Borna-Krankheit
Synonym: Borna'sche Krankheit
Englisch: borna disease, sad horse disease
Definition
Die Borna-Krankheit ist eine durch ein behülltes RNA-Virus verursachte Infektionskrankheit beim Pferd und anderen Einhufern, die sich in Form einer Meningoenzephalomyelitis manifestiert. Das Virus kann auch beim Menschen zu einer Infektion führen.
Epidemiologie
Die Borna-Krankheit kommt weltweit vor. Klinisch manifeste Erkrankungen werden hauptsächlich in Deutschland (Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg), der Schweiz (Graubünden), Österreich, Liechtenstein und Großbritannien nachgewiesen. In deutschen Endemiegebieten wird die Seroprävalenz klinisch unauffälliger Pferde mit 11,5 bis 22,5 % angegeben. In Stallungen mit Krankheitsfällen hingegen beträgt sie bis zu 50 %, wobei stets nur Einzeltiere erkranken.
Ein Ausbruch der Krankheit kann gehäuft in den Frühsommermonaten beobachtet werden. Der Großteil der Infektionen verläuft jedoch klinisch inapparent. Der genaue Infektionsmodus ist noch ungeklärt. Der Erreger konnte jedoch bei klinisch inapparenten Tieren vorwiegend im Nasensekret, in der Tränenflüssigkeit und im Speichel gefunden werden. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass die Viren von infizierten Tieren selbst verbreitet werden. Zusätzlich wird angenommen, dass eine Übertragung der Erreger auch über kontaminierten Erdstaub ("Bodenseuche") sowie unbelebte und belebte Vektoren (Arthropoda u.ä.) möglich ist.
Wirte
Humanpathologie
Bislang konnten mehrere Krankheitsfälle beim Menschen nachgewiesen werden, die durch BoDV-1 ausgelöst wurden. Die Infektionen verursachen Enzephalitiden und verlaufen häufig letal.
Ätiologie
Die Borna-Krankheit wird durch das einzelsträngige und behüllte Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) ausgelöst, einem Virus der Gattung Bornavirus (Familie Bornaviridae).
Pathogenese
Die Infektion manifestiert sich in einer meist progressiv und letal verlaufenden, immunmediierten und nicht-eitrigen Meningoenzephalomyelitis. Die Inkubationszeit liegt dabei zwischen 2 Wochen und mehreren Monaten, wobei sich stets eine lebenslang persistierende Infektion einstellt.
Der genaue Pathomechanismus ist noch nicht geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass das Virus über eine intranasale und/oder orale Infektion in den Körper gelangt, axonal über den Nervus olfactorius sowie Nervus trigeminus aufsteigt und sich im ZNS ansiedelt. Die Verbreitung erfolgt v.a. im limbischen System, wobei auch andere Bereiche des Gehirns betroffen und Ort der Virusreplikation sind. Es folgt eine T-Zell-vermittelte und überschießende immunopathologische Reaktion mit Etablierung von perivaskulär-mononukleären Infiltraten in unterschiedlichen Gehirnarealen, die zu funktionellen Störungen der Neurotransmission führen.
Die dadurch bedingten Funktionsstörungen steuern das gefühlsbedingte und triebhafte Verhalten, sodass es zur Ausbildung typischer Symptome kommt. Die Klinik tritt zeitgleich mit dem Entstehen entzündlicher Veränderungen und der damit einhergehenden Meningoenzephalitis auf.
Pathologie
Im histopathologischen Schnittbild zeigen sich hochgradige perivaskuläre Infiltrate sowie eosinophile intranukläre Einschlusskörperchen (Joest-Degen-Einschlusskörperchen), insbesondere im Bereich des lymbischen Systems.
Klinik
Das klinische Bild der Borna-Krankheit ist sehr individuell und geht mit einer Vielfalt an Symptomen einher, die entweder gleichzeitig oder auch aufeinanderfolgend auftreten können.
Zu Beginn der Krankheit kommt es zu charakteristischen Bewusstseins- und Verhaltensstörungen, die bis zum Endstadium progressiv schlechter werden. Neben Apathie (von somnolenten Stadien bis hin zum Stupor) zeigen sich auch Aggressivität, Ängstlichkeit und Übererregbarkeit in unterschiedlichen Ausprägungen. Hinzu kommen im Anfangsstadium oftmals therapieresistentes Fieber, Leerkauen, langsames und immer wieder unterbrechendes Kauen, Gähnen, Kopfpressen und Ausschachten des Penis ohne ersichtlichen Grund.
Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium bilden sich zunehmend Propriozeptionsstörungen, die als abnorme Gliedmaßenstellungen (Überkreuzen der Beine, breitbeiniger Stand u.ä.) in Erscheinung treten. Zusätzlich zeigen betroffene Pferde Kopfschiefhaltung, Hyporeflexie der spinalen Reflexe, Hypästhesie und Ataxie. Oftmals kommt es zusätzlich zu einer neurogen bedingten Halsschiefhaltung (Tortikollis) - meist in Verbindung mit sogenannten Manegebewegungen.
Das Virus verursacht Läsionen in verschiedenen Hirnnerven und/oder deren Kerngebieten, sodass sich den beteiligten Nerven entsprechend Ausfallserscheinungen entwickeln: Dysphagie, Hypersalivation, reduzierter Zungentonus und reduzierte Zungenbeweglichkeit, Bruxismus, Trismus, Fazialisparese, reduzierter Pupillenreflex, Blindheit, Nystagmus, Strabismus und Miosis. Zusätzlich zeigen betroffene Tiere Störungen bei der Futter- und Wasseraufnahme sowie Kau- und Schluckbeschwerden - oftmals in Kombination mit rezidivierenden Koliken.
Der Krankheitsverlauf ist üblicherweise perakut, akut oder subakut und führt bei rund 80 % der Pferde innerhalb weniger Wochen (1 bis 4 Wochen) nach dem Ausbruch der ersten Symptome zum Tod. In seltenen Fällen wird die Erkrankung chronisch und geht dann nur mit unspezifischen Symptomen einher. Bei diesen Pferden kommt es trotz bestehen bleibender Infektion zum Abklingen der akuten Entzündungsherde im Gehirn.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind Herpesvirus-Infektionen, Tollwut sowie bakteriell und parasitär bedingte Meningoenzephalomyelitiden auszuschließen.
Diagnose
Das Auftreten typischer Symptome in einem Endemiegebiet erlaubt eine Verdachtsdiagnose.
Sowohl hämatologisch als auch serologisch können bei erkrankten Pferden keine oder nur unspezifische Befunde gefunden werden. Veränderungen des Liquor cerebrospinalis (erhöhter Proteingehalt sowie eine lymphomonozytäre Pleozytose) sind nur in der akuten bis subakuten Krankheitsphase nachweisbar. Im chronischen Stadium hingegen ist der Liquor cerebrospinalis unauffällig.
Um die Diagnose abzusichern, ist eine Bestimmung von Antikörpern im Serum und/oder Liquor cerebrospinalis geeignet (indirekte Immunfluoreszenz). Eine weitere Möglichkeit ist der Nachweis der Virus-RNA mittels PCR. Eine abschließende Diagnose kann bei typischer klinischer Symptomatik in Kombination mit einem direkten oder indirekten Virusnachweis oder bei klinischen Symptomen in Verbindung mit typischen Veränderungen des Liquor cerebrospinalis gestellt werden. Zweifelsfälle sind nur durch post-mortem-Befunde zu klären.
Therapie
Derzeit (2021) existiert keine kausale Therapie zur Behandlung der Borna-Krankheit.
Prognose
Die Prognose ist aufgrund der fehlenden Therapiemöglichkeiten entsprechend schlecht.
Quelle
- Robert Koch Institut. Information für Ärzte zu den diagnostischen Möglichkeiten bei Enzephalitiden durch das Borna Disease Virus (BoDV-1) und das Variegated Squirrel Bornavirus (VSBV-1) Stand 02.08.2019 (abgerufen am 17.07.2021)
Literatur
- Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219621-6
- Cavalleri JM, Feige K, de Heus P, Zehetner V. 2020. Skript - Neurologie beim Pferd. Bornasche Krankheit. Universitätsklinik für Pferde, Abteilung Interne Medizin, Veterinärmedizinische Universität Wien/Klinik für Pferde, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.