: executive dysfunction

1. Definition

Unter dem Begriff der exekutiven Dysfunktion, kurz ED, fasst man verschiedene neuropsychiatrische Störungen zusammen, bei denen die Exekutivfunktionen beinträchtigt sind, die der Kontrolle und Regulierung der Kognition und des Verhaltens dienen.

2. Abgrenzung

Der Begriff der exekutiven Dysfunktion wird teilweise mit dem Begriff des Frontalhirnsyndroms gleichgesetzt. Obwohl es eine gewisse Schnittmenge zwischen beiden Syndromen gibt, ist das Frontalhirnsyndrom durch eine Läsion des frontalen Cortex definiert, die bei einer exekutiven Dysfunktion zwar häufig, aber nicht zwingend vorhanden ist.[1][2] Das Frontalhirnsyndrom kann auch mit Störungen einhergehen, die über eine exekutive Dysfunktion hinausgehen, beispielsweise Sprachstörungen oder Persönlichkeitsveränderungen.[1][3]

3. Ätiopathogenese

Verschiedene neurologische und psychiatrische Erkrankungen können eine exekutive Dysfunktion bewirken. Mögliche Auslöser sind beispielsweise:[1][2][4][5][6]

Eine topologische Zuordnung der exekutiven Dysfunktion zu einer Hirnregion ist nur teilweise möglich, vermutlich auch deshalb, weil die Exekutivfunktionen eine heterogene Gruppe kognitiver Funktionen sind und eher von neuronalen Netzwerken als von einzelnen Regionen gesteuert werden.[5]

Als "klassischer" ursächlicher Läsionsort bei ED wird der präfrontale Cortex (PFC) angegeben,[4] hierbei insbesondere der dorsolaterale PFC.[1] Bilaterale Läsionen sollen stärker mit einer Dysexekution assoziiert sein als unilaterale.[1] Auch bei basalganglionären Erkrankungen findet sie sich häufig, was u.a. auf integrative Netzwerke zwischen Basalganglien und PFC (z.B. kortikostriatale Bahnen) zurückgeführt wird.[1][2][4][5][6]

Eine exekutive Dysfunktion wurde auch bei Läsionen des Parietal- oder Temporalkortex, des Thalamus, des Zerebellums, subkortikaler Assoziations-/Projektionsfasern, bei diffusen Hirnschädigungen oder ohne klar nachweisbare Läsionen beschrieben.[1][2] In der Pathogenese wird zudem eine generelle Störung monoaminerger Bahnen diskutiert.[2]

4. Klinik

Klinisch zeigen sich kognitive Störungen mit eingeschränkter Planung und Steuerung von Handlungen oder Denkprozessen. Diese können subtil sein und teilweise von anderen Symptomen überschattet werden. Oft bleiben sie unter den strukturierten, wenig selbstbestimmten Bedingungen einer klinischen Untersuchung unbemerkt.[1]

Typische klinische Verhaltensweisen bei Dysexekution sind:[2]

  • unflexible, stereotype, situationsinadäquate Verhaltensweisen
  • unorganisiertes, zielloses Verhalten ohne Antizipation
  • Perseverationsverhalten
  • gestörtes Zusammenfügen von Teilhandlungen zum Erreichen eines Ziels
  • gestörtes Abweichen von einem bereits eingeschlagenen Handlungsmuster bei Veränderung der Umstände
  • gestörtes Umsetzen von bekannten Verhaltensweisen in tatsächliche Handlungen ("knowing-doing-Dissoziation")
  • gestörtes Multitasking

Die genannten Verhaltensdefizite treten häufig in neuen, unerwarteten Situationen auf.[2] Sie führen oft zu wesentlichen Schwierigkeiten in Alltag oder im Beruf. Nicht selten liegt hinsichtlich der Defizite trotz offensichtlicher Alltagsschwierigkeiten eine Anosognosie vor.[2][4]

5. Diagnostik

Zunächst sollten eine Fremdanamnese und Verhaltensbeobachtung erfolgen, auch unter Zuhilfenahme spezieller Fragebögen.[2][4][6] Im Rahmen der körperlichen Untersuchung kann außerdem die Luria-Sequenz Hinweise auf eine exekutive Dysfunktion geben.[7]

Besteht der Verdacht für eine exekutive Dysfunktion, sollten psychometrische Verfahren zur Objektivierung eingesetzt werden. Dabei sind möglichst mehrere Testverfahren zur Prüfung verschiedener Einzelfunktionen anzuwenden, da einzelne Testverfahren nur eine geringe Korrelation zueinander aufweisen.[2][4] Alternativ können auch Testbatterien (z.B. BADS) eingesetzt werden.[2][4][6]

Häufig verwendete Testverfahren zur Prüfung von Exekutivfunktionen sind:[2][8]

exekutive Funktion Testverfahren
Arbeitsgedächtnis
  • Arbeitsgedächtnistest der TAP
Inhibition
Handlungsplanung und Problemlösen
Kognitive Flexibilität

Zusätzlich sollte eine Ursachendiagnostik erfolgen.

6. Therapie

Sofern möglich, behandelt man die ursächliche Erkrankung, was in Teilen zu einer Besserung der Defizite führen kann.[1] Ansonsten beruht die Therapie vor allem auf rehabilitativen Verfahren der Psychotherapie. Zu diesen zählen:[2][4][6]

  • übende Verfahren zur Stärkung kognitiver Einzelfähigkeiten, z.B. Arbeitsgedächtnistraining
  • (kognitiv-)verhaltenstherapeutische Techniken, z.B. Zielmanagementtraining mit Zerlegung eines übergeordneten Zieles in Teilziele
  • kompensierende Maßnahmen mit Einsatz externer Hinweisreize oder Hilfsmittel, z.B. Ablaufpläne an Stellen, an denen Routinehandlungen durchgeführt werden; insbesondere bei schwerer Beeinträchtigung

Zur Pharmakotherapie existiert derzeit sehr wenig Evidenz.[2] In einer sehr kleinen RCT konnte eine Verbesserung exekutiver Funktionen bei Schlaganfallpatienten durch Gabe von Selegilin festgestellt werden.[9] Eine weitere Studie an Patienten mit Parkinsondemenz zeigte außerdem indirekte Hinweise auf eine Verbesserung exekutiver Funktionen unter Rivastigmin.[10]

7. Leitlinie

8. Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 Filley, Clinical neurology and executive dysfunction, Seminars in Speech and Language, 2000
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 Müller und Klein, S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie von exekutiven Dysfunktionen bei neurologischen Erkrankungen, Deutsche Gesellschaft für Neurologie und Gesellschaft für Neuropsychologie, 2019
  3. Pirau und Lui, Frontal Lobe Syndrome, StatPearls, 2023
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 Müller, Therapiemöglichkeiten bei exekutiver Dysfunktion. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, 2016
  5. 5,0 5,1 5,2 Elliott, Executive functions and their disorders, British Medical Bulletin, 2003
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 Müller, Exekutive Dysfunktionen, In: Karnath et al. (Hrsg.), Klinische Neuropsychologie - Kongnitive Neurologie. 2., unveränderte Auflage, Thieme Verlag Stuttgart, 2022
  7. Beschin et al., Luria's fist-edge-palm test: A small change makes a big difference, Cortex, 2023
  8. Schröger und Hartwigsen, Biologische Psychologie, Springer Verlag, 2024, S.67ff
  9. Bartolo et al., An explorative study regarding the effect of l-deprenyl on cognitive and functional recovery in patients after stroke, Journal of the Neurological Sciences, 2015
  10. Schmitt et al., Evaluating Rivastigmine in Mild-to-Moderate Parkinson’s Disease Dementia Using ADAS-Cog Items, American Journal of Alzheimer's Disease & Other Dementias, 2010

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