Arimoclomol
Handelsname: Miplyffa®
Synonym: BRX-220
Englisch: arimoclomol
Definition
Arimoclomol ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung des Morbus Niemann-Pick vom Typ C (NPC) eingesetzt wird.
Chemie
Arimoclomol ist ein Hydroxylamin-Derivat. Die Summenformel ist C14H20ClN3O3. Der chemische Name lautet
- N-[(2R)-2-Hydroxy-3-piperidin-1-ylpropoxy]-1-oxidopyridin-1-ium-3-carboximidoylchlorid (IUPAC)
Die molare Masse beträgt 313,78 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 0,45. Die CAS-Nummer ist 289893-25-0. Als Arzneistoff wird Arimoclomolcitrat (CAS 368860-21-3; molare Masse 505,91 g/mol) eingesetzt, das bei Raumtemperatur als kristallines Pulver von weißer bis gebrochen-weißer Farbe vorliegt und in Wasser leicht löslich ist.[1]
Wirkmechanismus
Arimoclomol induziert die Genexpression von Hitzeschockproteinen (Hsp). Bei experimenteller amyotropher Lateralsklerose (ALS) wurde bei transgenen Mäusen der Anstieg der Hsp70- und Hsp90-Konzentration im Rückenmark mit einer neuroprotektiven Wirkung in Verbindung gebracht.[2]
Der Wirkmechanismus beim Morbus Niemann-Pick vom Typ C ist bisher (2024) noch nicht genau bekannt. Möglicherweise verhindert die Aktivierung von Hsp70 einen vorzeitigen Abbau der lysosomalen NPC1- und NPC2-Proteine, die den Cholesterin-Efflux aus Lysosomen und Endosomen steuern. Eine Dysfunktion dieser Proteine führt zur Anhäufung verschiedener Lipidspezies, die zum Absterben von Neurone führt. Die Hitzeschockproteine entfalten ihre neuroprotektive Wirkung wahrscheinlich durch eine Steigerung der Aktivität Sphingolipid-abbauender Enzyme und eine Stabilisierung der lysosomale Membranen.[3]
Arimoclomol bewirkt auch über eine Aktivierung der Transkriptionsfaktoren EB (TFEB) und E3 (TFE3) zu einer verstärkten Expression der sogenannten CLEAR-Gene („coordinated lysosomal expression and regulation“), die in den Lysosomen aktiv sind. Es konnte gezeigt werden, dass Arimoclomol in den Lysosomen menschlicher NPC-Fibroblasten die Konzentration von unverestertem Cholesterin senkt.[4]
Pharmakokinetik
Arimoclomol wird nach oraler Aufnahme rasch resorbiert. Maximale Plasmaspiegel werden nach 30 Minuten erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt 10 %, das Verteilungsvolumen 211 Liter (ca. 3 l/kgKG). Arimoclomol passiert die Blut-Hirn-Schranke. Die Biotransformation erfolgt überwiegend durch Konjugation mit Glutathion und Glucuronsäure sowie durch eine Spaltung NO-Oxim-Bindung. Die Exkretion erfolgt zu 77,5 % mit dem Urin, davon 42 % unverändert. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 4 Stunden.[1]
Indikationen
Klinische Forschung
Die therapeutische Wirksamkeit von Arimoclomol wird derzeit (2024) auch bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS)[5] und mit Einschlusskörpermyositis[6] untersucht.
In einer multinationalen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Parallelgruppenstudie (ORARIALS-01), die mit dem Ziel durchgeführt wurde, die Wirksamkeit und Sicherheit von Arimoclomol bei amyotropher Lateralsklerose nachzuweisen, konnte kein Unterschied im Krankheitsverlauf im Vergleich zu Placebo nachgewiesen werden.[7][8]
Darreichungsform
Arimoclomol steht in Form von Kapseln zur oralen Anwendung zur Verfügung.
Dosierung
Die Dosierung richtet sich nach dem Körpergewicht und der Nierenfunktion.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Arimoclomol sind:[1]
Unter der Behandlung mit Arimoclomol kann es durch Sensibilisierung zu allergischen Reaktionen kommen. In Einzelfällen sind Urtikaria und Angioödeme aufgetreten.
Im ersten Behandlungsmonat wurde ein Anstieg von Kreatinin im Serum um 10 bis 20 % beobachtet, der nicht mit Veränderungen der glomerulären Funktion assoziiert war. Möglicherweise ist dieser Anstieg auf eine Hemmung der tubulären Sekretion zurückzuführen.[1]
Wechselwirkungen
Zu möglichen Wechselwirkungen liegen bisher (2024) keine Daten vor.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Arimoclomol oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft und Stillzeit
Im Tierexperiment wurden reproduktionstoxische Wirkungen festgestellt. Arimoclomol schädigt die Organogenese, führt zum intrauterinen Fruchttod und zu postnatalen Fehlbildungen. Zum Übertritt in die Muttermilch liegen bisher (2024) keine Daten vor.[1]
Da Frauen, die an Morbus Niemann-Pick vom Typ C erkrankt sind, das gebärfähige Alter erreichen können, werden während der Behandlung mit Arimoclomol entsprechende Maßnahmen der Kontrazeption empfohlen. Ob das Stillen unter der Behandlung zu unterbrechen ist oder auf die Behandlung während der Stillzeit verzichtet werden soll, ist im Einzelfall zu entscheiden.
Toxizität
Aktuell (2024) liegen keine Erfahrungen zur Symptomatik einer Überdosierung oder Vergiftung mit Arimoclomol vor. Es ist davon auszugehen, dass es zu einer Störung der Nierenfunktion kommen kann. Eine primäre Giftentfernung durch die Gabe von Aktivkohle kann innerhalb einer Stunde nach der Ingestion erfolgen. Die weitere Behandlung erfolgt in jedem Fall symptomatisch. Ein spezifisches Antidot steht bisher (2024) nicht verfügbar. Aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften (geringe Plasmaproteinbindung) ist eine sekundäre Giftentfernung durch Hämodialyse wahrscheinlich effektiv.
ATC-Code
- N07XX - Andere Mittel für das Nervensystem
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Full Prescribing Information Miplyffa, FDA, abgerufen am 25.09.2024
- ↑ Kalmar B et al. Treatment with a coinducer of the heat shock response delays muscle denervation in the SOD1-G93A mouse model of amyotrophic lateral sclerosis. Amyotroph Lateral Scler. 2012
- ↑ Mengel E et al. Efficacy and safety of Arimoclomol in Niemann-Pick disease type C: Results from a double-blind, randomised, placebo-controlled, multinational phase 2/3 trial of a novel treatment. J Inherit Metab Dis. 2021
- ↑ 4,0 4,1 Zevra Therapeutics’ MIPLYFFA™ (Arimoclomol) Receives U.S. FDA Approval as Treatment for Niemann-Pick Disease Type C, Zevra Pressemitteilung 20.09.2024, abgerufen am 25.09.2024
- ↑ Benatar M et al. Safety and efficacy of Arimoclomol in patients with early amyotrophic lateral sclerosis (ORARIALS-01): a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2024
- ↑ Machado PM et al. Safety and efficacy of Arimoclomol for inclusion body myositis: a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Neurol. 2023
- ↑ Benatar M et al. Safety and efficacy of arimoclomol in patients with early amyotrophic lateral sclerosis (ORARIALS-01): a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre, phase 3 trial. Lancet Neurol. 2024
- ↑ Diener HC. ORARIALS-01: Arimoclomol bei Patienten mit ALS nicht wirksamer als Placebo. Psychopharmakotherapie 2024 - Referat der Studie
Weblinks
- Drugbank - Arimoclomol, abgerufen am 25.09.2024
- PubChem: 208924
- MeSH: 67486387