Serotonin
Synonyme: 5-Hydroxytryptamin, 5-HT, Enteramin
Englisch: serotonin
Definition
Serotonin ist ein biogenes Amin, das als Neurotransmitter im peripheren und zentralen Nervensystem vorkommt. Außerhalb des Nervensystems findet sich Serotonin u.a. in den enterochromaffinen Zellen der Darmmukosa, in basophilen Granulozyten und in Thrombozyten.
Chemie
Serotonin hat die Summenformel C10H12N2O und eine molare Masse von 176,22 g/mol. Die Verbindung gehört zur Gruppe der Indolamine bzw. Tryptamine.
Aufgrund seiner primären aliphatischen Aminogruppe ist Serotonin eine schwache Base, die eine Säurekonstante von 10,4 aufweist. Unter physiologischen Bedingungen liegt Serotonin daher überwiegend in protonierter Form vor.
Biochemie
Serotonin entsteht in einer 2-Schritt-Reaktion durch Hydroxylierung und anschließende Decarboxylierung aus der Aminosäure Tryptophan. Die beteiligten Enzyme sind die Tryptophanhydroxylase und die Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC). Als Zwischenprodukt entsteht die nichtproteinogene Aminosäure 5-Hydroxytryptophan.
Serotonin wird hauptsächlich in den enterochromaffinen Zellen der Darmmukosa produziert. Es wird im Blut von Thrombozyten und basophilen Granulozyten transportiert und kann so in fast jedem Körpergewebe seine Wirkung entfalten. Eine Ausnahme bildet das ZNS, da Serotonin die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann. Die Synthese vollzieht sich hier serotonergen Neuronen.
Serotonin wird in der Leber zu 5-Hydroxyindolylessigsäure (auch 5-HIAA genannt) metabolisiert. An diesen Vorgang sind die Monoaminoxidasen Typ A und Typ B sowie Aldehyddehydrogenasen beteiligt.
Serotonin kann auf einem weiteren Stoffwechselweg über eine Acetylierung und eine darauffolgende Methylierung zu Melatonin umgewandelt werden. Diese Umwandlung vermitteln die Enzyme Serotonin-N-Acetyltransferase (AANAT) und Acetylserotonin-O-Methyltransferase (ASMT) unter Verbrauch des Methylgruppendonators S-Adenosylmethionin (SAM).
Merkhilfe: Tryptophan wird zu Serotonin wird zu Melatonin. |
Physiologie
95 % des Serotonins befindet sich im Gastrointestinaltrakt, 90 % davon in den enterochromaffinen Zellen der Darmschleimhaut und die restlichen 10 % im enteralen Nervensystem. Im ZNS befindet sich das meiste Serotonin in den Raphe-Kernen des Hirnstamms. Die gesamte Serotoninmenge des Körpers wird auf ca. 10 mg geschätzt.
Die Eliminierung von Serotonin aus dem synaptischen Spalt erfolgt hauptsächlich durch Reuptake (Wiederaufnahme) in die Präsynapse. Verschiedene Psychopharmaka können diese Wiederaufnahme hemmen (z.B. MDMA (Ecstasy), Kokain, Amphetamin, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, kurz SSRI).
Funktion
Die Wirkung des Serotonins werden über sog. 5-HT-Rezeptoren vermittelt. Überall, wo sich 5-HT-Rezeptoren befinden, beeinflusst Serotonin physiologische Abläufe.
... im ZNS
Im ZNS entfaltet Serotonin vielfältige Wirkungen. Unter anderem ist es an folgenden Prozessen beteiligt:
Darüber hinaus beeinflusst Serotonin eine Vielzahl von emotionalen Prozessen, wie Aggression und Angst. Ein gestörtes Serotonin-Gleichgewicht findet sich u.a. bei psychischen Störungen wie Depressionen, Zwangserkrankungen und Angststörungen.
... in anderen Organen
Außerhalb des ZNS bewirkt Serotonin u.a.:
- in der Lunge und in den Nieren eine Vasokonstriktion
- in der Skelettmuskulatur eine Vasodilatation
- im Herz-Kreislauf-System durch Aktivierung verschiedener 5-HT-Rezeptoren zunächst einen initialen Blutdruckabfall (5-HT3-Rezeptoren), worauf nach wenigen Sekunden ein Blutdruckanstieg (5-HT2) folgt, der in einer langanhaltenden Hypotonie (5-HT7) endet
- eine verstärkte Thrombozytenaktivität mit Thromboseneigung
- eine Steigerung der Darmperistaltik
- eine direkte Promotion von Fibroblasten über die Aktivierung des kanonischen TGF-β-Signalweg; ein Überangebot von Serotonin führt demnach zu Fibrosen[1]
Außerdem spielt Serotonin eine wichtige Rolle in der vaskulären Komponente der Hämostase, da es aus den Granula der aktivierten Thrombozyten bei deren Adhäsion freigesetzt wird und zur lokalen Vasokonstriktion beiträgt.
Ernährung
In Nahrungsmitteln wie Schokolade, Walnüssen oder Avocados befindet sich in großen Mengen der Seronin-Vorläufer Tryptophan, sowie in geringen Spuren auch Serotonin selbst.
Pharmakologie
Pharmakokinetik
Serotonin hat nach oraler Gabe eine Bioverfügbarkeit von etwa 75 %. Nach Verstoffwechslung in der Leber wird der Hauptmetabolit 5-Hydroxyindolylessigsäure vorwiegend über den Urin ausgeschieden.
Pharmakodynamik
Serotonin selbst wird nicht therapeutisch angewendet, die Beeinflussung des Serotoninstoffwechsels bzw. -transports sowie die Hemmung oder Anregung von Serotoninrezeptoren sind jedoch wichtige pharmakologische Wirkmechanismen. Dabei steht meist die Beeinflussung der Serotonineffekte im ZNS im Vordergrund.
Arzneistoffgruppen mit Einfluss auf den Serotininstoffwechsel sind u.a.:
- selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zur Behandlung von Depressionen
- Serotoninantagonisten
- 5-HT3-Rezeptorantagonisten zur Behandlung von Übelkeit und Brechreiz
- 5-HT2-Rezeptorantagonisten als Thrombozytenaggregationshemmer
Klinik
Bei neuroendokrinen Tumoren (NET, Karzinoid) des Magen-Darm-Trakts kann es u.a. zu einer Überproduktion von Serotonin kommen, wodurch typische und diagnostisch ggf. wegweisende Symptome wie Hyperhidrose, Hypertonie, Tachykardie, Insomnie, Hitzewallungen hervorgerufen werden.
Zudem spielt Serotonin eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der Migräne.
Trivia
Serotonin wird populärwissenschaftlich, gemeinsam mit anderen Neurotransmittern, auch als "Glückshormon" bezeichnet.
Quellen
- ↑ Dolivio et. al. Tryptophan metabolites kynurenine and serotonin regulate fibroblast activation and fibrosis, Cellular and Molecular Life Sciences 2018